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«Kein Börsenabsturz – der Notenbank sei Dank»

Wieder einmal halten die Märkte ob der Frage eines Euro-Austritts von Griechenland den Atem an. Jens Ehrhardt sieht im Anstieg der US-Inflation eine zweite Gefahr.

Herr Ehrhardt, die Niedrigstzinspolitik der EZB macht es dem Anleger schwer, einen angemessenen Ertrag zu erwirtschaften. Lange Zeit bot – neben Immobilien – die Aktie als Anlagealternative eine gute Chance. Doch der deutsche Aktienmarkt hat 2014 eine eher bescheidene Performance hingelegt. Was waren die Gründe? - Man war von einer besseren Konjunkturentwicklung und auch von höheren Gewinnen ausgegangen. Der Sachverständigenrat hat – nach anderen Prognostikern – seine Wachstumsschätzungen für 2014 und vor allem für 2015 deutlich zurückgenommen. Und bei den Unternehmensgewinnen warten wir nun bereits seit drei Jahren auf einen nachhaltigen Anstieg. Prognosen und Erwartungen waren der tatsächlichen Entwicklung vorausgeeilt. Gleichzeitig verschlechtert sich das Verhältnis von Absatzpreisen und Lohnkosten in Deutschland, und damit auch die Produktivität. Das mag die Börse nicht so sehr.

Sehen wir bereits das Auslaufen des lang währenden Zyklus? - Das zyklische Korrekturmuster früherer Zeiten vermag ich diesmal nicht zu erkennen: Es vollzieht sich kein richtiger Kursabschwung, aber einen Aufwärtstrend sehe ich auch nicht mehr. Den Grund dafür dürfte die Notenbank liefern: Sie versucht, einen konjunkturellen Einbruch im Euroland zu verhindern – durch Massnahmen, die nicht in jedem Fall unumstritten sind und wohl daher auch nur in geringen Dosen verabreicht werden. Sie versetzen die Börse einerseits nicht in Hochstimmung, zeigen aber andererseits den Willen der Europäischen Zentralbank, eine erneute Rezession im Euroland um jeden Preis zu verhindern. Letzteres bewahrt die Börse vor einem Absturz. Sie ist in eine Art Schwebezustand übergegangen.

Wie entwickeln sich die Kurse kurzfristig? - Ich erwarte zwar keine Baisse in den kommenden Monaten, weil die Notenbank weiterhin – in der soeben angesprochenen Art – aktiv bleiben wird. Aber letztlich muss man zur Beurteilung der weiteren Entwicklung an der deutschen Börse den Fokus auf die Wallstreet richten. Die Amerikaner bestimmen weitestgehend die Entwicklung an der deutschen Börse. Die deutschen Anleger verfügen nur noch über ca. 30% der hier gelisteten Werte; der Rest ist überwiegend in amerikanischer Hand. Wenn in den USA die Liquiditätsentwicklung nicht mehr so üppig wie in den Vorjahren sein wird, so strahlen die Folgen auch auf die deutsche Börse aus. Zu berücksichtigen ist zudem die Währungsentwicklung: Der derzeit schwache Euro verschreckt die Amerikaner, die ihre Geschäfte in der Regel nicht kurssichern, weil sie in der Vergangenheit überwiegend von einem schwachen US-Dollar profitierten.

Eigentlich sind die jüngeren Konjunkturdaten gar nicht so schlecht. Auch die Umfragen des Ifo-Instituts und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim ZEW haben sich verbessert. Die Münchner Konjunkturforscher sehen eine konjunkturelle Erholung.     - Fundamental betrachtet könnte sich die wirtschaftliche Entwicklung sogar weiter leicht verbessern. Die Zinsen sind kaum wahrnehmbar, der Euro wird gegen den Dollar niedriger bewertet, und der fallende Ölpreis ist ein Konjunkturprogramm für sich. Er verbessert die Kostensituation der Unternehmen, trägt wesentlich zu der niedrigen Inflation bei und erhöht somit die Kaufkraft der Verbraucher, was der Binnenkonjunktur zugutekommt.

Das müsste die Börse doch anhaltend beflügeln? - Mit Blick auf die Börse ist zu fragen, ob die Unterstützung von der monetären Seite her nicht schwächer wird: Die US-Notenbank hat aufgehört, Staatsanleihen zu kaufen, was die Liquidität in den USA nicht mehr in gewohntem Ausmass ausweiten und die amerikanischen Investoren – auch am deutschen Aktienmarkt – zurückhaltender agieren lassen dürfte. Ich bin nicht pessimistisch für die weitere wirtschaftliche Entwicklung hierzulande. Aber ich wäre vorsichtig, allein aufgrund leicht verbesserter wirtschaftlicher Daten eine wesentlich bessere Entwicklung der Börse zu erwarten. Die Rechnung an der deutschen Börse wird nicht ohne die Amerikaner gemacht.

Was könnte die Börse aus ihrer Lethargie reissen? - Ein Befreiungsschlag für die Börse wäre die von EZB-Präsident Mario Draghi angestrebte Ausweitung der Bilanzsumme der Notenbank um 1 auf 3 Bio. €. Zu diesem Zweck denkt er an einen Mix aus dem Ankauf von Langfristkrediten und Pfandbriefen sowie Kreditverbriefungen über mindestens zwei Jahre. Ob die EZB-Bilanzsumme aber mit solchen Massnahmen auf die angestrebte Höhe katapultiert werden kann, erscheint sehr fraglich. Schon die Nachfrage nach Langfristkrediten blieb mit 210 Mrd. € weit unter den Erwartungen. Und die Märkte für Pfandbriefe und Kreditverbriefungen sind nicht sehr ergiebig.

Gebannt blicken die Börsianer indes auf Ende Januar: Es wird damit gerechnet, dass die EZB Staatsanleihen ankaufen und so für weitere Liquidität sorgen wird. - Ich bezweifle, dass der Ankauf von Staatsanleihen so schnell kommt, wie alle glauben. Sicherlich, die Mehrheit im EZB-Rat ist dafür, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass EZB-Präsident Mario Draghi letztlich die Bedenken einiger nordischer Ratsmitglieder – vor allem aus den Reihen der Bundesbank – einfach negieren wird. Die Bundesbank wird aber nur zustimmen, wenn sich die Konjunktur signifikant verschlechtert – was ich wegen verbesserter Exportgewinne nicht sehe – und eine Deflation für den gesamten Euroraum droht. Dies hat auch Draghi früher als Bedingung genannt. Zunächst hofft er aber auf die konjunkturheilende Kraft der Euroabwertung. Hinzu kommt, dass die Zinsen für Eurostaatsanleihen so niedrig sind, dass weitere Senkungen kaum Konjunkturauswirkungen haben dürften. Höchstens bei der Währung sehe ich begrenzte QE-Resultate.

Wie lange könnte die Abwertung des Euros anhalten? - Bei 1.20, spätestens bei 1.15 $ dürften die Amerikaner bemüht sein, das Spiel zu beenden. Sie werden keinen Währungskrieg ausrufen, es reicht ja auch, wenn das Fed versuchen würde, die Geldströme zu verändern, indem es grössere Zinssteigerungen in den USA zu verhindern sucht. Zu beachten ist aber auch, dass die europäische Handelsbilanz nach der chinesischen die zweitbeste der Welt ist. Das sollte ebenfalls Grund genug sein, dass der Euro nicht bis in die Nähe der Parität fällt, wie es einige Banken erwarten. Besonders dann, wenn die Dollarzinserhöhung wegen Deflationsgefahr und Ölpreisverfall weiter verschoben wird.

Wie stark sind Sie derzeit in deutschen Aktien investiert? - Unsere Fonds sind gegenwärtig zu etwa 20% mit deutschen Aktien bestückt und zu ca. 40% mit US-Titeln. In japanischen Werten sind wir mit 15% und in chinesischen mit 5% unserer Mittel engagiert.

Und welchen deutschen Werten geben Sie den Vorzug? - Allianz oder die Münchener Rück bieten mit einer Rendite von über 4% schon eine gute Alternative zum Rentenmarkt. Die Deutsche Post verheisst auf Sicht von einem bis zwei Jahren gute Chancen, obwohl der Wert bereits deutlich gestiegen ist. Gleiches gilt für Pharmatitel, die ebenfalls weiterhin mit guter Ertragslage brillieren dürften – insbesondere Fresenius Medical Care. Bei Stada bereitet allerdings das starke Russlandengagement Sorgen. Die Sanktionen gegen Russland und die Gegensanktionen belasten die deutsche Wirtschaft direkt, vor allem aber auch  indirekt stärker als zunächst angenommen. Die bisherigen Sanktionen und die Androhung immer neuer Sanktionen verunsichern unsere Wirtschaft mehr, als sie politisch bewirken. In diesem Zusammenhang sei auch auf Metro verwiesen, die im Inland bessere Geschäfte macht, deren grosses Russlandengagement aber empfindlich belastet. Gleiches gilt u.a. für  Gerry Weber. Auch bei Chemiewerten bin ich zurückhaltend. Bank- und Energievaloren sind derzeit ebenfalls keine Bereicherung für ein Depot. Die Banken haben Probleme aufgrund zu geringer Kreditnachfrage. Und die niedrigen Zinsen drücken ihre Margen. Zudem belastet die Regulierungswut der Aufseher das Geschäft – mehr, als sie ihm nützt. Bei den grossen Versorgern leidet Eon unter dem Konflikt mit Russland – 10 Mrd. € Kraftwerkinvestition rubelgeschädigt –, vor allem aber, wie auch RWE, unter dem überstürzten Austritt unseres Landes aus der Kernkraft, was wiederum Unternehmen wie Bilfinger schwer trifft, da sie deutlich weniger Kraftwerkwartungsaufträge bekommen.

Wie wird sich der Dax durchs neue Jahr bewegen? - Sehr volatil. Von der Binnenkonjunktur – höchste Lohnsteigerungen weltweit – und den anhaltend niedrigen Zinsen dürfte der Dax im kommenden Jahr etwas Rückenwind erhalten. Gefahren könnten aber mit Blick auf die amerikanischen Anleger zunächst noch von einem sich weiter abwertenden Euro drohen. Ferner wird in Griechenland, wo die reformfeindliche Linke stark ist, gewählt. Sollten die Helenen ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen, dürfte das wegen der engen finanziellen Verflechtungen für Turbulenzen sorgen. Aber auch in Italien macht sich angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage auch in einflussreichen Wirtschaftskreisen zunehmend Euroskepsis breit, was derzeit noch kaum thematisiert wird. Da könnte sich ein ernstes Problem aufbauen.

Viele Unwägbarkeiten also. - Hinzu kommt noch eine Gefahr, die niemand auf dem Radar hat: ein unerwarteter Anstieg der Inflation, besonders in den USA. Angesichts der dort sehr gut laufenden Konjunktur ist dies nicht völlig ausgeschlossen. Dann würden die US-Zinsen schneller anziehen, was weltweit die nach wie vor gegebenen erheblichen Verschuldungsprobleme auf den Tisch bringen würde, die bei einem dann steigenden Dollar angesichts weltweit hoher Dollarverschuldung zusätzlich problematisch wären. Dies wäre Gift für die Aktienkurse. Langfristig kann man aber sagen, dass eher am Obligationenmarkt eine Blase entstanden ist als am Aktienmarkt, und noch ziehen die Teuerungsraten – besonders in Europa und Japan  – nicht an.