Die Diagnose ist bekannt: Die Schweizer Wirtschaft ist seit der Rezession 2009 bis im Januar 2015 solid gewachsen. Basis waren niedrige Zinsen, hohe Zuwanderung sowie der durch die Nationalbank abgesicherte Wechselkurs. Die OECD kommt in ihrem Länderbericht zur Schweiz zudem zum (auch nicht neuen) Schluss, dass die Entwicklung der Produktivität hinter dem Wachstum herhinkt. Der Frankenschock, also die Aufhebung der Kursuntergrenze zum Euro, hatte eine Wachstumsabschwächung zur Folge. Die OECD erwartet für 2015 ein Wachstum von 0,7% und 2016 von 1,1%.
Der Bericht der OECD ist allerdings nicht widerspruchfrei. Er geht davon aus, dass die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative mit der verlangten Einschränkung der Zuwanderung die Wirtschaft zu mehr Produktivität zwinge. Gleichzeitig bezeichnet die OECD die Annahme der Initiative jedoch als Risiko für die Wirtschaft, weil durch die Umsetzung die bilateralen Verträge der Schweiz mit der EU gefährdet würden. Dieses Risiko dürfte wesentlich grösser sein als die – eher ungewisse – Chance zu mehr Produktivität.
Losgelöst von der Umsetzung der Initiative sieht die OECD den Schlüssel zu höherer Produktivität in flexiblen Arbeits- und Gütermärkten sowie in Liberalisierungen in der Landwirtschaft, der Telekommunikation sowie dem Energiesektor. In der Telekommunikation schlägt sie die Vollprivatisierung der Swisscom vor, die Schweiz sei hier im Rückstand. In der Energie müsse mehr auf Marktmechanismen statt auf Subventionen gesetzt werden – das trifft zu.
Die OECD legt den Finger auf weitere wichtige Punkte, in denen tatsächlich kaum Fortschritte zu erkennen sind. Sie schlägt die Einführung eines Einheitssatzes in der Mehrwertsteuer und die Reduktion der Ausnahmen vor. Davon will die Schweizer Politik leider nichts wissen. Bezüglich der Alterung der Bevölkerung legt sie nahe, das Rentenalter für alle auf 65 Jahre zu fixieren und es dann der steigenden Lebenserwartung anzupassen – sprich zu erhöhen. Auch da ist die Schweiz im Rückstand, etliche OECD-Länder haben derartige Reformen schon vorgenommen.
In einen nur schwer aufzulösenden Widerspruch verstrickt sich die OECD in der Steuerpolitik. Sie verlangt von der Schweiz, dass sie den automatischen Informationsaustausch in Steuersachen (AIA) einführt sowie die Massnahmen zur Verhinderung internationaler Steueroptimierungen (Beps) übernimmt. Die Schweiz wird beides tun. In diesen Bereichen vergisst die OECD jedoch den sonst hoch gehaltenen Wettbewerbsgedanken: AIA, Beps und Ähnliches sind letztlich Harmonisierungsinstrumente und gegen den internationalen Steuerwettbewerb gerichtet. Sie dürften die Wachstumsdynamik eher dämpfen statt fördern.
Durch diese Widersprüche schmälert die OECD ihre Glaubwürdigkeit. Dessen ungeachtet braucht die Schweiz aber klar mehr Wettbewerb. Die Produktivität der Wirtschaft kann nicht über staatliche Interventionen gesteigert werden.
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Mehr Wettbewerb für die Schweiz
Zum Teil widersprüchliche Empfehlungen der OECD zur Schweizer Wirtschaftspolitik. Ein Kommentar von FuW-Redaktor Peter Morf.