Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Moskau mehrt Einfluss in Ostasien

Noch in der Spätphase der Sowjetunion hatte es Spekulationen über eine kräftige Aufstockung der russischen Seemacht im Pazifik gegeben. Daraus wurde nach dem Zerfall der UdSSR vorerst nichts, doch in jüngster Zeit hat Wladimir Putin den russischen Einfluss in Ostasien zu mehren begonnen.

Was immer man von der Person und den Regierungsprinzipien des russischen Präsidenten halten mag, sein geopolitischer Pragmatismus ruft nach Anerkennung. Innerhalb eines Jahrzehnts hat er es geschafft, Russland aus der Marginalisierung, in die es auf dem asiatischen Kontinent nach dem Verschwinden der Sowjetunion gefallen war, herauszuführen. Es ist dies gelungen, weil Moskau mit bemerkenswerter Konsequenz seine Aussen- und Sicherheitspolitik auf die neuen Machtverhältnisse in Asien ausgerichtet hat. Die Russische Föderation wird daraus nicht nur militärisch, sondern vor allem auch wirtschaftlich substanziellen Profit schlagen.

Während des Kalten Kriegs war Indien der solideste Partner und willfährigste Klient der UdSSR in Asien. Dies hat sich in den letzten Jahren aufgrund einer auf beiden Seiten neuen Interessenlage verändert. Indien war bei der Abspaltung der zentralasiatischen Sowjetrepubliken anders als China nicht zur Stelle. Peking reagierte rasch und etablierte 2001 die Shanghai Cooperation Organization. Diese Institution hat entscheidend zur Stabilisierung dieser riesigen Landmasse beigetragen. Nicht nur wurde ein islamistischer Flächenbrand verhindert, es wurde der fortdauernde Einfluss einer mehrheitlich säkular-russischen Führungsschicht gewährleistet.

Alarmglocken in Japan

Putins Vorgänger hatten wenig für Japan übrig. Seit Shinzo Abe 2012 ins Ministerpräsidentenamt zurückgekehrt ist, hat sich im bilateralen Verhältnis der beiden Länder vieles bewegt. Noch ist man in der strittigen Frage einer eventuellen Rückgabe der am Ende des Zweiten Weltkriegs der UdSSR abgetretenen Kurilen zu keiner Einigung gekommen. Doch es ist unverkennbar, dass Moskau und Tokio ein wachsendes Interesse an einer besseren Nutzung der vorhandenen ökonomischen Synergien haben.

Aus japanischer Sicht besitzen die riesigen Energieressourcen, die in den Weiten Sibiriens lagern, grossen geopolitischen Wert. Hier besteht die Möglichkeit, sich von langen, verletzlichen Versorgungslinien aus Afrika und dem Mittleren Osten unabhängiger zu machen. Zudem lassen das aggressive Verhalten Chinas im Südchinesischen Meer und die chinesische Marinepräsenz im Indischen Ozean in Japan die Alarmglocken läuten.

Interessiert verfolgt man in Ostasien das militärische Engagement der Russen im Mittleren Osten. Zwei Erkenntnisse hat man in jüngster Zeit gewinnen können. Zum einen hat sich Moskau weniger wankelmütig gegeben als Washington. Zum andern haben die russischen Einsätze in Syrien die seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion bestehenden Vermutungen, Russland sei fern von seinem Territorium nicht mehr in der Lage, komplexe Militäroperationen erfolgreich durchzuführen, beseitigt. Kleinere ostasiatische Länder, die von der Sorge über den Isolationismus der USA getrieben werden, sehen Russland als einen möglichen Machtfaktor zur Limitierung des chinesischen Hegemonialismus .

Noch steht in den Sternen geschrieben, wie viel von all den ungewöhnlichen und zuweilen abstrusen sicherheits- und aussenpolitischen Ideen Donald Trumps auch wirklich von der neuen amerikanischen Regierung aufgenommen und umgesetzt wird. Doch eines scheint klar, das «Soft Pedalling» gegenüber der Volksrepublik China wird ein Ende haben. Was dies bedeuten kann, lässt sich dem lesenswerten Buch des amerikanischen Chinaexperten Michael Pillsbury «The Hundred-Year Marathon. China’s Secret Strategy to Replace America as the Global Superpower» entnehmen.

Wie die Zusammenarbeit zwischen Trump und Putin sich schliesslich gestalten wird, gehört angesichts des flatterhaften Temperaments des neuen US-Präsidenten ins Reich der Spekulationen. Manche ostasiatische Sicherheitsexperten sehen am Horizont die Option, dass sich wiederholen könnte, was von Nixon und Kissinger eingeleitet und von Ronald Reagan abgeschlossen wurde: die Zurechtstutzung einer Supermacht. Als Washington die Volksrepublik aus der Isolation holte und unter Präsident Carter 1979 die Beziehungen zu China von Taipei auf Peking umpolte, ging es wesentlich um die Eindämmung der Supermacht UdSSR. Der Triumph über das «Imperium des Bösen» folgte beinahe dreizehn Jahre später mit dem Kollaps der Sowjetunion.

Einflussreiche Kräfte unter den Republikanern sehen schon seit längerem in der Volksrepublik China das neue «Imperium des Bösen», das es zu bekämpfen und zu besiegen gelte. Während man die Sowjetunion im Wettrüsten niederringen konnte, werden diesmal wirtschaftliche, insbesondere finanzielle Kampfmittel zum Einsatz kommen. Auch gehört es zur Strategie, den Nationalismus in China so zu schüren, dass Peking in Überschätzung seiner militärischen Stärke und seiner sozialen Stabilität zu selbstzerstörerischen Akten verleitet wird. In jedem Fall ist es nützlich, wie bei der Auseinandersetzung mit der UdSSR auch diesmal einen starken Partner aufzubauen. In einem Tausch der Rollen wird nun in Washingtons Strategie Russland die Volksrepublik ersetzen.

Derzeit liegt der Fokus der internationalen Medien auf den maritimen Vorstössen der Chinesen. Die Inselstreitigkeiten im Süd- und im Ostchinesischen Meer stehen im Vordergrund, ebenso der Aufbau einer Hochseekapazität der chinesischen Marine, die inzwischen nicht mehr nur im Pazifik, sondern auch im Indischen Ozean ein wachsender Machtfaktor ist. Darüber dürfen aber die kontinentalen Ambitionen Pekings nicht ignoriert werden. Sie schlagen sich in gigantischen Infrastrukturvorhaben in Pakistan und Myanmar sowie in der Mission einer Wiederbelebung der Seidenstrasse nieder.

Offene Rechnungen

Chinas Ambitionen in der Welt sind auch vor dem Hintergrund einer endgültigen Bereinigung der Erniedrigungen, die das stolze Reich der Mitte im 19. und 20. Jahrhundert hatte erdulden müssen, zu sehen. Wunde Punkte waren und sind die «ungleichen Verträge», die einem geschwächten China von auswärtigen Mächten oktroyiert wurden. Man denke an die Resultate der Opiumkriege oder der chinesisch-japanischen Kriege. Weiter zurück in der Geschichte liegt die Expansion des Russischen Reichs im Fernen Osten. Derweil die Verträge, die Hongkong den Briten und Taiwan den Japanern übermacht hatten, Geschichte sind, stehen gegenüber Russland noch immer happige Rechnungen offen.

Bereits während des Zarenreichs gab es Grenzstreitigkeiten zwischen China und Russland. In jüngster Zeit war es 1969 zu einem kurzen, verlustreichen Grenzkrieg zwischen den zwei Ländern gekommen. Zwar wurde 2008 eine bilaterale Grenzübereinkunft unterzeichnet. Doch niemand zweifelt daran, dass unterschwellige russische Ängste über die enormen demografischen Ungleichgewichte im Fernen Osten und ein hoher Grad an gegenseitigem Misstrauen fortbestehen.

Die Zeiten, da Mao Zedong im Angesicht russischer nuklearer Drohgesten Moskau mit der geballten Kraft von Hunderten von Millionen todesmutiger Chinesen drohte, sind vorbei. Doch seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist die Bevölkerung in Sibirien und im russischen Fernen Osten geschrumpft. Bekanntlich wirkt ein Vakuum auch in demografischer Hinsicht anziehend. In Moskau sind frühere chinesische Ansprüche auf russische Territorien nicht vergessen. Und man weiss, dass das Wachstum und die Modernisierung der chinesischen Wirtschaft sich auch in einem militärischen Erstarken niederschlagen. Putin sieht seine Politik eines selbstbewussten Russlands auch als Instrument, solch konträren Dynamiken entgegenzuwirken.

Newsletter

FuW – Das Wochenende

Erhalten Sie zum Wochenende handverlesene Leseempfehlungen der Redaktion.