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Kaffee mit...

Hans-Rudolf Merz hält es mit der Maxime «Servir et Disparaître» – Dienen und Verschwinden. Der Alt-Bundesrat hat sich seit seinem Rücktritt weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und ist auf seine Privatsphäre bedacht, etwa dass seine Kontaktdaten nicht veröffentlicht werden. Auf die nachträgliche Bitte nach einem Selfie antwortet er postalisch mit einem Passfoto und schreibt, dass er mit seiner veralteten Technologie keine Selfies übermitteln könne.

Im Gegensatz zu anderen ehemaligen Politikern will sich Merz heute auch nicht zu tagespolitischen Themen in den Medien äussern. Was aber nicht heisst, dass sich der Sechsundsiebzigjährige nicht mehr für das aktuelle Geschehen interessiert. Im Gegenteil. Immer wieder hält Merz Vorträge im kleinen Kreis, ohne Medienvertreter, etwa vor der Pensionistenvereinigung zur Zukunft der AHV/IV. Dafür nehme er jedoch kein Entgelt, wie er beim Gespräch in der Lobby des Hotel Gotthard in Zürich beteuert. Schliesslich beziehe er ja eine Rente vom Bund. Damit will er der Gesellschaft auch wieder etwas zurückgeben.

Als einziges Amt hat der gebürtige Appenzeller noch das Präsidium des ehrenamtlichen Vorstandes der Schweizer Patenschaft für Berggemeinden inne. Diese Organisation leistet finanzielle Unterstützung nach Naturkatastrophen, bei der Erneuerung der Wasserversorgung oder bei der Ausrüstung von Schulen in Berggebieten, zählt Merz auf und nimmt einen Schluck von seinem Mineralwasser. Begonnen hat er seine Tätigkeit für die private, spendenfinanzierte Organisation 2010, nach seinem Rücktritt aus dem Bundesrat. Für einen passionierten Wanderer und Bergsteiger wie ihn war das ein ideales Engagement. Ein Verwaltungsratsmandat lag zudem aus Altersgründen kaum mehr drin. Bei seinem Rücktritt war Merz bereits neunundsechzig Jahre alt und bei kotierten Unternehmen herrscht eine Limite von siebzig Jahren für ein solches Amt. Zudem erkrankte seine Frau damals an Alzheimer. Eine belastende und kräftezehrende Zeit. «Diese Krankheit erfordert von allen Beteiligten viel Geduld und Liebe», sagt er. Bis zu ihrem Tod 2016 hat er sie betreut und gepflegt. Heute liest er viel, verfasst Bücher, jüngst zum Beispiel über Appenzeller Holzschnitzerei oder er widmet sich dem Klavierspiel und geht in die Oper.

Politisch war Merz ein Spätberufener. Erst mit fünfundfünfzig Jahren wurde er 1997 für die FDP zum Ständerat gewählt, an der letzten Landsgemeinde, wie er nicht ohne Stolz anfügt. Im Parlament war er Präsident der Finanzkommission und Finanzdelegation. 2003 folgte dann die Wahl in die Landesregierung. Bereits im zweiten Wahlgang setzte er sich gegen Christine Beerli aus dem sozialliberalen Flügel der FDP durch. Merz galt dagegen als Mann der Wirtschaft, dessen oberstes Ziel es war, Ordnung im Finanzhaushalt zu schaffen. In Bern hat er sich von Anfang an für einen neuen Finanzausgleich zwischen den Kantonen und eine Schuldenbremse eingesetzt. «Mitten in der Krise ermöglichte dies die Gesundung des Staatshaushaltes um rund 20 Mrd. Fr.», sagt Merz.

An seine Zeit als Bundesrat erinnert sich Merz gerne. Auch wenn er kein unumstrittener Magistrat war. Ein Tiefpunkt war sicherlich die Libyen-Affäre, als er 2009 im Alleingang zwei in Libyen festgehaltene Schweizer freibekommen wollte und sich dazu mit dem Diktator Muammar al-Gaddafi traf. Damals gab es dafür Kritik. In einem 2018 erschienen Buch bescheinigt ihm jedoch eine der Geiseln, das einzig Richtige getan zu haben.

Auch für den Schweizer Finanzplatz war die Amtszeit von Merz als Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements von 2003 bis 2010 eine ereignisreiche Periode. In die Ägide Merz fielen die internationale Finanzkrise 2008/09, die Staatshilfe in der Höhe von 68 Mrd. Fr. für die in Schieflage geratene UBS sowie die Abschaffung des Bankgeheimnisses. 2008 erlitt Merz zudem noch einen Herzstillstand, vermutlich hervorgerufen durch eine Überlastung wegen der UBS-Rettung, wie er Jahre später in einem Interview sagte. Er selbst betrachtet die damals getroffenen Massnahmen zur Bewältigung der Finanzkrise heute immer noch als zweckmässig. Die Aufgabe wurde gelöst, die Schweiz ist laut dem Alt-Bundesrat besser aus der Finanzkrise herausgekommen als viele andere Länder.

Im Vordergrund habe die Rettung der UBS gestanden. «Ihr Konkurs hätte schwersten volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schaden verursacht», sagt Merz. International hat sich zu dieser Zeit auch auf regulatorischer Ebene einiges bewegt. Um mit den ganzen Änderungen, etwa der Abschaffung des Bankgeheimnisses und der Einführung des Automatischen Informationsaustausches (AIA) Schritt zu halten, hat Hans-Rudolf Merz ausserdem die Gründung der Finanzmarktaufsicht (Finma) und des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen (SIF) initiiert.

Der Wechsel vom Bundeshaus zurück ins Privatleben ist Merz nicht schwer gefallen. Während seiner Karriere sei er es gewohnt gewesen, sich immer wieder auf unterschiedliche Situationen einzustellen. Als Unternehmensberater hat er in zwanzig verschiedenen Ländern gearbeitet. Erinnert er sich an seinen letzten Arbeitstag, geschieht dies ohne Nostalgie. Nach Feierabend habe er sich mit zwei Küsschen von seiner Sekretärin verabschiedet, ihr Badge und Büroschlüssel gegeben und dann das Bundeshaus verlassen. Merz: «Das war schon alles.»