Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Macht: die neuen Herausforderungen

1 / 2
Während der Renovation der Boutique Longchamp an der Rue Saint-Honoré in Paris hat der Künstler Ryan McGuinness das Haus spektakulär verkleidet.
Die Riesenschlange von Bulgari, 15 Meter hohe illuminierte Skulptur im Herzen von Peking.
Während der Renovation der Boutique Longchamp an der Rue Saint-Honoré in Paris hat der Künstler Ryan McGuinness das Haus spektakulär verkleidet.

Das Web erobern, so wie man die Strasse einnimmt, lautet der Plan. Vor fünf Jahren haben die Luxusmarken einen Strategiewechsel vollzogen. Heute ist digitale Kommunikation angesagt. Investition in neue Medien und E-Commerce, um neue Verkaufskanäle zu erschliessen, ist zur Priorität geworden.

Die Online-Käufe von Luxusmarken nehmen viermal schneller zu (+ 27% pro Jahr) als Offline-Verkäufe (+ 7% pro Jahr). 2015 wurden gemäss einer Studie von McKinsey & Company* 14 Mrd. bzw. 7% der insgesamt 250 Mrd. € online erwirtschaftet. In den nächsten fünf Jahren soll sich dieser Betrag sogar verdoppeln und bis 2025 auf 70 Mrd. € wachsen.

Dann wird E-Commerce hinter China und den USA der drittgrösste Markt der Welt sein. Ein starkes Signal dieser digitalen Eroberung von Luxus war die Ernennung von Ian Rodgers zum Digital Chief Officer der LVMH-Gruppe. Rodgers ist Experte für die Migration der Musikindustrie in die digitale Welt und hat für Apple den ersten Online-Radiosender Beats1 ins Leben gerufen.

Für Jean-Christophe Babin, den Generaldirektor von Bulgari, hatte das Signalwirkung. «Das beweist, dass wir in diese Richtung investieren müssen. Bei Bulgari in Italien arbeiten fünf Vollzeitangestellte an der Erstellung von digitalen Inhalten und an der Pflege des entsprechenden Markenimage. Jedes Jahr werden zweistellige Millionenbeträge für unsere Präsenz in den digitalen Kanälen ausgegeben.»

Luxus ist nicht mehr plakativ

Während die grossen Luxusmarken von 1980 bis 2000 in gigantischen Einkaufszentren nach amerikanischem Vorbild Boutiquen betrieben, besannen sie sich nach der Jahrtausendwende auf die Strasse. Sie setzten wieder auf direkte und sofortige Sichtbarkeit, bauten von Stararchitekten entworfene Flagship Stores an den teuersten Einkaufsmeilen der Metropolen und pflasterten die Städte mit überdimensionalen Werbeplakaten zu.

Heute ist Luxus nicht mehr plakativ. Durch die Steuertransparenz, die Bekämpfung der Korruption und die Sparmassnahmen in Europa haben sich die Gewohnheiten verschoben. Luxus wird in der Privatsphäre gelebt, im Vertraulichen diskutiert und beim Abendessen gekauft. In Hongkong haben die Luxusmarken die «Billboards», die bis vor Kurzem die Skyline der Citys bildeten, verlassen. Sie erreichen die Kunden, indem sie sie einladen, in kleinstem Rahmen neue Erfahrungen zu machen.

Wie ist dieser Paradigmenwechsel zu verstehen? Als Zeichen dafür, dass die virtuelle Welt drauf und dran ist, die Werbewirksamkeit für sich zu beanspruchen? Und dass das Ende des vom Luxusimperium geprägten öffentlichen Raums naht?

Die beiden Welten verflechten sich zwar zunehmend, für die Eroberung des Offline-Universums und des digitalen Bereichs werden aber je länger, je mehr unterschiedliche Strategien angewandt. Nach einer Studie der Forschungsstelle für Customer Insight der Universität St. Gallen, die im Auftrag von Leading Swiss Agencies durchgeführt wurde, wird die digitale Kommunikation am stärksten wachsen.

In den nächsten zwei Jahren wird gemäss 85% der 110 befragten Werbeauftraggeber hauptsächlich Mobile Marketing in den Fokus rücken, gefolgt von Social Media und User Generated Content (60%). Virtual Reality bildet mit 20% das Schlusslicht; sie geniesst als Werbeträger noch zu wenig Ansehen.

Marc-André Heller, der Generaldirektor der Schweizer L’Oréal-Filiale, ist sicher: «In der Schweiz gibt es ein echtes Verlangen nach Innovation, und die Luxusbranche hat dabei sehr gute Karten. Die App, «Makeup Genius» von L’Oréal mit der die Frauen auf ihrem Gesicht verschiedene Schminkstile ausprobieren können, ist verblüffend und bei Schweizer Konsumentinnen ein Hit. Bei diesem Innovationstrend muss man aber der Erste sein – die digitale Offensive muss sitzen.»

Postwendende Antwort von E-Commerce

Bulgari hat bereits einmal den Versuch gewagt und ausschliesslich digital für die Lancierung einer neuen Kollektion geworben. Laut CEO Jean-Christophe Babin ein erfolgreiches Experiment. «Für die neue Schmuckkollektion BZero One, die im Februar auf den Markt kam, haben wir voll und ganz auf digitale Kommunikation gesetzt und mehrere Millionen Euro in die Kampagne investiert. Die Antwort liess nicht lange auf sich warten. Innerhalb von nur drei Monaten verzeichneten wir ein zweistelliges Wachstum der Verkäufe dieser Kollektion. Dieses Vorgehen ist aber nicht die Regel, die Kommunikationsstrategie hängt vom Produkt ab», so Babin.

Die Uhrenmarke Zenith, auch sie Mitglied der LVMH-Gruppe, wirbt auf der E-Commerce-Seite Mr Porter (dem Männer-Shopping-Portal von Net-A-Porter) für ihre Produkte. «Das Web verlangt genauso Fachkenntnisse wie der Offline-Retailhandel», begründet Aldo Magada, der CEO der Uhrenmarke, das Konzept. «Im Internet für genügend Besucherzahlen zu sorgen, ist sehr kompliziert. In meinen Augen ist es wichtig, dass Zenith die Dienste eines guten Internet-Detailhändlers in Anspruch nimmt. Der Kanal hat eine phänomenale Kraft. Auf der Website von Mr Porter wird die Marke in einem Monat häufiger besucht als in allen Boutiquen zusammen innerhalb eines ganzen Jahres.»

Aber ist die Anschaffung eines Luxusprodukts für mehrere Tausend Franken im Internet ein spontaner Kauf, oder ist diese Entscheidung vorher offline gereift?  Nach der Studie von McKinsey & Co, in der fünf sogenannte Touchpoints identifiziert wurden, ist und bleibt das Geschäft in der Stadt der wichtigste Ort, um die Kunden zu erreichen. Kein anderer Kanal generiert in der Luxusbranche so hohen Umsatz.

Entsprechend Wert legen die Luxusmarken darauf, ihren Kunden in der Boutique ein besonderes Verkaufserlebnis zu bieten. Wie aber soll es eine Marke im «Global RepTrak 100**», der Rangliste der hundert bekanntesten Marken der Welt, ganz nach oben schaffen? Wie kann sie ihren Bekanntheitsgrad erhöhen und Marktanteile gewinnen, wenn sich die Welt auf Strasse und virtuelle Welt aufteilt?

Die Antwort: Ihre Produkte, und Dienstleistungen, ihre Unternehmensführung und Innovationsfähigkeit müssen überzeugen. Rolex, Walt Disney Company, Google, BMW Group, Daimler, Lego, Microsoft, Canon, Sony und Apple machen vor, wie es geht. Sie gehören zum exklusiven Club der zehn Besten der Welt.

«Diese Bekanntheit ist für jede Luxusmarke  ein Traum», sagt Jean-Christophe Babin. «Das Ansehen einer Marke resultiert aus der konstanten Arbeit am Inhalt und an kohärenten Aktionen, die sich über mehrere Jahrzehnte hinziehen. Dazu braucht es viel Disziplin und die richtige Balance zwischen Disruption und Klassischem.»

Investitionen in Kunst, Auktionen und Geschichte fördern die Offline-Geschäfte

Die Macht eines Markenimage wird  heute im Web gemessen. Dennoch bekunden viele Unternehmen Mühe, tiefgründigen Inhalt, ansprechende Botschaften und emotionale Erfahrungen zu schaffen. Die Konsumenten bevorzugen noch immer Reales. Ein konkretes Erzeugnis ist fassbar und dauerhaft. In der digitalen Welt hingegen kommt das Zeitgefühl abhanden.

Die Kurzlebigkeit des Online-Universums verhindert die Entstehung von Geschichten. Genau auf dieser Chronologie, diesem Gedächtnis baut eine Luxusmarke aber ihr Ansehen auf. Sie sucht ihre Symbolkraft in der Öffentlichkeit und meisselt sie dort in Stein. Dass viele Luxusmarken die Restauration historischer Denkmäler finanziell unterstützen, steht in direktem Zusammenhang mit diesem Prozess.

Die Sanierung des Trevi-Brunnens in Rom wurde von Fendi gesponsert, die des Kolosseums von Tod’s und die der Piazza di Spagna von Bulgari. Deren CEO hat 1,5 Mio. für die Renovation des Platzes springen lassen und sich so weltweite Aufmerksamkeit gesichert. Die Piazza di Spagna wird jeden Tag von mehreren Tausend Touristen fotografiert und damit das Bild von Bulgari in die ganze Welt getragen.

Jean-Christophe Babin über das Engagement: «Es handelt sich um eine öffentlich-private Partnerschaft mit den Gemeinde- und Landesbehörden. Rom und das künstlerische Schaffen von Bulgari sind eng miteinander verbunden, denn die Marke hat bei der Gestaltung ihres Schmucks die Architektur Roms stets zum Vorbild genommen. Das ist unsere Art, der Stadt zurückzugeben, was sie uns geschenkt hat. Zur Piazza di Spagna und zu Spanischen Treppe hat Bulgari eine besondere Bindung, denn unser Gründer ist jeden Tag dort vorbeigegangen. Und noch heute ist das der von der römischen Bevölkerung meistbesuchte Ort der Stadt. Unsere Präsenz dort ist noch immer riesig. Wir haben zu Beginn der Bauarbeiten an Ort und Stelle eine Pressekonferenz abgehalten. Ende 2016 sollten die Arbeiten abgeschlossen sein.»

In Peking hat Bulgari anlässlich der Ausstellung über die Cinecittà und den italienischen Film vor der meistbesuchten Mall eine 15 Meter hohe leuchtende Schlange installiert. Innerhalb von zwei Monaten wurde das überdimensionale Markensymbol zum meistfotografierten Sujet von Peking. Am effizientesten können Luxusmarken ihre Macht aber über die Kunst aufbauen.

Zwei eindrückliche Beispiele für die übermächtige Verankerung in der Kunst sind die vom Architekten Frank Gehry entworfene Fondation Louis Vuitton in Paris und die Fondation Cartier pour l’Art Contemporain – das erste Museum, das vor dreissig Jahren Kunst und den Namen einer Luxusmarke im öffentlichen Raum miteinander verbunden hat.

Sie liefern den Beweis für einen tiefgründigen, geistreichen Inhalt, der den künstlerischen Austausch nährt, «den Dialog mit der breiten Öffentlichkeit ermöglicht und Künstlern sowie Intellektuellen eine Plattform für Diskussionen und Überlegungen gibt», sagt Bernard Arnault. Indirekt fördern sie auch das Ansehen einer Gruppe oder Marke. Eine weitere Möglichkeit ist die Architektur. Sie wird von den Luxusmarken ebenfalls zur kulturbasierten Imageförderung genutzt.

Rolex betätigt sich seit 2002 als Architekturmäzen. Nach dem Bau des Rolex Learning Center, des kulturellen Zentrums der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne, unterstützt die Kronenmarke seit zwei Jahren und bis 2018 die renommierte Architekturbiennale in Venedig.  Am Eingang zu den Gärten begrüsst die Besucher ein Pavillon in den Farben von Rolex,  der unmissverständlich auf die Bedeutung der Partnerschaft hinweist. 

Die nächste grosse Materialisierung dieser Macht wird das von Kengo Kuma, einem der genialsten Architekten des 21. Jahrhunderts, entworfene Monumental Building Rolex in Dallas sein. Mit einer Flut von Botschaften und einer Kommunikationsschwemme in den Social Media wird versucht, die Aufmerksamkeit zu monopolisieren.

Ansehen zu gewinnen, ist jedoch ein langwieriger Prozess. Auktionen und die dabei erzielten immer höheren Preise stehen für eine andere Art der kulturhistorischen, von den Luxusmarken angestrebten Verankerung. Rolex und Patek Philippe zum Beispiel sind es gewohnt, dass ihre Produkte für Rekordsummen unter den Hammer kommen. Mittlerweile fassen auch andere Luxusmarken wie Tag Heuer auf diesem Markt Fuss.

Die goldene Heuer Carrera, ein Geschenk an den Rennfahrer Ronnie Peterson aus dem Jahr 1972, wechselte am 15. Mai 2016 bei Sotheby’s für 225’000 Fr. den Besitzer. Das beweist: Eine Marke kann nicht nur auf digitale Kommunikation setzen, um den Markt zu erobern.