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Mann des Jahres 2017

«Luxe» präsentiert das fünfte Jahr in Folge eine Wahl von Männer-Persönlichkeiten, die dieses Jahr in der Schweiz von sich reden gemacht haben. Exklusive Gespräche mit den «Männern des Jahres» der Kategorien Business, Kultur, Sport und Wissenschaft.

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Bereich Kultur: Philippe Jordan

Die Berufung zum Musikdirektor der Wiener Staatsoper per 2020 ist die vorläufige Krönung der Karriere des 43-jährigen Schweizer Dirigenten, der trotz internationalem Erfolg keine Pultstar-Allüren hat.

«Der schönste Moment ist, wenn man vergisst, dass es Arbeit ist»

Gratulation zur Berufung an die Wiener Staatsoper. Das Ergebnis einer konsequenten Karriereplanung? - Geplant war es nicht. Aber als das Angebot kam, wurde mir erst klar, wie konsequent mein Weg da hingeführt hat. Plötzlich steht man vor seinem Leben und merkt: Ja, man hat ja eine Vorgeschichte.

Ihr Vertrag als Chef der Pariser Oper endet 2021, ebenso derjenige bei den Wiener Symphonikern – verlassen Sie diese beiden Stellen? - Ja, ich werde dann zwölf Jahre in Paris gewesen sein, das ist genug. Man muss eine Zäsur machen für sich selbst und für das Haus. Das Publikum und vor allem das Orchester braucht dann eine neue Stimulation. Bei den Wiener Symphonikern schmerzt dies sehr, weil es eine jüngere Beziehung ist und die Saat gerade aufzugehen beginnt. Die Staatsoper ist eine so grosse Herausforderung, dass ich meine Kräfte in den ersten Jahren für dieses Haus bündeln will, um etwas auf die Beine stellen zu können.

An der Pariser Oper und dann in Wien sind Sie so etwas wie der CEO von grossen Unternehmen. Das verlangt ein hohes Mass an Zeitmanagement. Wie schaffen Sie das? - Mit Erfahrungswerten. Ich mache den Beruf jetzt 22 Jahre, man kennt sich selbst immer besser und weiss, wie man arbeitet. Ich bin eigentlich kein Workaholic, zähle mich zu denen, die auch mal wieder eigene Zeit zum Atmen brauchen. Wenn man gegen Mitte oder Ende vierzig ist, muss man sich auch mal sagen: Weniger ist vielleicht mehr. Das sind dann Lebensentscheidungen.

Werden Sie im Spielplan der Wiener Staatsoper andere Schwerpunkte setzen als hier in Paris? - Die Staatsoper hat eine ganz andere Funktion als die Oper in Paris. Hier haben wir zwanzig Stücke auf dem Spielplan und können alles perfekt geprobt auf die Bühne bringen. In Wien hat man sechzig Stücke laufen. Insofern ist es viel schwieriger, einer solchen Institution ein bestimmtes ästhetisches Profil zu geben. Da passt der Vergleich mit dem CEO: Jede Direktion muss sich mit neuen Zielen auseinandersetzen.

Thema Regisseure: Wo machen Sie Kompromisse? - Natürlich dürfen wir uns nicht in die jeweiligen Kompetenzen reinreden. Aber es spielt keine Rolle, ob zwei von ganz verschiedenen Seiten an ein Stück herangehen. Am schönsten ist es, wenn ein kreativer Dialog entsteht. Ein Regisseur muss nicht meinen Geschmack befriedigen. Er muss den Text und das Stück respektieren, die Musik kennen und mögen. Dann bin ich sehr offen für neue Sachen. Ich nenne das nicht Kompromiss, ich nenne es Synthese.

In Paris und in Wien trafen Sie auf unterschiedliche musikalische Traditionen. Wie bringen Sie Ihre eigene Handschrift als Dirigent ein? - Für mich ist die eigene Handschrift gar nicht so wichtig. Wenn man eine Persönlichkeit hat, passiert sie automatisch. Wichtig ist, dem Geist des Stückes nachzuspüren. Natürlich kommt auch eine persönliche Art des Musizierens hinzu. Aber man soll das nicht kultivieren.

Heute spielt man klassische Musik anders als früher. Dürfen solche Stücke wirklich immer wieder neu interpretiert werden? - Wir sind immer Kinder unserer Zeit. Die Frage, die man sich stellen muss, ist: Wie spielen wir diese Musik, mit allem, was wir inzwischen darüber wissen, im 21. Jahrhundert? Dass das anders klingt als vor sechzig oder hundert Jahren, ist ganz normal. Eine Komposition ist wie ein Kind: Der Komponist hat es in die Welt gesetzt, und dann hat es sein eigenes Leben, entwickelt sich mit den Epochen und den Menschen, die es umgeben.

Früher rühmten viele Orchester ihren eigenen, typischen Klang. Ist das heute noch möglich, wo die Orchester weltweit alle international zusammengesetzt sind? - Die grossen Orchester haben noch immer ihren eigenen Geist und typischen Sound. Ich denke, heute sogar wieder ausgeprägter. Denn in unserer Zeit der Globalisierung sucht man wieder vermehrt nach der eigenen Identität. Die Frage, wer wir selbst sind, spielt in der ganzen Gesellschaft wieder eine Rolle und ist brandaktuell. Ich beobachte dies auch in unserer eigenen Musizierwelt.

Oper ist eine teure Kunstgattung, ist finanziell abhängig von staatlichen Geldern, die heute eher gekürzt werden. Wie ist die Zusammenarbeit mit  Sponsoren? - Sie sind in der heutigen Zeit sehr wichtig geworden. Natürlich werbe ich um sie, das muss ich tun. Wenn ich eine grosse Produktion mit tollen Sängern machen will, muss ich mich mit ihnen zusammensetzen, mit ihnen essen gehen, sie einbinden. Man muss beim Sponsor die Kultur als Vehikel «verkaufen». Wir stehen ja quasi in Konkurrenz zu anderen Grossanlässen – der Sponsor finanziert nicht im selben Jahr in derselben Stadt eine Fussball-WM und dann auch noch die Oper.

Oper wird oft als «altmodische» Kunst gesehen. Wie stehen Sie zu ganz neuen Aufführungsformen? - Egal, ob man «Così fan tutte» auf dem Mond spielt oder «Don Giovanni» in einer Bank – das Entscheidende ist, dass die Emotionen uns bewegen, es muss etwas in uns auslösen. Da können viele Wege hinführen, es gibt nicht den einzigen richtigen. Man muss die Wahrheit des Werks finden.

Welches ist für Sie der schönste Moment bei Ihrer Arbeit? - (langes Überlegen) Der schönste Moment ist für alle Beteiligten, wenn es fliesst und man vergisst, dass es Arbeit ist. Wenn «es» passiert. ( Hans Uli von Erlach)

Bereich Business: Martin Fengler

Mit den Meteodrones hat Martin Fengler in Sankt Gallen ein einzigartiges Instrument entwickelt , das Wetterdaten in Echtzeit misst und kommuniziert. Für Kunden in der Schweiz, im übrigen Europa und auch für amerikanischen Tornadoforscher.

Sie sind von Haus aus Mathematiker. Woher kommt Ihr Interesse für das Wetter? - Ich hatte an der TU Kaiserslautern promoviert über «theoretische numerische Wettervorhersage» und arbeitete danach bei einem Wetterdienst in der Schweiz. Während eines Sabbatical machte ich den Pilotenschein, aus purem privaten Interesse. Schon bald aber war ich frustriert, dass man nie genau wusste, ob man wegen des Nebels am Bodensee am nächsten Tag fliegen konnte oder nicht. Ich sagte mir: Was läuft da schief? Warum ist die Wettervorhersage beim Thema Nebel, Hochnebel und Gewitter so schlecht?

Und wo orteten Sie das Problem? - Vor allem darin, dass man aus der sogenannten Grundschicht, den ersten 1,5 Kilometern über dem Boden, praktisch keine Daten hatte. Für wirklich verlässliche Daten für kleinräumige und kurzfristige Prognosen braucht es aus dieser Schicht direkte Messungen.

Hier setzte Ihre Idee an? - Ja, ich dachte, man müsste solche Daten mit einer hohen Frequenz erfassen, um ein aussagekräftiges Wettermodell zu erstellen. Meteo Schweiz hat unser Forschungsprojekt dann begleitet, finanziert durch das Bundesamt für Zivilluftfahrt. Es geht bei uns ja um unbemanntes Fliegen. Im Jahr 2012 wurde aus der Firma Meteomatics eine GmbH, heute sind wir eine Aktiengesellschaft. Vorher war das ja quasi eine Ich AG (schmunzelt).

Es gibt doch viele Wetterstationen, und es gibt Wettersatelliten. Reichen diese nicht? - Die Beobachtungsstationen stehen am Boden und somit unter dieser Grundschicht. Und Wettersatelliten können die geforderten Daten nicht erkennen, weil sie entweder durch die Nebel oder von oben auf diesen Altostratus schauen. Aber die Flugsicherung Skyguide und die Flughäfen interessiert genau diese Schicht von 1500 Metern, weil sie einen grossen Effekt auf ihre Arbeit hat. Zum Beispiel können bei Nebel nur etwa halb so viele Anflüge angenommen werden. Das hat enormen wirtschaftlichen Impact für Flughafenbetreiber.

Warum setzen Sie Drohnen ein? - Es gibt im Moment keine alternativen Instrumente als Drohnen, um das zu erreichen, was wir an Messdaten wollen. Wobei ihr Flugprofil ziemlich unspektakulär aussieht: Die Drohne fliegt kerzengerade anderthalb Kilometer nach oben und ebenso runter. Auf diesem senkrechten Flug wird kontinuierlich auf verschiedenen Höhen gemessen, und das rund alle fünfzehn Minuten. So können wir während einer Nacht Temperatur, relative Luftfeuchte, Luftdruck, Windgeschwindigkeiten und -strömungen etc. räumlich und zeitlich darstellen. Wir können alles eins zu eins messen, sogenannte Remote-Sensing-Techniken tun das nicht. Wir halten ja eigentlich, salopp gesagt, nur ein Thermometer in die Luft und interpretieren die empfangenen Daten.

Wer ausser der Luftfahrt hat sonst noch Interesse an solchen Daten? - Die meisten unserer Kunden interessiert nicht das Wetter selbst, sondern seine Auswirkungen auf ihren Geschäftsbereich. Firmen aus dem Energiebereich für Wind- und Solarleistungsprognosen oder Wasserkraftprognosen. Im Bereich Verkehr interessiert sich die Automobilindustrie, weil künftige autonome Fahrzeuge Wetterdaten in Echtzeit abrufen und dadurch Steuerungselemente optimieren können. Oder der SBB liefern wir unter anderem Daten, wann Schienenabschnitte von Feuchtigkeit überzogen werden, was vom Zug einen höheren Energieeinsatz fordert. Kunden aus dem öffentlichen Bereich gewinnen aus unseren Messdaten Erkenntnisse, um gegen Schadstoffkonzentration vorzugehen. Oder die Verkehrspolizei, weil kurzfristige, lokale Glatteisbildung genau prognostiziert werden kann. Mit Drohnen fliegen wir primär in der Schweiz. Aber rund die Hälfte unserer Kunden stammt von ausserhalb: Wir sind in Deutschland, England, Holland, Frankreich unterwegs, haben auch in den USA einiges am Laufen. Wir kaufen auch Daten weltweit ein und bereiten sie entsprechend auf, sodass man sie überall auf der Welt interpretieren kann.

Werden Ihre drei Drohnentypen unterschiedlich eingesetzt? - Ja, alle drei haben verschiedene Eigenschaften. Die SSE, die kleinste, wiegt nur 700 Gramm, ist aber ein kleines Monster. Ihre Aufstiegsrate macht über 20 Meter pro Sekunde, und sie fliegt bei Windgeschwindigkeiten bis 100 kmh noch stabil. Sie wird auch vom amerikanischen National Weather Center eingesetzt, um die Entstehung von Tornados zu erforschen.

Wieviel bezahlt man für eine Drohne? - Zwischen rund 50 000 und 100 000 Fr. pro Stück. Wir bauen jede einzeln hier in St. Gallen. Aber wir verkaufen ja nicht einzelne Drohnen, sondern ein komplettes Messsystem zusammen mit der Interpretation der Daten. Bei uns arbeitet ein Team von Meteorologen, Mathematikern, Physikerinnen und Informatikerinnen, das die Rohdaten nachbearbeitet und auswertet, um dem Kunden die aus unserer Sicht bestmögliche Prognose für sein Problem zu bieten.

Entwickeln Sie Ihr System weiter? - Wir arbeiten gerade an einer automatisierten Bodenstation, von der aus wir mehrere Drohnen irgendwo auf der Welt und ohne Operator vor Ort zu Messflügen starten und landen lassen können. Damit sind wir weltweit einzigartig. Es ist eine absolute Innovation und bringt uns ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis.

Sehen Sie sich eher als Forscher, als Tüftler oder als Geschäftsmann? - Wohl ein wenig von allen. Wir stellen uns kniffligen Problemen, für die die Forschung bisher erstaunlich wenig an Produkten hervorgebracht hat. Eigentlich würde man erwarten, das sei Aufgabe von Universitäten. Doch Start-ups arbeiten oft viel anwendungsbezogener als die Forscher an Universitäten.

Liesse sich Ihre Erfahrung mit den Drohnen auch für andere Gebiete nutzen? - Klar. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass jemand kommt und sagt: lass uns zusammen ein Spin-off gründen. Es wäre doch ein Window of Opportunity, ein Thema jetzt zu besetzen und diesen Entwicklungsvorsprung zu nutzen. Falls Sie also jemanden kennen, dem Sie so etwas zutrauen, dann geben Sie ihm meine Karte (lacht). ( Hans Uli von Erlach)

Bereich Wissenschaft: Jurgi Camblong

Der Gründer und CEO von Sophia Genetics revolutioniert mit DNA-Analysen die Medizin. Sein Ziel für 2021: 1 Mio. analysierter Patienten.

«Es ist nicht nur die Technologie. Unsere Qualität sind auch die internen Ressourcen.»

Sophia Genetics ist knapp sechs Jahre alt. Können Sie uns Ihr Unternehmen erklären? - Das ist für mich nicht ganz einfach, weil ich täglich mittendrin stecke. Unser Ziel ist es, mit dem DNA-Analysesystem Spitälern zu helfen, die Patienten präziser zu diagnostizieren. Für die Analyse genomischer Profile setzen wir die künstliche Intelligenz Sophia ein, vor allem bei Patienten mit genetischem Defekt wie Krebs.

Sie haben Ihre Aktivitäten ausgedehnt und bieten auch bei der Wahl von Therapien Unterstützung an. - Das ist richtig. Bis anhin unterstützten wir die Ärzte vor allem bei der Analyse genomischer Daten, auf deren Basis sie über die spezifische Therapie entscheiden. Bis heute haben wir die Daten von über 140’000 Patienten analysiert. Diese Menge ermöglicht es uns, weiter zu gehen, indem wir sie in Funktion ihrer Genomprofile gruppieren, um so die besten Therapiemöglichkeiten zu erkennen. Seit diesem Jahr arbeiten wir in Frankreich mit mehreren Krebszentren zusammen, um zu analysieren, wie die Patienten auf bestimmte Behandlungen reagieren. Es ist faszinierend, welche Fortschritte man dabei erzielen kann. So haben wir festgestellt, dass bestimmte Patienten sehr gut auf die Therapie X reagieren, vorausgesetzt, sie wurden zuvor mit der Therapie Y behandelt. Wir konnten erkennen, wie sich eine Therapie auf eine andere auswirkt. Diese Entdeckungen stellen sich nach und nach im Laufe der Zeit ein und können in klassischen klinischen Tests nicht gemacht werden. Je weiter wir die kollektive Intelligenz bei Sophia Genetics entwickeln, desto individualisierter und präziser können die Patienten behandelt werden.

Heute ist viel von kollektiver und künstlicher Intelligenz (KI) die Rede. Würden Sie sagen, dass Sophia eine KI geworden ist? - Ja, dies ist letztes Jahr Realität geworden. Zu Beginn war sie es nicht, obschon wir seit 2013 darüber nachdenken. Heute ist das System fähig, Tendenzen zu erkennen, wofür es nicht programmiert wurde. Aber KI ist keine Zauberei. Am Anfang war nur der Algorithmus, den man Stein für Stein konstruiert. Ein Code, in dem man Information und Daten verbindet. Um ein zuverlässiges algorithmisches System zu erhalten, das lernfähig ist und weiter gehen kann als ursprünglich konzipiert, braucht es einen in jeder Beziehung enormen Aufwand.

Sie haben sich seit jeher auf die Genomanalyse konzentriert. Könnte Sophia auch andere Daten analysieren? - Selbstverständlich. Wir haben die Absicht, die genomische Analyse mit anderen medizinischen Datenquellen zu kombinieren, was eine noch grössere Präzision ermöglicht. In Zukunft ist die Kombination mit andern Quellen, etwa Elektrokardiogrammen, durchaus vorstellbar.

Sophia Genetics wird 2017 in der Klassierung des MIT der «50 Smartest Companies» gelistet. Ihre Reaktion? - Es war eine Riesenüberraschung und eine grosse Freude. In der Schweiz war das Echo nicht besonders gross. Hingegen haben wir viele Bewerbungen aus den USA erhalten, auch von Absolventen des Massachusetts Institute of Technology MIT. Sie kommen zum genau richtigen Zeitpunkt, denn in Nordamerika stecken wir in der Aufbauphase und konnten so hervorragende Leute rekrutieren.

Mensch und Talent – das Erfolgsrezept von Sophia Genetics? - Auf jeden Fall ist es nicht nur die Technologie, das steht fest. Unser Anliegen war stets die Qualität unserer internen Ressourcen, aber auch die Beantwortung der Frage «Wer ist unser Kunde? Wie können wir seine Bedürfnisse befriedigen?» Wir halten monatlich über 600 Treffen mit aktuellen und potenziellen Kunden ab. Sie ermöglichen es, uns ständig neuen Anforderungen anzupassen und Fortschritte zu erzielen. Dank dieser Philosophie gewinnen wir monatlich ein Dutzend Kunden dazu.

Sie weisen immer wieder darauf hin, dass der Begriff «Sophia» Weisheit bedeutet. Wir haben von künstlicher Intelligenz gesprochen – ist es möglich, künstliche Weisheit zu kreieren? - Das glaube ich nicht. Der Algorithmus ist nicht empathisch, er besitzt keinen freien Willen. Für uns bedeutet «Sophia» eher Wissen. Hingegen kann man eine bestimmte Form der Weisheit erlangen, indem wichtige Informationen und Wissen nicht im Silo gelagert, sondern der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden, zum Wohl der Gesundheit der Patienten. In diesem Sinn besteht die Challenge heute in der Schaffung einer kollektiven Intelligenz.

Was denken Sie über die in Europa nicht geführte Diskussion über Bioethik? Die Fortschritte in der Genomik sind gewaltig, wie Sie am besten wissen. Weshalb das grosse Schweigen? - Man sollte tatsächlich viel mehr darüber reden, vor allem in der Politik. Persönlichkeiten wie der französische Chirurg und Unternehmer Laurent Alexandre provozieren zwar, aber sie bringen eine Debatte in Gang. Für mich wäre es allerdings nicht tolerierbar, wenn Versicherungen und Arbeitgeber Zugang zu DNA-Daten erhielten. Deshalb arbeiten wir beispielsweise nur mit anonymisierten Daten, wie es auch im Leitbild von Sophia Genetics festgehalten ist.

Wie sieht 2021 die zehnjährige Sophia aus? - Ich denke, unser Team – heute haben wir 150 Mitarbeitende – wird sich bis dahin verdoppeln, und wir werden 1 Mio. Patienten analysiert haben. Zweifellos wird es grosse Fortschritte in der DNA-Sequenzierung geben, die die Daten ermöglichen. Wir haben noch grosse Arbeit vor uns, um hochwertige Daten zu produzieren, die uns noch exaktere Analysen ermöglichen. Für die Ärzte und schliesslich für die Patienten. Generell sollten wir fähig sein, Krebserkrankungen viel schneller zu diagnostizieren, zu behandeln und zu heilen, indem wir Experten um die kollektive Intelligenz versammeln. (Marjorie Thery)

Bereich Sport: Thomas Lüthi

Thomas Lüthi, zweifacher Moto2-Vizeweltmeister, wird nächstes Jahr in der Königsklasse MotoGP fahren. Ein Bubentraum wird Wirklichkeit.

«Das Risiko existiert, ich muss damit leben. Es geht darum, das Risiko zu managen.»

Wie wichtig ist 2017 in Ihrer Karriere? - Es ist ein spezielles Jahr, denn ich habe für 2018 den Vertrag für den MotoGP unterschrieben. Das war ein sehr wichtiger Moment.

Haben Sie immer gewusst, dass dies eines Tages der Fall sein wird? - Es wäre übertrieben zu sagen, dass ich es immer gewusst habe, zu viele Faktoren spielen mit. Aber es war von Anfang an mein Ziel. Ich habe lange gehofft, lange gewartet, aber ich wollte es.

Haben Sie sich zum Vertragsabschluss beschenkt? Zum Beispiel mit einer schönen Uhr? - Nein, wenn ich eine will, wende ich mich an einen meiner Sponsoren, Tissot (lacht). Natürlich war ich glücklich, als alles geregelt war, und auch stolz, das Ziel erreicht zu haben. Aber deswegen gross feiern? Ich zog es vor, mich sofort auf die aktuelle Saison zu konzentrieren.

Im Paddock hörte man immer wieder, dass Sie zu alt sind. Ist Alter gar ein Vorteil? - Diese ständige Diskussion über Jugendlichkeit und dass man mit 25 Jahren alt ist, die ist nun vorbei und vergessen. Ich bin überzeugt, dass mein Alter von Vorteil ist und ich will es auch beweisen. Seit 2002 arbeite ich mit diversen Teams und technischen Chefs. Ich bin überzeugt, dass die Erfahrung verschiedener Arbeitsphilosophien heute meine Stärke ist.

Wenn Sie den MotoGP Australien sehen mit den Piloten, die sich touchieren und anrempeln, macht Ihnen das nicht Angst? - Mein Gott, welch ein Spektakel! Ich schaute das Rennen mit meinen Mechanikern. Wir waren wie kleine Buben. Diese Show ist einzigartig, unnachahmlich, nicht mal der Formel 1 gelingt dies, so gerne sie es auch möchte. Glücklicherweise ist alles gutgegangen, aber ich muss sagen, manchmal war es zu viel des Guten. Johann Zarco, letztes Jahr mein grosser Widersacher, war auch dabei. Sonntagabend traf ich am Flughafen Alex Rins, ebenfalls ein ehemaliger Konkurrent, der mich aber beruhigen konnte.

Wie lebt man während so vielen Jahren mit dem Risiko? - Eine sehr gute Frage. Wir kennen die Regeln unseres Sports. Aber manchmal… Es gab schlimme Momente in meinem Leben. Die tödlichen Unfälle von Shoya Tomizawa, Marco Simoncelli und letztes Jahr von Luis Salóm. Es war jedes Mal schwierig zu akzeptieren. Als ob plötzlich der Tod einen im Spiegel anschaut. Und man kann ihn nicht ignorieren.

Dennoch fahren Sie weiter? - Ja, denn da ist die Leidenschaft. Wenn man die Maschine beherrscht, alles klappt und man schliesslich zuoberst auf dem Podest steht – das sind einmalige Gefühle.

Das Vergnügen ist stärker als die Angst? - Das Risiko existiert, ich muss damit leben. Es geht darum, das Risiko zu managen. Im Moment, wo ich das Visier herunterklappe kann ich nicht einfach den Knopf drücken der mich vergessen lässt, dass die Gefahr mitfährt. Mit dem Risiko umzugehen, ist Teil meiner Arbeit.

In Australien sind Sie zwei Mal auf den Kopf gestürzt, nach dem schmerzhaften Fall in Malaysia ist Ihre Saison beendet. Haben Sie nie das Gefühl: jetzt ist Schluss, jetzt habe ich genug? - In solchen Momenten ist das Vergnügen natürlich vorbei. Es macht keine Freude zu fahren, wenn man wie in Australien einige Stunden zuvor einen grossen Schock erlitten hat. Aber so ist das Leben, nichts ist perfekt. Ich denke mir jeweils, dass der Alltag eines Menschen, der einen «normaleren» Job ausübt, auch nicht immer ein Freudenfest ist.

Sie sind Profi. Was bedeutet Geld für Sie? - Alle brauchen Geld. Ich habe mich schon früh für den finanziellen Aspekt interessiert und dabei von den Erfahrungen meines persönlichen Managers Daniel-M. Epp profitiert. Dabei geht es nicht nur um meinen Lohn, sondern auch um die Finanzierung meines Teams. Es ist wichtig, die Kosten im Griff zu haben. Ich lerne immer noch dazu und werde in meinem Leben nach der Sportkarriere davon profitieren.

Sind Sie reich? - Was heisst reich sein? Wie definiert man Reichtum? Ich besitze ein hübsches Haus, ein schönes Auto. Es geht mir gut, ich beklage mich nicht. Ich kann meine Passion ausüben und damit Geld verdienen, habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Das ist unbezahlbar. Aber wenn meine Sportkarriere - vorbei ist, kann ich mich nicht zurücklehnen.

Wann werden Sie sich vom Sport zurückziehen? - Schwierig zu sagen. Ich hoffe, ich habe noch ein paar Jahre vor mir. Die grosse Frage ist die Motivation. Solange ich motiviert bin, trainiere ich wie ein Verrückter, um in Topform zu bleiben. Heute bin ich zu 120% motiviert, vor allem auch mit der neuen Challenge, dem Aufstieg in die MotoGP-Klasse. Aber es ist unmöglich vorherzusagen, wie lange es dauern wird. Doch wenn ich den bald 39-jährigen Valentino Rossi sehe, denke ich, dass noch einiges möglich ist.

Drehen wir die Zeit zurück in die Vergangenheit: Sonntag, 6. November 2005, 11 Stunden 42 Minuten 28 Sekunden… - Das war vor zwölf Jahren, als ich das Ziel am GP von Valencia passierte und den Weltmeistertitel in der 125-cm3- Klasse errang. Ich sagte mir: Tom, alles ist okay, du bist Weltmeister. Wobei ich da nicht wirklich realisierte, was der Sieg bedeutete. Dann ging der Rummel los, alle liebten mich. Deshalb hätte ich es mir so gewünscht, dieses Jahr diesen Moment in der Moto2-Klasse nochmals und bewusster zu erleben. Ich war entschlossen zu kämpfen. Alle, die mich kennen, wissen, dass ich nie aufgebe, vor allem nicht in schwierigen Situationen. Ich habe im Qualifying in Malaysia alles versucht. Aber leider ohne Erfolg. (Jean-Claude Schertenleib)