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Eine Apokalypse unter blauem Himmel

Ketten wie Radio Shack, Sports Authority und Toys R Us haben Gläubigerschutz beantragt: Parkplatz vor einer Toys-R-Us-Filiale in Elizabeth, New Jersey. Foto: Julio Cortez (Keystone)

Die amerikanische Wirtschaft brummt. Die letzte Rezession liegt acht Jahre zurück, und gegenwärtig expandiert das Bruttoinlandprodukt (BIP) mit einer Rate von gut 2 Prozent pro Jahr. Die Konsumenten sind in guter Stimmung.

Das sollte eigentlich gute Geschäfte für die Detailhändler in den USA bedeuten. Doch das Gegenteil ist der Fall: Im US-Retailsektor findet ein Massensterben statt, eine Apokalypse unter blauem Himmel. Was ist da los?

Hier zunächst das grosse Bild. Die jährlichen realen Wachstumsraten auf Quartalsbasis des US-BIP seit der Finanzkrise (Quelle: St. Louis Fed):

Und hier der von der Universität Michigan erhobene Consumer Sentiment Index (Konsumentenstimmung), ebenfalls seit der Finanzkrise (Quelle: St. Louis Fed)

Wie eingangs erwähnt: Das sollte eigentlich ein paradiesisches Umfeld für den Detailhandel sein, denn der Konsum macht in den USA mehr als zwei Drittel der Wirtschaft aus.

Zwei Zahlen verdeutlichen aber, dass die Realität im Detailhandel anders aussieht: 6800 und 3000.

Die erste Zahl, 6800, ist gemäss einer hervorragenden Analyse der Kolleginnen und Kollegen von Bloomberg die Anzahl der Detailhandelsgeschäfte, die in den ersten neun Monaten dieses Jahres dichtgemacht haben. Nur 3000 neue Geschäfte wurden im gleichen Zeitraum eröffnet, ein Nettoverlust also von 3800 Geschäften.

Hier eine Grafik, die die kumulierte Anzahl der neu eröffneten (schwarz) und geschlossenen (rot, in tausend) Geschäfte in den USA seit 2013 zeigt (Quelle: Bloomberg):

Es ist deutlich zu erkennen, wie sich die Schere im Verlauf der vergangenen drei Jahre geöffnet hat und deutlich mehr Geschäfte geschlossen als eröffnet wurden. Was steckt dahinter?

Hoch verschuldete Handelsketten

Zum einen Teil ist es sicherlich der Amazon-Effekt: Die Konsumenten kaufen immer mehr online ein und können sich den Trip zur Shopping Mall sparen. Doch gemäss den Analysten von Bloomberg ist noch eine zweite Kraft am Werk: Die Detailhandelsketten in den USA sind hoch verschuldet; sie waren in den Jahren vor und nach der Finanzkrise ein beliebtes Ziel von sogenannten Leveraged Buyouts. Das sind Unternehmensübernahmen, in denen der Käufer den Kaufpreis mit Schulden finanziert und diese nach der Übernahme sogleich der Bilanz des Kaufobjektes aufbürdet.

Nun bekunden immer mehr Detailhändler in den USA Mühe, ihre fällig werdenden Schulden zu refinanzieren. Die Kreditgeber am Markt für sogenannte Junk Bonds (Ramschanleihen) sind angesichts rückläufiger Geschäftszahlen und des Amazon-Effekts nicht mehr bereit, fällig werdende Anleihen zu ersetzen.

Das führt zu schlagzeilenträchtigen Bankrotten: Ketten wie Radio Shack, Sports Authority und Toys R Us haben in den letzten Monaten Gläubigerschutz beantragt. Die traditionsreiche Kaufhauskette Sears steht schon seit Jahren an der Schwelle zum Konkurs.

Dieser Trend könnte sich in den kommenden Jahren noch beschleunigen, wenn die US-Notenbank die Zinsen weiter erhöht.

Über neun Millionen Arbeitnehmer

Das hat Konsequenzen, besonders für die unteren Einkommensschichten in den USA: Rund acht Millionen Menschen arbeiten gemäss Bloomberg als Verkäuferinnen und Verkäufer in US-Detailhandelsgeschäften. Ihr jährliches Durchschnittseinkommen beträgt 21’500 Dollar.

Diese Jobs sind gefährdet, ebenso die 1,2 Millionen Supervisor-Stellen der Filialleiter, die im Durchschnitt 42’000 Dollar pro Jahr verdienen.

Ein genauerer Blick auf die US-Landkarte zeigt zudem Konzentrationsrisiken (Quelle: Bloomberg):

In zahlreichen Regionen (Counties) hängen zum Teil mehr als 25 Prozent aller Arbeitsstellen am Retail-Sektor (rote Flächen).

Es muss also damit gerechnet werden, dass die Zahl der Einwohner in den USA steigen wird, die kaum mehr genügend bezahlte Arbeit finden, die sich von ihren politischen Eliten im Stich gelassen fühlen und damit in ihrem Wahlverhalten «extremistischer» werden.

Black Friday: Schnäppchenjäger stehen Schlange vor einem Detailhändler in York, Pennsylvania. Foto: Jason Plotkin (York Daily Record, Keystone)