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Kaffee mit…

Das Kaffeehaus Blue Bottle an der 53sten Strasse passt zu Midtown. Viel Glas, grelles Licht und Gewusel selbst kurz vor Betriebsschluss. Stephanie Naegeli bestellt eine heisse Schokolade mit Mandelmilch. Es ist aussergewöhnlich kalt an diesem trüben Freitagnachmittag Anfang Mai in Manhattan. Von Frühling keine Spur, der Nebel hängt tief. Die Wolkenkratzer von New York werden ihrem Namen gerecht.

Naegeli gefällt die mystische Stimmung. Es ist fast wie zu Hause. Seit mehr als sechs Jahren lebt die 37-Jährige in San Francisco. Dort hat sie für Nestlé den Aussenposten im Silicon Valley aufgebaut. «Mein Auftrag war es, Innovation von aussen in den Konzern zu holen und Start-ups für Partnerschaften zu gewinnen.» Das hat sie geschafft. Der Aussenposten zählt heute zwanzig Mitarbeiter und ist ein integraler Bestandteil für die digitale Transformation des Nahrungsmittelkonzerns.

Ein Selbstläufer war es aber nicht. «Ich wurde ins kalte Wasser geworfen», sagt sie und lacht. «Ich kannte niemanden im Silicon Valley.» Doch dank ihrer offenen und ehrlichen Art knüpfte sie schnell Kontakte. Im Rücken hatte sie zudem den grössten Nahrungsmittelhersteller der Welt. «Start-ups sehen bei Nestlé Dollarzeichen.» Sie baute eine Partnerschaft mit Twitter und Pinterest auf und forcierte die Vermarktung der Nestlé-Brands über die sozialen Medien. Das theoretische Rüstzeug dafür hatte sie an der Universität St. Gallen geholt, das praktische am Hauptsitz von Nestlé in Vevey, wo sie unter anderem für die Vermarktung der Marke Nescafé verantwortlich war. Doch Naegeli wollte mehr.

Sie wollte die Art verändern, wie Nestlé mit den Kunden kommuniziert. «Traditionelle Werbung im Internet kann disruptiv sein. Werbebanner und Pop-ups stören.» Im Aussenposten fing sie darum an, digitale Dienstleistungen zu kreieren. Als Beispiel nennt sie Nestlés digitales «Kochbuch» GoodNes auf Amazons smartem Lautsprecher Alexa. «Der Kunde kommt mit uns in Kontakt über die Rezepte, wo unsere Produkte aufgeführt sind.» Wichtig ist ihr zudem der individualisierte Ernährungscoach, der soeben als Prototyp getestet wurde. Er hilft nicht nur beim Abnehmen, sondern fördert eine gesündere Ernährung. Denn der Coach kann mehr als nur Kalorien zählen. Er beantwortet allgemeine Fragen, ob etwa Muffins gesünder seien als Scones. «Damit bieten wir dem Kunden einen Mehrwert.»

Selbstverständlich benutze sie den Coach auch selbst; das Testen der eigenen Produkte nennt sich Dogfooding und gehört in der Start-up- Szene dazu. Auf die Ernährung achtet sie aber so oder so. Sie sieht sich als Flexitarierin und isst Fleisch etwa einmal pro Monat. Aus Gründen der Nachhaltigkeit verzichtet sie oft auch auf andere tierische Produkte.

Das Leben in San Francisco hat nicht nur die Ernährung der Bernerin verändert. Die breite Mundart ist zwar noch da, doch immer wieder poppen englische Wörter zwischen den langgezogenen Vokalen auf. Sie mache auch viel Yoga und interessiere sich für Ayurveda. «Das ist in Kalifornien Pflicht», sagt sie und lacht. Verändert hat sich auch ihre Einstellung.  Im Silicon Valley frage man sich nicht, ob es möglich sei, sondern man versuche es einfach. «Es ist eine optimistische Herangehensweise an Herausforderungen.» Befreit habe sie zudem, dass Geschlecht und Alter keine grosse Rolle spielen. Zudem gebe es dank Frauen wie der Facebook-COO Sheryl Sandberg diverse Vorbilder. «Das hat mich extrem motiviert.»

Dennoch vermisse sie die Schweiz – am meisten Familie und Freunde. Die Leute in San Francisco seien zwar offen. Langfristige Freundschaften zu schliessen, sei aber nicht immer einfach. «San Francisco ist eine teure Stadt. Menschen kommen und gehen. Man lernt zwar schnell neue Leute kennen, sie sind aber auch schnell weg.» Eine Rückkehr in die Schweiz schliesst sie nicht aus. «Ich fände es sehr spannend, das im Silicon Valley Gelernte in der Schweiz anzuwenden.»

Noch bleibt sie aber in San Francisco. Sie schätzt es, am Puls der Zeit zu sein und neue Trends auszuprobieren. Fasziniert ist sie auch von der natürlichen Vielfalt in Kalifornien. «Am besten entspannen kann ich mich, wenn ich draussen bin.» Im Winter teilt sie sich am Lake Tahoe ein Haus mit Freunden, um Snowboard zu fahren. Im Sommer fährt sie oft aufs Meer zum «Welläbrettlä», oder sie schnappt sich Rucksack und Zelt und verliert sich in der Wildnis. «Bären bin ich zum Glück aber noch nicht über den Weg gelaufen.»