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Der erste Präsident Ghanas

Er verkörperte die Winde des Wandels. Wie kein Zweiter stand Kwame Nkrumah für den Machtwechsel in Schwarzafrika, von den Kolonialherren zu den lange geknechteten Einheimischen; wie kein anderer vor ihm personifizierte er den Auftritt neuer, souveräner Staaten von südlich der Sahara auf der Weltbühne, ihren erfrischenden Ehrgeiz – und ihr Versagen, ihre Ausstrahlung auf die Emanzipation schwarzer Menschen anderswo, besonders in den USA. Kwame Nkrumah steht für die Selbstfindung, die Hoffnungen und die Frustrationen eines Kontinents.

Es war eine Epochenwende, als am 6. März 1957 die erste britische Kolonie in Afrika die Unabhängigkeit erhielt. Aus der Gold Coast wurde der souveräne Commonwealth-Staat Ghana. Die Weltpresse war zugegen, als Generalgouverneur Sir Charles Arden-Clarke den Union Jack einholen und Kwame Nkrumah die rot-gold-grüne Trikolore mit dem schwarzen Stern hissen liess. Der weitherum bewunderte «Star», Nkrumah, gab das Signal: Die Epoche weisser Vormacht auf dem schwarzen Kontinent geht zu Ende.

Dass ausgerechnet Ghana den Anfang machte, war kein Zufall. Die Gold Coast, die stark (und, je nach Weltmarktpreis, auch gut) von der Kakaoausfuhr lebte, galt als Musterkolonie. London hoffte, dort dereinst ein funktionierendes, eng befreundetes Dominion à la Kanada oder Australien zurückzulassen, unter der einigenden Krone.

Nkrumah kam aus bescheidenen ländlichen Verhältnissen. Er besuchte eine katholische Missionsschule und wurde Lehrer. Als junger Mann kam Nkrumah in Kontakt mit den Gedanken der afroamerikanischen Aktivisten Marcus Garvey und W.E.B. Du Bois. Ab 1935 studierte er an der (schwarzen) Lincoln University in Pennsylvania. Ökonomie, Soziologie, Philosophie, Theologie – an allem war er interessiert.

Vielleicht noch mehr, an den Wochenenden, an dem, was er auf den Strassen von Harlem aufschnappte. Es gärte in der schwarzen Bevölkerung Amerikas. Nkrumah befasste sich mit sozialistischen und panafrikanistischen Ideen. Nach zehn Jahren in den USA reiste er ins Nachkriegs-London, studierte dort jedoch nicht ernsthaft, sondern betrieb Politik. Er traf auf Persönlichkeiten aus britischen Afrikakolonien, die später zu Hause die Macht übernehmen sollten, etwa Jomo Kenyatta aus Kenia.

Ende 1947 kehrte Nkrumah in die Gold Coast zurück. Diese war bereits ein Stück weit selbstverwaltet, doch das Volk war unzufrieden, vor allem aus wirtschaftlichen Gründen. 1948 kam es in der Hauptstadt Accra zu Aufständen; Nkrumah, bereits Chef der führenden Partei UGCC, kam für kurze Zeit hinter Gitter. Im Jahr darauf gründete er seine eigene Partei, die Convention People’s Party. 1950 kam es abermals zu Unruhen, Nkrumah musste ins Gefängnis. Doch die Briten wurden allmählich mürbe und liessen Anfang 1951 allgemeine und freie Wahlen zu: Die CPP des Häftlings Nkrumah gewann 34 der 38 Sitze.

Sir Charles blieb nichts anders übrig, als Kwame Nkrumah von der Zelle an die Spitze des Kabinetts zu holen. Er trieb sofort einen Plan zum Ausbau der Infrastruktur voran, den die Briten aufgesetzt hatten und für den Reserven aus dem Kakaogeschäft verfügbar waren. 1954 und 1956 gewann Nkrumah abermals Wahlen; Whitehall schickte sich ins Unvermeidliche, die Macht vollends zu übergeben.

Nkrumah, ein Freund grosser Worte, sagte am Tag der Unabhängigkeit, die Afrikaner wollten der Welt beweisen, dass sie sich selbst regieren können, effizient, tolerant, demokratisch. Die Welt glaubte ihm, Afrika hörte auf ihn, das schwarze Amerika ebenfalls. Man nannte ihn «Osagyefo», den Erlöser.

Nkrumah wollte viel, schnell: das Land sofort industrialisieren und radikal modernisieren. Ein Grossprojekt etwa war der Volta-Staudamm; Nkrumah plante gar, Atomstrom zu erzeugen. Es half ihm nicht, dass er seine grossen Pläne mit sozialistischen Versatzstücken belastete. Zudem hielten bald Übel wie Korruption, Vetternwirtschaft und Grossmannssucht Einzug. 1960 wurde das Land eine Republik und Nkrumah Präsident; schon 1964 war Ghana ein Einparteistaat. Zu Hause liefen die Dinge immer mehr aus dem Ruder, in der Aussenpolitik hielt sich Nkrumahs Erfolg in Grenzen. Zwar sah er richtig, dass die Jahr für Jahr zahlreicher werdenden Staaten Afrikas zur wirtschaftlichen Emanzipation einen kontinentalen Binnenmarkt brauchen (den es bis heute nicht gibt), doch sein Panafrikanismus blieb ein Traum.

1966 stürzte das Militär den «Erlöser»; er hatte den Bogen überspannt und seine Landsleute überfordert. Wenige Jahre später starb er krank im Exil. Unterdessen geht Kwame Nkrumahs autoritäres Gehabe allmählich in Vergessenheit. Als Visionär dagegen gewinnt er wieder an Statur.