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Kaffee mit...

Für ein Treffen schlägt Rolf Knie seinen Caféwagen vor, der im Zelt des Winterzirkus Salto Natale in Kloten steht. Hier kann er sich der Betriebsamkeit auch mal entziehen. Der bald Siebzigjährige macht aber nicht den Eindruck, dass er das oft nötig hätte. Im Gegenteil.

Der Mann will es offenbar noch einmal wissen. Vergangenen Dienstag ist sein bisher grösstes Projekt gestartet, das Circus Musical, in Dübendorf. Später gastiert es in Bern und Basel. Die Spielorte bieten eine Kapazität, um 200 000 Tickets zu verkaufen. Das ist für den kleinen (Deutsch-)Schweizer Markt ambitiös. «Es kann nur ein Erfolg werden, wenn man ein gutes Produkt liefert. Am Ende muss die Mund-zu-Mund-Propaganda wirken.»

Rolf Knie erzählt in dem Musical die zweihundertjährige Zirkusgeschichte seiner Familie. Dabei will er sich nicht dreinreden lassen. Nachdem ihm 2016 die Idee zum Musical gekommen war, entschloss er sich, Regie und Produktion selbst in die Hand zu nehmen. Knie ist stolz auf das Resultat: «Wir haben sehr viele Zirkuselemente, Tänzer und Schauspieler, die eine wahre Geschichte erzählen.» In einer Knie-Geschichte müssen natürlich die Tiere vorkommen, die jahrzehntelang eine grosse Rolle gespielt hatten. Es gibt drei Meter grosse Elefanten, Giraffen und Pferde.

Die Tiere sind nicht echt, sondern verkleidete Menschen. Obwohl Knie fest davon überzeugt ist, dass Tiere zum Zirkus gehören, fehlen sie sowohl bei Salto Natale, den er mit seinem Sohn Gregory aufgebaut hat, wie auch bei Ohlala, der Zirkus-Show mit einer Prise Erotik, die Sohn Gregory mittlerweile allein leitet. «Ich habe entschieden, Zirkus ohne Tiere zu machen. Eigentlich ist das schon fast schizophren.»

Den Entschluss erklärt er mit den negativen Erfahrungen mit Tierschützern aus seiner Zeit beim Circus Knie. «Ich habe schon in den Achtzigerjahren geahnt, dass das einmal sehr unangenehm werden würde.» Dabei müsse man den jungen Leuten die Tiere doch näherbringen.

Er setzte sich etwa für den Erhalt des Lebensraums der Orang-Utans auf Sumatra und Borneo ein, weil er mit einem Orang-Utan aufgewachsen sei. «Ich war immer bei diesem Abu im Käfig. Ich habe ihn so geliebt. Deshalb will ich die Orang-Utans schützen.»

Knie malt auch alle Tiere, mit denen er zusammengelebt hat. Die Malerei bezeichnet er als seinen Beruf. «Zirkus ist mein Hobby.» Eines, das viel seiner Zeit beansprucht. Er schätzt, dass er letztes Jahr etwa 50% seiner Arbeitszeit für das Musical aufgewendet hat, 10% für Salto Natale und nur 40% für seinen eigentlichen Beruf. Knie ist ein Frühaufsteher. «Wenn ich morgens um 5 Uhr schon im Atelier stehe, Musik und die Vögel zwitschern höre, dann ist das ein sehr erfülltes Leben.» Seine Bilder erzielten zwar keine exorbitanten Preise. «Aber ich habe meine Kundschaft und kann davon sehr gut leben.»

Er erinnert sich, wie er Mitte der Achtzigerjahre, nach Erfolgen mit TV-Produktionen und ersten verkauften Gemälden, zum ersten Mal 100 000 Fr. auf dem Bankkonto hatte und sich alles in Tausendernoten auszahlen liess. «Wie Dagobert Duck habe ich die Noten angefasst und gestreichelt. Im Zirkus habe ich nie so viel verdient.» Sein Geld liegt heute noch auf dem Bankkonto. Aktien oder Obligationen besitzt er nicht, wie er versichert. Ab und zu kauft er stattdessen einen Oldtimer für seine Sammlung mit «einigen» Wagen. Konkreter wird er nicht. Sein Hobby macht ihm aber Spass, und: «Wenn du das richtige Auto zum richtigen Zeitpunkt kaufst, hast du auch Freude an dem Geld.» Banker hätten ihm schon gesagt, dass sie die Performance, die er mit seinen Oldtimern erziele, nie schaffen würden.

Seine von vielen Wechseln geprägte berufliche Laufbahn bezeichnet er als Erfolg. Er hatte seine Zirkuskarriere als Kunstreiter und Tierdresseur begonnen, ehe er Clown wurde. Mit seinen Clown-Kollegen Pipo und Gaston startete er darauf eine Fernseh-, dann Bühnenkarriere, und schliesslich widmete er sich ganz der Malerei, übersiedelte 1990 nach Mallorca, um 2002 mit Salto Natale und ab 2011 auch Ohlala eigene Zirkusproduktionen in der Schweiz zu lancieren.

«Misserfolge gibt es in meinem Leben nur menschliche.» Mehrmals sagt er im Gespräch, dass er anderen etwas beweisen wollte. Etwa, dass Zirkus auch auf eine andere Art geht. Also hatte er Salto Natale – eine Hochzeit zwischen Musical, Schauspielerei und Zirkus – ins Leben gerufen. «Man kann nicht immer nur sagen, was man besser oder anders machen könnte, man muss auch den Beweis antreten», erklärt Knie diese Haltung. «In meinem ganzen Leben waren es die Tritte, die ich erhalten habe, all die Leute, die mich verlassen haben, die mich veranlassten zu sagen: jetzt erst recht. Es ist meine Lebenseinstellung.»

Was ist sein Schlüssel zum Erfolg? «Es ist eine Kombination zwischen Erfahrung und Bauch. Die Fähigkeit, den Nerv des Publikums zu treffen», antwortet Knie. «Ich mache die Dinge meistens so, dass sie mir gefallen, und bin überzeugt, dass sie vielen anderen auch gefallen.»

Ausserdem müsse man als Unternehmer langfristig denken und überzeugt sein von dem, was man mache. «Dann ist man bereit, auch den letzten Franken einzusetzen.»

Knies grösstes Vorbild ist sein Vater Fredy Knie senior, der aus dem Circus Knie das gemacht hat, wofür er heute noch steht. «Mein Vater war Visionär, er hat immer vorausgedacht: nicht reagieren, sondern agieren.»

Von ihm hat er Respekt vor dem Publikum gelernt, man selbst sein, auch Disziplin und streng mit sich selbst sein, aber das Gleiche auch von Angestellten erwarten: «Kein CEO, sondern ein Patron, der zu allen gleich ist.» Sei das der Hilfsarbeiter, der das Zirkuszelt aufbaut, oder der Bühnenstar. «Es sind alle gleich. Jeder hat andere Fähigkeiten, aber jeder ist ein Mensch.» Rolf Knie hofft, dass die Familiengeschichte, die er im Musical erzählt, weitergeht. «Ich hatte den besten Lehrmeister aller Zeiten, meinen Vater, und ich versuche das entsprechend meinem Sohn Gregory weiterzugeben.»

Der 70. Geburtstag ist für Knie wie der 69. oder der 72. Rückblicke in den Medien auf sein Leben erwartet er nicht. «Das kann man dann, wenn ich 100 Jahre alt werde – wie bei Hans Erni.» Ob er fest vorhat, 100 zu werden? «Es ist wie beim Fussball, es gibt zwei Halbzeiten à 45 Jahre und eine Nachspielzeit. Es kann sein, dass der Schiedsrichter bei mir dann bei 94 abpfeift.» Da würde ja noch recht viel Zeit bleiben. Was kommt nach dem Musical? «Ich möchte ein bisschen ruhiger treten. Das sage ich auch meiner Frau, und sie lacht mich aus.»

Das «Circus Musical» gastiert in Dübendorf vom 12. 3. bis 3. 5. 2019, in Bern vom 7. 6. bis 7. 7. und in Basel vom 5. 11. bis 22. 12. - Weitere Informationen: www.kniemusical.ch