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Nicht ohne Trennungsschmerz

Die meisten Analysten glauben nicht an eine Abspaltung Schottlands.

Schottland hat seit 1999 ein eigenes Parlament, ein eigenes Rechts- und Gesundheitssystem sowie eine eigene Bildungspolitik. Die Abtretung weitere Autonomierechte vom Vereinten Königreich (UK) bis 2016 ist bereits geplant. Am 18. September stimmen die Schotten darüber ab, ob das nach über 300 Jahren Union mit England nicht zu wenig und zu spät ist. Ins Rennen gebracht hat das Referendum die Scottish National Party (SNP), die Schottland seit 2011 regiert.

Während lange kaum jemand mit der Abspaltung rechnete, zeigen neue Daten, dass den Separatisten die Überraschung gelingen könnte: Die Umfragewerte folgen den Diagonalen in der schottischen Flagge. Ein Omen?

Wie wahrscheinlich ist die Abspaltung? - Die meisten Analysten glauben nicht daran. Credit Suisse weist zwar auf den markanten Anstieg der Ja-Stimmen in der Umfrage von YouGov von 39% Anfang August auf 51% am 7. September hin. Allerdings seien nach anderen Meinungsforschungsinstituten die Unionisten noch immer in Führung. Während YouGov den Separatisten einen Vorsprung von 2 Prozentpunkten (Pp) gibt, liegen sie gemäss Ipsos Mori 14 Pp im Rückstand. Der Anteil der Unentschlossenen hat zudem zwar abgenommen, beträgt aber immer noch fast 8%. Beim aktuellen Kopf-an-Kopf-Rennen werden sie alles entscheiden.

Was geschieht nach einem Ja? - Schottland wäre nicht mehr Teil von UK, dieses umfasste noch England, Wales und Nordirland. Nicht nur mit UK, auch mit der EU sind Verhandlungen dieser «Rückabwicklung» geplant, die bis zum 24. März 2016 abgeschlossen sein sollten. Dieser Marschplan könnte sich als zu ambitiös erweisen, wie die französische Grossbank Société Générale zu bedenken gibt. Denn formell gesehen könne die EU keine Verhandlungen führen mit einem Land, das noch gar nicht existiere.

Was ändert sich im Verhältnis zur EU? - Mit dem Austritt aus UK wäre Schottland nicht mehr Teil der EU. Anders als von den Separatisten angenommen könnte es die EU mit einem Wiedereintrittsgesuch nicht eilig haben. Es würde nämlich ein Präzedenzfall geschaffen für Unabhängigkeitsbewegungen in anderen EU-Staaten. Und schon die Formalitäten sind keine Lappalie: Der Antrag muss nach Artikel 49 der EU-Verträge an den Rat gestellt werden, der die Kommission anhören und die Zustimmung des EU-Parlaments einholen muss, bevor er einstimmig entscheidet. Ein eventueller Beitrittsvertrag muss von allen Vertragsstaaten ratifiziert werden. Insbesondere könnte UK den Beitritt torpedieren – falls es nicht selbst aus der EU austritt, was durch die Abspaltung Schottlands wahrscheinlicher würde, wie UBS schreibt.

Scheidung von Ungleichen - Obwohl Schottland nicht viel kleiner ist als England, ist es mit 5,3 Mio. Einwohnern gegenüber den rund 58 Mio. eines Rest-UK ein Zwerg. Ohne Einnahmen aus dem Rohöl der Nordsee hätte Schottland gemäss Commerzbank ein Bruttoinlandprodukt (BIP) von 200 Mrd. $. UK bringt 2,8 Bio. $ auf die Waage. 40% des BIP Schottlands kommen aus «Exporten» nach Rest-UK.

Wer wäre reicher? - Auf Pro-Kopf-Basis läge Schottland in den Top 25 der Welt – knapp vor Italien und knapp hinter UK. Würde das ganze Nordseeöl Schottland zugerechnet, erhöhte sich das BIP auf 230 Mrd. $. Schottland käme global in die Top 20, aber nicht wie von der schottischen Regierung behauptet auf dem achten Platz. Ob der sprichwörtliche schottische Geiz ausreicht, um deswegen die Union zu kündigen?

Wer bekommt das Erdöl? - Oil & Gas UK, das Vertretungsorgan der Offshore-Energiewirtschaft, schätzt, dass im britischen Festlandsockel noch zwischen 15 und 24 Mrd. Barrel Öläquivalente (Bboe) schlummern.  Commerzbank gibt zu bedenken, dass mehr als die Hälfte davon auf potenzielle oder noch zu findende Ressourcen entfällt, von denen mit der aktuellen Technologie nur etwa 40% gefördert werden könnten. Société Générale geht zwar davon aus, dass der Löwenanteil dieser Rohöl- und Gasvorkommen Schottland zufiele. Sie warnt aber, dass die Befürworter der Unabhängigkeit die Steuereinnahmen aus der Nordsee überschätzen. Für Grossbritannien wäre der Steuerausfall umgekehrt verkraftbar.

Die Finanzlage Schottlands - Nach Berechnung von Commerzbank war das schottische Staatsdefizit 2012 und 2013 höher als das von UK, selbst wenn alle Öleinnahmen eingerechnet werden. Noch 2008 stellten Steuern aus Rohöl über 21% der Gesamteinnahmen, 2013 nur noch gut 10%. Dagegen stammen bloss 2% der britischen Einnahmen aus Rohöl. Gemäss Bankanalysten wird Schottland kaum darum herumkommen, die Steuern in anderen Sektoren zu erhöhen.

Wer übernimmt welche Schulden? - Es gibt keine etablierten Regeln. Als Zuteilungsschlüssel drängt sich das Verhältnis von BIP oder Bevölkerung auf. Schottland möchte die historische Fiskalposition heranziehen, die dank schottischer Haushaltsüberschüsse der Achtzigerjahre eine geringere Schuldenübernahme implizierte. Gemäss Commerzbank würde die Schuldenlast aber so oder so signifikant höher. Zudem: Sie könnte noch schwerer wiegen, wenn sich eine allfällige schottische Währung im Vergleich zum Pfund abwerten würde. Darunter würde die Kreditwürdigkeit leiden, die Zinslast neu emittierter Staatsanleihen stiege zusätzlich.

Was für ein Rating hätte Schottland? - Es ist nicht sicher, dass Schottland das Top-Rating von UK behalten könnte. Die Ratingagentur Standard & Poor’s, die UK mit Triple-A bewertet, sorgt sich besonders über den im Vergleich zum BIP enormen Bankensektor.

Welche Währung wird Schottland haben? - Es wäre für ein unabhängiges Schottland schwierig, das Pfund beizubehalten. Alle grösseren Parteien in UK sind sich einig, Schottland könne nicht Teil des Pfund-Währungsgebiets sein. Das heisst auch, dass schottische Banken im Notfall auch nicht auf die Finanzierung der Bank of England (BoE) zurückgreifen könnten. Schottland könnte eine eigene neue Währung an das Pfund anbinden, womit das Land aber der Geldpolitik der BoE ausgesetzt wäre. Eine Alternative mit ähnlicher Konsequenz wäre die Anbindung an den Euro.