Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

«Mehr als nur Barriereprodukte»

«Ich habe nicht den Eindruck, dass die Anleger frustriert sind.»

Herr von Wattenwyl, wie ist die derzeit nervöse Stimmung der Anleger im Derivatmarkt spürbar? - Insgesamt verzeichnet die Struki-Branche ein sehr gutes Jahr 2018. Das Handelsvolumen hat lediglich im vierten Quartal abgenommen. Viele Anleger sind verunsichert und zurückhaltend. Zudem fehlen Umschichtungen respektive Rollover-Transaktionen: Von den Emittenten werden im derzeitigen Marktumfeld weniger Zertifikate vorzeitig gekündigt, somit werden auch weniger Ersatzprodukte angeboten und gekauft. Der Umsatz der Callable-Produkte ist gesunken.

Wegen der höheren Volatilität am Aktienmarkt sind die Konditionen für Barriereprodukte attraktiver geworden. Weshalb greifen die Anleger nicht mehr zu? - Professionelle Investoren schauen solche Produkte jetzt wieder genauer an. Nach der Abwärtsbewegung an der Börse ist die Ungewissheit nun geringer geworden. Zudem ist die Risikoprämie am Markt gestiegen und ist damit attraktiver. Privatanleger sind jedoch erfahrungsgemäss im Börsenzyklus gegen das Ende eines Aufschwungs vermehrt engagiert und kommen nach einer Korrektur langsamer zurück.

Was ziehen Investoren bei höherer Volatilität vor: einen höheren Coupon und damit die Chance auf mehr Ertrag oder eine tiefere Barriere für ein geringeres Risiko? - Viele Kunden streben durchweg einen Coupon von 7 bis 8% an. Deshalb setzen sie bei höherer Volatilität die Barriere weiter unten. Zudem wählen die Investoren gegenwärtig als Basiswerte vermehrt defensive Valoren, etwa Nestlé, Novartis und Roche, aber auch Versicherungsaktien. Sie wollen mehr Sicherheit. Dieses Verhalten ist gerade auch bei den massgeschneiderten strukturierten Produkten mit einer eher kurzen Laufzeit gut sichtbar.

Wo sollen Anleger die Barriere nun setzen, wie gross muss der Risikopuffer sein? - Wir müssen damit rechnen, dass die Volatilität auch künftig höher ist als in der Vergangenheit. Deshalb ist ein grösserer Risikopuffer ratsam. Im Vergleich zu den nach wie vor tiefen Zinsen ist es auch mit einem etwas geringeren Coupon attraktiv, das Aktienrisiko zu übernehmen.

Im Herbst sind zahlreiche Aktien unter die Barriere gefallen. Sind die Investoren frustriert? - Es herrscht eine gewisse Ernüchterung, da beliebte Basiswerte wie die Aktien von AMS und von der Deutschen Bank deutlich gefallen sind. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass die Anleger frustriert sind und dem Markt den Rücken kehren.

Wie soll man auf einen Barrierebruch reagieren? - Entweder der Kunde entscheidet sich, bis zum Ende der Laufzeit zu warten und, falls sich der Aktienkurs nicht ausreichend erholt, die Aktien ins Depot zu nehmen. In diesem Fall schneidet ein Barriereprodukt auf eine Aktie dank des Coupons immer besser ab als die Direktanlage. Bei einem Barriereprodukt auf mehrere Aktien wird allerdings der Titel mit dem grössten Kursverlust geliefert.

Was sonst kann der Anleger unternehmen? - Er verkauft das Produkt und kauft ein Recovery-Zertifikat. Es ist auf die aktuellen Marktkonditionen mit der erhöhten Volatilität ausgerichtet. Konkrete Produktvorschläge nach einem Barrierebruch sind gerade bei routinierten Investoren willkommen.

Zum Risiko durchbrochener Barrieren kommt das Risiko, dass der Emittent in Konkurs geht, so wie damals Lehman Brothers. Abhilfe schaffen pfandbesicherte Zertifikate, die heute aber fast niemand mehr will. - Für pfandbesicherte Zertifikate gibt es zwei Segmente, Cosi und TCM. Falls das Emittentenrisiko wieder einmal zum Thema wird, werden Anleger solche Produkte kaufen wollen. Aus Sicht des SVSP ist es daher sehr sinnvoll, dass eine Besicherung angeboten wird und dass pfandbesicherte Zertifikate beibehalten werden, auch wenn die Nachfrage derzeit klein ist. Sie sind eine gute und international einmalige Errungenschaft.

Werden strukturierte Produkte nach wie vor in erster Linie von Privatanlegern gekauft? - Die private Vermögensverwaltung ist das wichtigste Kundensegment, der Endkunde ist meist ein Privatinvestor. Strukturierte Produkte sollen künftig aber auch im Segment der institutionellen Anleger vermehrt eingesetzt werden. Unser Verband ist mit der Pensionskassenaufsicht, mit anderen Verbänden und auch mit Vertretern aus der Politik in Kontakt, um zu informieren und Aufklärung zu betreiben.

Was ist die wichtigste Überlegung für einen Investor, der sich neu für strukturierte Produkte interessiert? - Ein strukturiertes Produkt ist eine Anlage mit einem klar bestimmten, transparenten Rendite-Risiko-Profil. Der Rendite steht also ein Risiko gegenüber, das an einen bestimmten Basiswert‚ zum Beispiel eine Aktie oder einen Index, gekoppelt ist. Der Anleger muss sich mit dem Auszahlungsprofil des Produkts und der Entwicklung des Basiswerts befassen.

Sind strukturierte Produkte nur für den taktischen Einsatz geeignet oder auch als langfristige Kernanlage? - Sie werden zum Grossteil taktisch eingesetzt, als Alternative zu einer Direktanlage. Daneben wächst das Segment der Strategiezertifikate, sie ermöglichen die Partizipation an einem speziellen Anlagethema und werden zum Teil auch mit Kapitalschutz versehen. Solche Produkte dienen als Kernanlage.

Lässt sich Kapitalschutz überhaupt konstruieren, wenn die Zinsen bei null oder negativ sind? - Das Segment Kapitalschutz wächst, es hat auch im dritten und im vierten Quartal zugelegt. Eine wichtige Rolle spielen die attraktiver gewordenen Zinsen im Dollar, gerade auch für kürzere Laufzeiten von zwei bis drei Jahren. Deshalb wird Kapitalschutz vor allem bei in Dollar denominierten Produkten nachgefragt.

Strategiezertifikate, Recovery-Produkte, Kapitalschutz: Sind die Bankberater und die Vermögens ver walter kompetent, um all dies ihren Kunden zu erklären? Ausbildung und Wissensvermittlung sind nach wie vor wichtige Themen für den Verband. Für die Beratung der Kunden ist unsere Portfolio-App – der SP Portfolio Optimizer – ein sehr gutes Werkzeug. Einmal heruntergeladen, kann er aufzeigen, wie sich das Portfolio unter Hinzunahme von strukturierten Produkten verändert, man kann Szenarien und Stresstests durchspielen. Zwar setzen sich zahlreiche Anbieter intensiv mit der App auseinander, aber andere haben hier noch Potenzial. Dieses gilt es nun zu nutzen und den Bekanntheitsgrad der App weiter zu erhöhen.

Kommen vom Verband nach der App weitere Initiativen? - Der SVSP wird ein «Konzept 2020» erstellen, mit dem wir den Ausbildungsstand im Markt erhöhen wollen. Jeden September trifft sich die Branche in Luzern zu einem Forum. Auch dort sprechen wir immer wieder über das Thema Ausbildung, für Privatanleger und für professionelle Investoren wie Pensionskassen.

Was nützen strukturierte Produkte einer Pensionskasse? - Für Pensionskassen ist das Asset Liability Management zentral, mit der Abstimmung der Fristen von Einkünften und Verpflichtungen. Da bieten sich interessante Alternativen zu Obligationen an. Und beim Cash Management lässt sich mit den richtigen Instrumenten eine bessere Rendite erzielen.

Am beliebtesten sind jedoch Barriereprodukte . - Strukturierte Produkte sind mehr als Barriereprodukte mit Coupon – das aufzuzeigen, ist unsere Aufgabe. Sie lassen sich beispielsweise passgenau auf die Fristentransformation abstimmen. Ein zweites Beispiel ist eine Anleihenalternative: Am Interbankenmarkt sind derzeit die Nachfrage nach Absicherung und damit der Risikoaufschlag sowie die Rendite hoch. Anleihen hingegen sind teuer, und entsprechend ist ihre Rendite gering. Credit Linked Notse gewähren Zugang zur höheren Rendite am Interbankenmarkt. Das damit verbundene Emittentenrisiko können Anleger absichern. Solche Instrumente sind für Pensionskassen sinnvoll.

Welches Wissen müssen Privatanleger mitbringen? - Bei den Kundenberatern ist der Portfoliokontext das grosse Thema. Es geht darum, wie strukturierte Produkte das Risiko-Rendite-Profil des Portfolios verbessern können – da steht unsere App im Zentrum. Bei den sogenannten Selbstentscheidern geht es oft um die Funktionsweise der Zertifikate und darum, worauf der Anleger achten muss, wo das Risiko liegt.

Kritiker – auch aus der Akademie – monieren, die Darstellungen auf der 2006 vom SVSP eingeführten Swiss Derivative Map seien für viele Anleger unverständlich, es gebe bessere Alternativen. Ist eine Renovation nötig? - Die Aufgabe der Map ist die Standardisierung, und wir haben sie letzthin erneut überarbeitet. Die Map erhöht die Transparenz. Andere Darstellungen sind momentan nicht geplant.

Ist der Markt gesättigt, und gibt es einen Verdrängungswettbewerb, wenn ein neuer Emittent auftritt, so wie im Herbst die Luzerner Kantonalbank? - Es besteht weiterhin Wachstumspotenzial. Die Luzerner KB wird ihren Platz finden; sie geht die Kunden auf ihre eigene Art an und positioniert sich anders als etwa ein internationaler Emittent, der aus Effizienzgründen überall die gleiche Dokumentation verwendet.

Das neue Produktinformationsblatt in Europa sorgt für Verwirrung. Wie sind Ihre Erfahrungen damit in Deutschland? - Die EU schreibt vor, wie das Key Information Document KID verfasst werden muss, es soll Transparenz gewähren. Das neue Format ist für die Anleger gewöhnungsbedürftig, und viele Informationen waren unverständlich. Mittlerweile sehen wir jedoch, dass sich das neue Format etabliert hat und von den Anlegern angenommen wird.

Kommt das KID auch in die Schweiz, oder werden bei uns plausiblere Informationsblätter vorgeschrieben? - Soweit sich das heute beurteilen lässt, wird die Schweiz eine sehr gute und pragmatische Lösung einführen. Das Finanzdienstleistungsgesetz Fidleg bringt das Basisinformationsblatt BIB. Das neue Gesetz ist sehr liberal, und es akzeptiert, dass internationale Emittenten nicht für jedes Land eine separate Dokumentation verfassen. In Europa legt das KID fest, welche Information dem Privatanleger zur Verfügung gestellt werden muss. Diese Vorgabe wird in der Schweiz akzeptiert werden, und das KID kann hierzulande anstelle des BIB verwendet werden.

Wie wird das Schweizer Basisinformationsblatt aussehen? - Der Verordnungsentwurf zum Fidleg sieht eine Mustervorlage vor, die weitestgehend der Mustervorlage des KID entspricht. In verschiedenen Punkten ist das BIB aber sehr viel flexibler gestaltet. Damit wird es in der Schweiz weiterhin auch möglich sein, die Anleger beispielsweise in Bezug auf die Risiken auf die bisherige, gewohnte Art zu informieren.

Sollten nicht besser alle denselben Regeln folgen? - Das Vorgehen zeigt, wie pragmatisch die Schweiz denkt. Wenn jedes Land komplett eigene Anforderungen an die Dokumentation stellt, steigen die Kosten der Produkte. Das ist nicht im Sinn der Anleger. Es wäre aber auch wenig sinnvoll, die überkomplexe europäische Dokumentation allen Emittenten aufzuzwingen, auch denjenigen, die ihre Produkte gar nicht nach Europa exportieren.

Können Anleger die Kosten der Produkte vergleichen, trotz zweier unterschiedlicher Dokumentationen? - Die Kostentransparenz muss bei allen Dokumentationen äquivalent sein. Ich gehe davon aus, dass das gewährleistet sein wird – auch wenn die neuen Regeln noch nicht festgeschrieben sind. Mit der vollen Transparenz sind einige Emittenten schon früher freiwillig vorausgegangen. Letztes Jahr, mit der europäischen Finanzmarktrichtlinie Mifid, sind viele weitere Anbieter gefolgt – sie sind dazu verpflichtet, sofern sie europäische Kunden bedienen wollen. Mit dem Fidleg werden dann voraussichtlich alle nachziehen müssen, und das ist gut so.

Sie arbeiten künftig für Vontobel in Singapur. Da sind die Schweiz und der SVSP gar weit entfernt. - Ich bin verantwortlich für das Geschäft mit externen Vermögensverwaltern in Asien und für Family Offices weltweit und freue mich darauf, dadurch neue Impulse auch in die Verbandsarbeit einzubringen. Vontobel gewährt mir weiterhin die Ressourcen und den Freiraum, um das Amt als SVSP-Präsident auszuüben. Zudem habe ich den Support der Verbandsmitglieder. Wir sind ein gut eingespieltes Team. Etwa siebzig Personen sind in unseren Arbeitsgruppen tätig. Für Treffen und repräsentative Aufgaben bin ich eine Woche pro Monat in der Schweiz.