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Kunst und Handwerk: gemeinsame Ziele

Links Marc Spiegler, Direktor der Art Basel, und rechts Olivier Audemars, Mitglied des Verwaltungsrates der Uhrenmarke Audemars Piguet.

Audemars Piguet und Art Basel sind seit einigen Jahren Partner. Welches sind Ihre gegenseitigen Erwartungen? - Marc Spiegler:  Es sind drei Kriterien, die eine Partnerschaft bestimmen: die Positionierung der Marke, ihr Engagement und ihre Ambitionen in der Kunst und natürlich das Budget. Bei Audemars Piguet haben uns die uhrmacherische Exzellenz und die Absicht, sich mehr für zeitgenössische Kunst zu engagieren, schnell überzeugt. Wichtiger als die finanzielle Potenz ist jedoch immer die Image-Kohärenz. Ausserdem sollte man nicht vergessen, dass die Art Basel während der ersten zwanzig Jahre ohne Sponsor auskam. Anfangs ging es vor allem darum, Bekanntheit aufzubauen.

Olivier Audemars:  Bei Audemars Piguet stand am Anfang eine Reflexion, ich möchte fast sagen eine Erleuchtung. 2011, anlässlich des 40. Jubiläums der Royal Oak, arbeiteten wir mit dem Fotografen Dan Holdsworth zusammen. Seine Bilder, ein Mix von Nebel und Felsen, standen im Gegensatz zu unserer eigenen, klassischeren Wahrnehmung des Vallée de Joux und faszinierten uns. Sie motivierten uns, darüber nachzudenken, weshalb die Handwerker in eine auf den ersten Blick so unwirtliche Gegend gezogen sind. Diese Beschäftigung mit unserer eigenen Geschichte führte zu einem Wechsel unserer internen und externen Kommunikation. Die Erfahrung lehrte uns, dass uns Künstler mit ihrer Vision dazu bewegen können, andere Wege einzuschlagen. Dies war der Grund, weshalb wir beschlossen, unsere Beziehungen zu Künstlern zu intensivieren. Idealerweise mit einem Partner unweit unserer Region, aber mit weltweiten Aktivitäten. Art Basel schien uns geradezu ideal.

Audemars Piguet betreibt ausserdem ein Projekt, das sich von jenen anderen Kunstsponsoren unterscheidet. Ist «Art Commission» das Resultat Ihrer Zusammenarbeit? - Marc Spiegler: Nein, wir haben Audemars Piguet lediglich geraten, eine Person hinzuziehen, die der Kunst nahe steht. Andras Szanto, Kulturberater, und die Manufaktur arbeiten zusammen, unabhängig von der Art Basel. Ich beobachte, dass sich Audemars Piguet Zeit gibt, die Kunstszene zu verstehen, und keine Etappen überspringt. Das Unternehmen beschäftigt sich intensiv mit der Frage, wie sich Identität und Kunst verbinden lassen. Die Entwicklung des Projekts «Art Commission» ist ein Spiegelbild dieses Prozesses, dessen Basis die technologische Innovation ist.

Olivier Audemars: Dank der Begegnung mit Andras Szanto konnten wir Fehler vermeiden.

Welche? - Olivier Audemars:  Uns zum Beispiel damit zu begnügen, das Werk eines Künstlers auf dem Zifferblatt zu reproduzieren. Es erscheint uns sinnvoller, Künstlern zu begegnen, die die Persönlichkeit unseres Unternehmens ausdrücken, die sich mit den Themen Komplexität, Natur, Zeit auseinandersetzen. Wenn wir einen solchen Künstler gefunden haben, lassen wir ihm innerhalb eines bestimmten Zeit- und Budgetrahmens freie Hand. Das Wichtigste ist dabei das Überraschungsmoment des Werks und damit verbunden das Hinterfragen. Der Künstler Robin Meier und seine Arbeit über Synchronität in der Natur haben uns motiviert, uns mit der Organisation in unserem eigenen Unternehmen zu beschäftigen. Sein Werk animierte uns, den internen Prozess der Entscheidungsfindung zu überdenken. Es machte uns offen für eine neue Managementform, die weniger direktiv und dafür autonomer ist. Dank dem Eintauchen in die zeitgenössische Kunst sieht man Dinge anders.

«Das Wichtigste ist das Überraschungsmoment, das Hinterfragen des Werks.»: Olivier Audemars, VR-Vizepräsident von Audemars Piguet.

Wie sehen Sie in einem allgemeineren Sinn die Partnerschaften zwischen Luxusindustrie und Kunst? - Marc Spiegler: Alles hängt davon ab, wie es gemacht wird. Noch vor zehn Jahren genügte die Präsenz des Logos. Heute funktioniert dies nicht mehr, und es ist auch unmöglich, einen Künstler zu gewinnen, ein Werk für einen Laden zu kreieren. Längerfristig wäre dies Selbstzerstörung. Die beiden Welten müssen sich auf Augenhöhe begegnen und austauschen. Verwandelt man einen Künstler in einen Designer, bleibt die Kreativität auf der Strecke. Es gab aber durchaus auch erfolgreiche Projekte. 1970 die Zusammenarbeit zwischen «Bell Labs», wo die damals weltweit besten Technologien entwickelt wurden, und Künstlern wie Robert Rauschenberg, Merce Cunningham, John Cage. Die Idee war, diesen Künstlern Technologien zur Verfügung zu stellen, um Kunstwerke zu schaffen, die eigentlich unvorstellbar waren. Im gleichen Zug eröffnete dies den Wissenschaftlern neue Perspektiven für die Umsetzung ihrer Technologien.

Olivier Audemars: Das ist so. Manchmal integrieren die Künstler selbst Erfahrungen, die sie mit der Marke gemacht haben. So geschehen mit dem chinesischen Künstler Sun Xun in Miami. Die Zeit, die er im Vallée de Joux und mit unseren Uhrmachern verbrachte, hat ihn zutiefst geprägt. Eine Erfahrung, die er in seiner Kunst einbrachte. Sein neun Minuten dauernder Film ist das Kondensat von 18 Monaten im Leben von 150 Personen, deren Freude und Traurigkeit. Diese Art, Emotionen einzufangen, hat einen unserer Uhrmacher, der im Kundenservice arbeitet, tief berührt. Er meinte, dass der Film starke Momente des Lebens entschlüsselt, und erkannte darin eine Parallele zu den Lebensabschnitten des Uhrmachers und des Uhrwerks. Und dass es seine Rolle sei, «die schlechten Tage in die guten Tage eines Handwerkers zu verwandeln». Schlussendlich finden sich die auf den ersten Blick so unterschiedlichen Welten in vielen Punkten wieder. Dank der Arbeit von Sun Xun erhöhte sich unser Verständnis für die Arbeit der Uhrmacher. Ob Kunst oder mechanische Uhr: Künstler und Handwerker sprechen mit ihrer Arbeit mehr das Herz an als das Gehirn.

Ist es zwingend, sich Marktänderungen ständig anzupassen und um jeden Preis innovativ zu sein? - Marc Spiegler: Art Basel ist nicht innovativ um der Innovation willen. Selbstverständlich muss man sich immer dem Markt anpassen, beziehungsweise manchmal auch antizipieren. Dies war der Fall bei Art Unlimited und den grossen musealen Werken. Wir haben festgestellt, dass künstlerische Produktionen tendierten, den normalen Rahmen der Galerien zu sprengen. Hätten wir nicht Raum für Monumentalwerke geschaffen, wäre uns eine grosse Chance entgangen. Der Markt ist uns gefolgt, indem mehr Privatmuseen und immer grössere private Lofts entstanden. Das heisst aber nicht, dass jeder wirtschaftlich erfolgreiche Künstler oder jede Galerie zwingend in die Art Basel integriert werden. Oder wie es mein Vorgänger sagte: «Art Basel ist nicht nur ein Abbild des Marktes, sondern auch eine Reflexion über den Markt.»

Olivier Audemars: Wir verfolgen den gleichen Ansatz, indem wir sorgfältig darauf achten, keine destruktive Innovation zu machen. Es gibt Uhrmacher, die technologisch wichtige Entscheidungen treffen und beispielsweise Silizium verwenden. Aber sie sind die Antipoden von uhrmacherischen Emotionen. Wir wollen Traditionen bewahren und Emotionen wecken, das ist unser Antrieb. Die Royal Oak wurde kreiert als Folge eines neuen Lebensstils. Die Menschen wurden aktiver und sportlicher, also entwickelten wir das Panzerschrank-Gehäuse zum Schutz des Uhrwerks. Innovation im Dienste der Tradition also.

Digital Art gewinnt immer mehr an Terrain, Galerien und Museen interessieren sich vermehrt für diese Kunstform. Wie stehen Sie dazu? - Marc Spiegler: Diese Bewegung ist noch sehr jung. Wir wollten mehr über diesen Trend erfahren und haben daher die Begegnung einiger grosser Künstler mit Google – der in unseren Augen am weitesten fortgeschrittenen technologischen Plattform – in die Wege geleitet. Wir konnten die Entwicklung mitverfolgen, und die ersten Werke werden in Hongkong zu sehen sein. Es ist eine grosse Herausforderung, die optimale Ausstellungsform für Digitalkunst zu finden. Anfänglich war ich von der künstlerischen Produktion dieser Bewegung sehr enttäuscht. Heute bin ich anderer Meinung. Ich sehe, wie Künstler wie Jon Rafman oder Ian Cheng interessante Sachen kreieren. Aber wir stehen erst am Anfang.

«Wichtiger als die finanzielle Potenz ist die Image-Kohärenz der Partner.»: Marc Spiegler, Generaldirektor Art Basel.

Kann man diese Kunst schon bewerten? - Marc Spiegler: Dank dem Einsatz von Galerien wird es immer möglich sein, Mäzene und Sammler zu finden, die Kreateure von unverkäuflichen Konzepten unterstützen. Wir haben dies in der Konzeptkunst, Land Art, Minimalismus, Performance etc. beobachtet.

Ist die digitale Uhr für Audemars Piguet eine Option? - Olivier Audemars: Unsere wichtigste Funktion ist es, für beste Bedingungen zu sorgen, damit sich Uhrmacher und -sammler treffen können. Wir möchten, dass das Herz jedes Beteiligten für die Uhr schlägt. Alles basiert auf dieser Erfahrung, etwas, das heute viele Marken vergessen. Abgesehen von diesem Hauptanliegen ist es nicht ausgeschlossen, dass unser Unternehmen und andere Funktionen immer mehr digitalisiert werden. Aber es scheint mir fundamental, dass das Herz unserer Aktivitäten nicht angetastet wird: das Uhrwerk.

Marc Spiegler: Das Herz in der Kunst ist und bleibt die menschliche Beziehung, trotz Digitaltechnik und Social Media. Wer sich für den Beruf des Galeristen entscheidet, entscheidet sich für die physische Welt. Denn worauf basiert letztendlich der Prozess, der zum Kauf eines Kunstwerks führt? Auf Vertrauen. Auf Vertrauen in den Künstler, den Galeristen, in sich selbst.

Wird es dank Technologie möglich sein, dass der Künstler direkt mit dem Kunden, also nicht via Galerie, in Kontakt tritt? - Marc Spiegler: Ja, es gibt Künstler, die dies bereits tun. Aber Kunstpromotion ist überaus zeitaufwendig. Künstler, die dies tun, haben weniger Zeit für die Kreation. Wobei es in der Kunstwelt in den letzten 20 Jahren keine so bahnbrechenden Umwälzungen gab wie etwa in der Mobilität mit Uber, Hotellerie mit Airbnb oder im Detailhandel mit Amazon. Ein Kunstwerk ist einzigartig, der Kaufakt ein physischer und emotionaler Vorgang. Selbstverständlich kann ein Kauf spekulativ sein, aber von dem Moment an, wo man wirklich zum Sammler wird, ist die menschliche Beziehung vorherrschend.

Olivier Audemars:  In der Uhrenindustrie ist der Zwischenhandel tendenziell am Verschwinden. Die Marken rücken immer näher zum Kunden. Der Raum, den wir für Art Basel kreiert haben, ist ein Miniaturmodell des Vallée de Joux. Für viele Marken verlieren die Uhrenmessen an Bedeutung, denn die qualitativ gute Kundenbeziehung ist nicht punktuell, sondern über das ganze Jahr und weltweit aktuell. Wir möchten die Kunden in unsere Welt bringen, in die Manufaktur.

Bedeutet dies den Rückzug von Uhrenmessen? - Olivier Audemars: Nein, noch ist nichts entschieden. Aber wir müssen uns überlegen, wie wir die verschiedenen Veranstaltungen nutzen wollen. Möglicherweise dezentralisierter, wie die Art Basel in Miami und Hongkong. Sicher ist, dass das heutige Modell nicht mehr wirklich gesund ist.