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Die Notwendigkeit von Schulden

Ist überzeugt, dass die Option zur Verschuldung ökonomisch Sinn macht: SNB-Präsident Thomas Jordan. (Foto: Stefan Wermuth/Getty Images)

Eine extrem hohe private Verschuldung war eine wichtige Ursache für die Finanzkrise, die vor rund zehn Jahren ihren Ausgang nahm. Und eine sehr hohe öffentliche Verschuldung hat die Eurokrise mitverursacht. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass eine zu hohe Verschuldung – ob durch den Staat oder durch Private – eine volkswirtschaftliche Zeitbombe darstellt.

Aus dieser Erfahrung heraus hat sich der Eindruck festgesetzt, dass Verschuldung ganz generell etwas Übles ist, das es auf jeden Fall und immer zu verhindern gilt. Schon das Wort Schuld allein hat einen moralisch negativen Unterton. Und Schulden zu machen bzw. Zinsen darauf zu kassieren, galt lange auch als eine Sünde.

Schulden ermöglichen wirtschaftliche Entwicklung

In Wahrheit ist die Möglichkeit zur Verschuldung eine gute Sache! Denn ohne sie wären moderne Volkswirtschaften in ihrem Wachstum massiv eingeschränkt. Diese Aussage hat dem Sinn nach Thomas Jordan, der Präsident der Schweizerischen Nationalbank, am vergangenen Donnerstag an einer öffentlichen Veranstaltung gemacht. Und er hat recht.

Gemacht hat er die Aussage im Zusammenhang mit der Forderung der Vollgeldinitiative, das heutige Finanzsystem komplett umzukrempeln und den Banken die Möglichkeit zu nehmen, über Kredite Buchgeld zu schaffen. Kritiker des modernen Geldsystems, zu denen die Initianten zählen, haben recht. Unser Geldsystem baut zum grössten Teil auf Schulden auf. Wenn Geschäftsbanken Kredite vergeben, landen diese als Einlagen wiederum auf Bankkonten: als Einlagen der Kreditnehmer oder noch wahrscheinlicher als Einlagen der Verkäufer von Häusern oder anderer Dinge, für die der Kredit (bzw. die Hypothek) aufgenommen wurde. In jedem Fall basieren unsere Einlagen auf Schulden.

Doch das ist für sich gesehen kein Übel: Im Gegenteil, es ist eine historische Errungenschaft, die eine moderne Volkswirtschaft sehr viel flexibler und reicher macht. Es muss nicht erst das Geld dazu bereitstehen, damit investiert werden kann. Man kann es sich sozusagen aus der Zukunft borgen. Vielversprechende Investitionen mit einem hohen ökonomischen und sozialen Nutzen wären sonst meist nicht möglich. Dies würde das Fortkommen einer Volkswirtschaft massiv einschränken. Ganz, wie es auch Thomas Jordan festgehalten hat.

Wenn die Verschuldung zum Warnsignal wird

Das bedeutet aber umgekehrt nicht, dass jedes Ausmass von Verschuldung und jede Art von Investition einen hohen ökonomischen und gesellschaftlichen Nutzen haben. Und entscheidend ist tatsächlich der Zusammenhang zwischen der Verschuldung und dem erwarteten Nutzen der damit getätigten Investition: Leiht man sich per Kredit aus der Zukunft Mittel für Investitionen aus, die einen hohen Ertrag abwerfen, dann ist die Aufnahme von Schulden ökonomisch sinnvoll. Letztlich werden sie dann ja auch durch entsprechend werthaltiges Kapital gedeckt.

Ganz anders sieht es aus, wenn Investitionen keinen nachhaltigen Nutzen und Ertrag generieren. Schulden zur Finanzierung der Spekulation auf steigende Immobilienpreise, wie im Vorfeld der Immobilienkrise, haben keinen sozialen Nutzen und gefährden eine Volkswirtschaft. Falsche Anreize wie eine ungenügende Regulierung der Banken, ein zu geringes Eigenkapital und die sichere Aussicht, von den Steuerzahlern gerettet zu werden, befördern ein solches Fehlverhalten. Steigt die Verschuldung sehr rasch an, ist das meist auch ein deutliches Warnsignal, denn die Möglichkeit für sozial und ökonomisch sinnvolle Investitionen kann damit in der Regel nicht mithalten.

Gute Regulierungen sind gefragt

Doch statt jede Art von Schulden zu verteufeln, ist eine gute Regulierung notwendig; das gilt ganz besonders für die Finanzbranche, die ihr Geschäft mit der Verschuldung betreibt. Denn angemessen reguliert, hat sie für die Volkswirtschaft eine enorm wichtige und positive Funktion. Nicht nur durch ihre Möglichkeit, Kredite zu vergeben, sondern auch durch ihre Aufgabe, die Chancen von Investitionen zu evaluieren und die Mittel gut diversifiziert in solche mit Aussicht auf Erfolg zur Verfügung zu stellen.

Doch ohne angemessene Regulierung wird die Finanzbranche zur Gefahr, wie das nicht nur die Finanzkrise gezeigt hat. Denn dann hat sie weder einen Anreiz zur Vorsicht bei der Kreditvergabe noch zur Prüfung der Erfolgschancen der Projekte, in die das geliehene Geld fliesst, noch zur Diversifizierung der Kredite.