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Kaffee mit…

Sie lässt auf sich warten. Nicht, dass Xenia Tchoumi etwa grundsätzlich unpünktlich wäre. Im Gegenteil: Eigentlich legt sie grossen Wert darauf, ihr Gegenüber nicht warten zu lassen. «Sorry, dass Du warten musst. Der Verkehr heute ist ein Witz», meldet sie sich per WhatsApp. Nach ein paar weiteren Minuten springt sie aus dem Taxi, das sie von einem anderen Termin zu unserem Treffen gebracht hat. Heute ist das Café Zefi angesagt, ein mediterran angehauchtes Kaffeehaus im Nobelviertel Chelsea, das auch kleinere Speisen serviert. Xenia Tchoumi nutzt das Gespräch, um am späteren Nachmittag endlich etwas zu essen – Pasta mit Lachs, begleitet von einem Tee. Ich bestelle mir einen Cappuccino, in London immer noch eine der sichersten Kaffeevarianten – trotz ausufernder Auswahl von Espresso über Americano bis hin zum Flat White.

«Diesen Coffee Shop habe ich entdeckt, als ich vor ein paar Jahren in London in den Ferien war. Er ist klein, hübsch und heimelig, ich habe mich sofort wie zu Hause gefühlt», erklärt Xenia Tchoumi ihre Wahl. Inzwischen ist London für Xenia allerdings nicht mehr Urlaubsdestination, sondern Wohnort. Zumindest immer wieder mal. Sie ist oft unterwegs, zuletzt hatten die diversen Fashion Weeks in New York, Mailand und London sie auf Trab gehalten. Zwölf Jahre ist es her, dass Xenia in der Schweiz bei den Miss-Wahlen erstmals in Erscheinung getreten ist. Sie wurde damals hinter Christa Rigozzi Zweite, damals noch mit dem kompletten Namen Tchoumitcheva.

Inzwischen hat sich vieles verändert. Vor geraumer Zeit hat sie ihren Namen zu Xenia Tchoumi vereinfacht und lebt als selbständig Erwerbende. Offiziell nennt sie sich Fashion-Influencerin und digitale Unternehmerin, effektiv umfasst ihr Arbeitsumfeld viel mehr. «Ich berate zum Beispiel Unternehmen bei ihrem Social-Media-Auftritt, damit sie den grösstmöglichen Nutzen daraus ziehen können», sagt sie.

Immer wieder tritt sie auch als Rednerin auf, zum Beispiel bei den sogenannten TEDx-Konferenzen. Bei diesen Non-Profit-Veranstaltungen ist die Idee, dass man zu selbstgewählten Themen referiert. «Ich stehe ein für Empowerment», sagt Xenia, bevor sie den nächsten Schluck Tee nimmt. Mit Empowerment meint sie, denjenigen Mut zuzusprechen, die nicht mit der nötigen Portion Selbstvertrauen ausgestattet sind. Sie weiss selbst, wie es sich anfühlt, sich nach oben kämpfen zu müssen – als Tochter russischer Immigranten, am Anfang der italienischen Sprache nicht mächtig. Die Miss-Schweiz-Wahlen betrachtete sie als Sprungbrett, plötzlich war ihr Name landesweit ein Begriff.

Doch die Schweiz war ihr zu kleinräumig. Sie, die sechs Sprachen fliessend beherrscht, sah ihre Chancen in der Online-Welt. Vor vier Jahren gründete sie ihren Mode-Blog «Chicoverdose», inzwischen konzentriert sie sich auf Lifestyle-Themen. «Ich habe gemerkt, dass mich neben der Mode noch viele andere Themen mindestens ebenso interessieren», sagt Xenia zu ihrem Wandel. Gleichzeitig wird der Modebereich derzeit von Influencerinnen geradezu überflutet. «Das sind Mädchen, die davon träumen, kurzfristig berühmt zu werden, und sich meist unter ihrem Wert verkaufen», sagt Xenia. «Sie sind deshalb austauschbar.» Ein Gräuel ist ihr auch die Missgunst, die mitunter in der Influencer-Community herrscht. «Natürlich ärgere ich mich, wenn ich einen Deal nicht erhalte», sagt Xenia. Aber wenn jemand einen guten Job mache, könne man doch trotzdem auf Social Media ein «Like» geben. In der digitalen Welt ist dies die wichtigste Währung. 8 Mio. Followers umfasst ihre Fan-Basis derzeit. «Über Jahre aufgebaut, nichts gekauft», wie sie präzisiert.

Vieles, «manchmal fast zu vieles» macht Xenia selbst. «Ich bin ein Kontrollfreak», sagt sie von sich selbst. Kein Vertrag wird abgeschlossen, ohne dass er durch ihre Hände geht und einen finalen Check erhält. Sie ist ihr eigener Manager, auch wenn sie in den für sie wichtigsten Regionen auf Assistenten und PR-Verantwortliche zählen kann. Immer wieder schaut sie auf ihr Handy, ob alles nach Plan läuft. Vernetztheit ist im digitalen Zeitalter alles, Geschwindigkeit ebenso. Heute London, morgen Mailand, übermorgen Miami. Die Agenda ist präzise durchgeplant, von ihren Assistenten, «die genau wissen, welches meine Lieblingsflughäfen sind».

Ob es Influencer in zehn Jahren noch gibt? Für Xenia ist diese Frage falsch gestellt. «Wenn mich das Leben eine Lektion gelehrt hat, dann diese: Plane nie zu langfristig», sagt sie. Möglicherweise sei in Zukunft nicht mehr Social Media, sondern Virtual Reality gefragt, vielleicht komme gar eine andere Technologie auf. «Ich für mich weiss, dass ich in den vergangenen Jahren Erfahrungen in der Finanzbranche, im Marketing, im Social-Media-Bereich und als digitale Unternehmerin gesammelt habe. Dieser Rucksack gibt mir die Gewissheit, immer irgendwo eine Tätigkeit ausüben zu können», sagt Xenia.

Wieder schweift ihr Blick aufs Smartphone, der nächste Termin leuchtet bereits hell auf dem Display auf. «Sorry, ich muss leider gehen», sagt Xenia. Kaum stehen wir vor dem Café, macht sie noch schnell ein Selfie. «Für mein Instagram-Profil », sagt sie mit einem Lächeln – und steigt in ein bereitstehendes Auto.