Kapitulation der Bären
Finanzprofis sind überzeugt, dass die Wirtschaft das ideale Wachstumstempo erreicht hat. Sie gehen mehr Risiko ein. Ihre Aktienquote ist rekordhoch.
Ob Brei, Stuhl oder Bett: Genau richtig war jeweils die dritte Option, die Goldlöckchen im Märchen zur Auswahl stand.
Nach der Geschichte von Goldlöckchen (Goldilocks) wird im englischen Sprachraum auch das ideale Konjunkturumfeld benannt. In einem Goldilocks-Szenario wächst die Wirtschaft kräftig, aber nicht zu schnell. Die Inflation bleibt im Rahmen, und die Zentralbanken müssen nicht auf die Bremse treten.
Genau das ist derzeit die vorherrschende Meinung am Finanzmarkt. In der neuesten Umfrage von Bank of America Merrill Lynch erwarten 56% der Fondsmanager über die nächsten zwölf Monate hohes Wachstum bei gleichzeitig niedriger Inflation (vgl. blaue Kurve). Das Szenario von niedrigem Wachstum bei niedriger Teuerung hat massiv Anhänger verloren (gelbe Linie).
In einer Goldilocks-Wirtschaft sind die Anleger bereit, mehr Risiko einzugehen. Per saldo sagen 15% der befragten Profis, dass sie mehr Risiko eingehen als üblich. So hoch war der Anteil noch nie seit Beginn der Aufzeichnung.
Risikoanlagen gefragt
Mehr Risiko heisst im Portfoliokontext: mehr Aktien, mehr Junk Bonds und sicher kein Gold, Cash oder krisenfeste Staatsanleihen.
Folglich ist die Aktienquote der Fondsmanager weiter gestiegen. Und per saldo geben fast 50% an, dass sie in Aktien übergewichtet sind, also mehr Aktien im Portfolio haben als strategisch festgelegt. So hoch war der Anteil mit Aktienübergewicht seit 2015 nicht mehr.
Das Paradoxe dabei ist, dass sie dieses Risiko mit wenig Begeisterung eingehen. Immer mehr Fondsmanager sind nämlich gleichzeitig der Meinung, dass Aktien teuer sind. Gleichzeitig ist die Cashquote von 4,75 auf 4,4% gefallen, den niedrigsten Stand seit Oktober 2013.
Angst vor geldpolitischem Fehler
Als grösstes Risiko bezeichnen die Teilnehmer derzeit einen geldpolitischen Fehlgriff des Fed oder der Europäischen Zentralbank. Neu auf der Liste der Risiken taucht die Angst vor einem Bond-Crash auf. Nordkorea hat an Schreckpotenzial eingebüsst. Auch von China, das noch vor kurzem Grund zur Sorge war, ist nichts mehr zu hören.
Die Lieblingssektoren sind weiterhin IT-Aktien und Banken.
Doch die Skepsis gegenüber den hoch bewerteten Tech-Titeln hat zugenommen. Auf den Nasdaq zu setzen, bezeichnen die Fondsmanager als die am stärksten überlaufene Strategie (Most Crowded Trade). Noch im September hatte Bitcoin diesen Ruf.
Regional hat Japan weiter an Beliebtheit gewonnen. Extremer Pessimismus herrscht gegenüber britischen Aktien.
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