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Kaffee mit…

Dieser letzte Herbsttag fühlt sich so warm an wie auf einer Mittelmeerinsel. Und so wird nicht Kaffee, sondern Zitronen-Ingwer-Limonade mit Eiswürfeln bestellt. Es ist der Innenbereich der Cafeteria des Kosmos in Zürich, eines funkelnden Kultur-Multiplex an der Europaallee, nahe der Langstrasse. Im Hintergrund läuft belanglose Musik, an einem Zweiertisch sitzt Margarita Chli, eine Frau in den Dreissigern mit schallendem Lachen und leicht gewelltem, langem Haar. «Ich liebe das Leben in Zürich. Nach Zypern fühle ich mich in der Schweiz am wohlsten», sagt sie in akzentfreiem Englisch.

Chli ist Professorin an der ETH Zürich, leitet dort das Vision for Robotics Lab. Das heisst, sie und ihr Team beschäftigen sich tagein, tagaus mit Drohnen, Sensoren, mathematischen Modellen und Computerprogrammen. Ziel der Forschungsgruppe ist es, Drohnen eines Tages sich autonom in einem Raum bewegen und vorgegebene Dinge erledigen zu lassen. «Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Drohnen den Hindernissen selbständig aus dem Weg gehen und sich den wechselhaften Wetterbedingungen anpassen müssen, während sie in der Luft sind. Auch in fünf Jahren dürften wir noch nicht so weit sein», urteilt sie nach wenigen Bedenksekunden.

Denn was sich relativ trivial anhört, ist eine hoch komplexe Sache. Menschen sind sehr gut im Interpretieren von Bildinformationen. Diese Fähigkeit wurde in jahrelanger Erfahrung entwickelt, erklärt sie. Ein Roboter hingegen muss dieses Abstraktionsvermögen erst erlernen. Doch das Problem ist, dass die Welt aus Unsicherheit und immer neuen Ereignissen besteht. Ein Roboter braucht deshalb sehr viele Erfahrungswerte, um eine spezifische Aufgabe lösen zu können. Die Fähigkeiten, die Chli und ihr Team für autonome Drohnen entwickeln, haben weitreichende Implikationen und lassen sich auf andere Anwendungsgebiete übertragen, etwa auf das autonome Fahren.

Chli entspricht nicht der Vorstellung, die sich viele vom ETH-Forschungsbetrieb machen. Sie ist jung, sie ist eine Frau. Und sie hat mit Tempo eine Bilderbuchkarriere hingelegt. Margarita Chli wuchs in Limassol, der zweitgrössten Stadt Zyperns, auf, ihre Eltern waren beide Mathematiklehrer. Schon mit siebzehn tauschte sie ihre Insel mit einer anderen, Grossbritannien. Dort ging es zuerst an die Universität Cambridge, dann ans Imperial College in London. Dass sie in der Robotik gelandet ist, sieht sie fast als Zufall. Ihr Weg dahin sei keine romantische Geschichte. Statt Computerwissenschaften hätten ihr auch Medizin oder Architektur gefallen. Die Robotik erlebe seit zwanzig Jahren einen Boom. Sie habe einfach das Glück gehabt, rechtzeitig auf diese Welle aufzuspringen.

«Ich habe immer hohe Ziele gehabt, aber ich bin nicht so karriereorientiert, wie es aussieht. Die Dinge haben einfach ihren Lauf genommen», sagt Chli beinahe entschuldigend. Dass sie es als Frau so weit gebracht hat, erscheint ihr nebensächlich. «Es war mir nicht bewusst, dass ich mich in einer männlich geprägten Domäne bewege. Ich entdeckte es mit der Zeit», sagt sie. Besonders in der Schweiz sei ihr aufgefallen, dass ihr Fachgebiet von Männern dominiert werde, etwa in der Maschinenbauabteilung der ETH, wo ihr Team angehängt ist. Am Imperial College habe es auf Doktoratsstufe bis zu 30% Frauen gegeben. Ob das Frausein ihrer Karriere förderlich oder abträglich gewesen sei, lässt sie offen. «Ich hatte das Glück, von grossartigen Professoren lernen zu dürfen, die unabhängig meines Geschlechts an meine Fähigkeiten glaubten», sagt sie.

Doch nicht alles scheint wie aus dem Bilderbuch. Drohnen werden oft mit militärischen Anwendungen assoziiert. Zu Unrecht, findet Chli. Es gebe so viele «humanitäre Möglichkeiten»: die Digitalisierung archäologischer Stätten etwa oder die Überwachung grösserer Infrastrukturen wie Brücken oder Stauseen. Auf die Frage, ob durch autonome Roboter Menschen zu Schaden kommen können, greift sie routiniert auf ihr Messer-Beispiel zurück: «Ein Messer in den Händen eines Chirurgen kann Leben retten, eines in den Händen eines Kriminellen kann Leben zerstören. Allerdings kann niemand sagen, dass Messer nicht eine tolle Erfindung sind», verteidigt sie vehement ihre Disziplin. Sie habe auch schon Angebote von Rüstungsunternehmen erhalten, sie aber allesamt abgelehnt. Was sie als weiteren Vorteil sieht, ihre Forschung in der Schweiz zu betreiben: Hier müsse sich die Forschung nicht auf militärische Anwendungen beschränken. Ganz anders als in den USA. Dort komme das Budget auf dem Gebiet der Drohnenforschung oft von der Darpa, der Forschungsbehörde des US-Verteidigungsministeriums.

Chli kann sich derzeit nicht vorstellen, den akademischen Betrieb zu verlassen. «So grosse Freiheiten wie in der Forschung gibt es sonst kaum.» «Man weiss aber nie, was im Leben alles noch kommt», schmunzelt sie. Die Forschung erfüllt Chli sichtlich. «Das Leben ist aber nicht nur die Arbeit. Familie und Freunde sind für meine Balance sehr wichtig.» Und so sucht Chli ihren Ausgleich am liebsten beim Tanzen, mal traditionell griechisch, mal Latin, mal Hip Hop. An Wochenenden geht sie oft auswärts essen, liebt libanesische und natürlich auch griechische Küche. Denn die beste Köchin, das sei sie nicht.