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Ein Rückzug voller Gefahren

Hat die Normalisierung eingeleitet: EZB-Präsident Mario Draghi. (Foto: Reuters/Kai Pfaffenbach)

Nach dem Kurssturz an den Aktienbörsen ist die Unsicherheit gross: Wo lauert die nächste Gefahr? Im Mittelpunkt steht das Risiko, dass die Inflationsaussichten unterschätzt wurden. Die US-Konjunktur könnte sich überhitzen, die Teuerung aufflammen und daraufhin die Zinsen in die Höhe schiessen. Die Notenbank müsste dann viel stärker auf die Bremse treten als bisher.

Was in der Debatte über die Ursachen des Mini-Crashs allerdings zu kurz kommt: Nicht nur in einem möglichen Worst-Case-Szenario sind die Notenbanken für die Finanzmärkte zum Risikofaktor geworden, sondern auch wenn sie einfach so weitermachen wie bisher.

Das war einmal…

Die führenden Zentralbanken haben die Normalisierung eingeleitet. Nachdem sie jahrelang systematisch Anleihen, Pfandbriefe und im Fall Japans auch Aktien-ETFs aufgekauft haben (die sogenannte quantitative Lockerung oder QE), steigen sie nun aus dieser Politik aus. Die amerikanische Zentralbank erwirbt keine zusätzlichen Papiere mehr, seit vergangenem Herbst baut sie auch ihr Wertschriftenportefeuille ab. Die Europäische Zentralbank kauft seit Januar nur noch halb so viele neue Anleihen und Pfandbriefe auf wie zuvor. Spätestens Ende 2018 dürfte sie das QE-Programm ganz einstellen. Die Schweiz und Japan würden gern ebenfalls ihren Kurs normalisieren, warten aber noch ab.

QE führte dazu, dass die Marktzinsen künstlich tief gehalten wurden. Sie alimentierte die Hausse an den Aktienmärkten. Zentralbanken sind dank QE zu wichtigen Investoren geworden. Neutrale Schiedsrichter? Das war einmal, wie der Chart zeigt.

(Quelle: Morgan Stanley)

Aus ihrer aktiven Rolle können Notenbanken sich nicht einfach so verabschieden, ohne dass das Folgen hat. Bisher galt die grösste Sorge der Vorstellung, dass die Zinsen zu schnell steigen könnten.

Alles unter Kontrolle?

Notenbanker versprechen deshalb, behutsam vorzugehen und allenfalls den Normalisierungsprozess zu drosseln, um ungewünschte Zinssprünge zu vermeiden:

«Jede Zentralbank wird die Normalisierung vorsichtig angehen und deren Auswirkungen genau beobachten. Je nachdem, wie die Finanzmärkte reagieren, verändern sich auch die monetären Bedingungen in der Wirtschaft wieder. Diese Wechselwirkung muss eine Zentralbank beim Fortgang ihrer Normalisierung berücksichtigen.» (Nationalbankpräsident Thomas Jordan am 1. September 2017 )

Der jüngste Kurssturz an den Börsen zeigt jedoch, dass die Risiken des Rückzugs aus QE auch ganz woanders lauern können: auf Nebenschauplätzen, wo sich über die Jahre Preisverzerrungen gebildet und Ungleichgewichte angestaut haben. Diesmal waren Termingeschäfte auf den führenden Volatilitätsindex verantwortlich. Im Januar fielen dagegen die Kurse von Staatsanleihen in «Kerneuropa» überdurchschnittlich, weil die EZB zu wenige passende Bundesanleihen am Markt vorfindet und deshalb deutlich weniger deutsche Papiere ankaufte, als vorgesehen war.

Anomalien am Markt

Allan Malz, Risikomanager und Dozent an der Columbia University, weist darauf hin, dass «Flash Crashes» und «Tantrums» seit einigen Jahren häufiger auftreten. Die Transaktionsliquidität in spezifischen Märkten breche plötzlich ein und bleibe weg, sei es für wenige Minuten oder mehrere Tage.

Allein an den Zinsmärkten macht Malz zahlreiche Anomalien aus, beispielsweise bei den Spreads am Swap-Markt oder in der Abwicklung von Repo-Transaktionen. Sie deuteten auf eine Funktionsstörung der Marktmechanismen hin.

«The market appears persistently less able to withstand large shocks.»

Zähle man das hoch verschuldete Finanzsystem hinzu, so sei die Gefahr von Überraschungen noch grösser.

«The risk of disruption emanating from surprising corners of the financial system is high.»

Die Vorstellung, dass eine Notenbank zeitnah reagieren kann, um Marktverwerfungen zu vermeiden, ist eine Illusion. Oder um mit Allan Malz’ Worten zu schliessen: Eine Normalisierung ist dringend erforderlich, aber sie stellt selbst ein Risiko dar.