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Kaffee mit...

Der Weg zum Kaffee mit Guido Cherubini auf der Terrasse des Hongkonger Pacific Club führt über eine Luxusmeile der Extraklasse. Nirgends auf der Welt ist eine ähnlich hohe Konzentration an teuren Uhren, Kleidern oder Schuhen zu sehen wie in den Läden entlang der Canton Road. Der 89-jährige Toggenburger fühlt sich inmitten dieses Luxus ganz zu Hause. Das nicht einmal in erster Linie, weil sich gleich oberhalb des am Rand des Hafens liegenden Pacific Club seine Wohnung befindet – sondern vor allem, weil er lange Jahre den Siegeszug europäischer Luxusgüter in Fernost mit vorangetrieben hat.

Als Cherubini 1951 als damals noch junger Handelsreisender zum ersten Mal seinen Fuss auf asiatischen Boden setzte, war von Luxus und dem wirtschaftlichen Aufstieg Asiens noch wenig zu sehen. Die Erholung der Region von den Verwüstungen des Zweiten Weltkrieges hatte noch kaum begonnen. Konnte man damals den Boom schon voraussehen? «Ehrlich gesagt: nein», sagt Cherubini mit Blick auf die Hongkonger Skyline. Klar sei damals die Kaufkraft gerade der Japaner langsam gestiegen. Doch dass die Region in den folgenden Jahrzehnten wirtschaftlich so erfolgreich sein würde, sei auch wegen des sich gefährlich ausweitenden Koreakrieges schwer vorstellbar gewesen.

All das hielt den jungen Mann aber nicht davon ab, die sichere Schweiz zu verlassen und das Glück in der Ferne zu suchen. «Ich wollte einfach ins Ausland, um beruflich weiterzukommen. Ich bin dann – weil sich bei einem Schweizer Handelshaus eine Anstellung auftat – 1951 fast zufällig in Japan gelandet, das damals noch unter amerikanischer Besatzung stand», erzählt Cherubini, eine Montecristo-Zigarre in der Hand und ein Glas Whisky vor sich auf dem Tisch. Der für diese Kolumne obligate Kaffee wird – begleitet von einem Grappa – erst fünf Stunden und ein Essen darauf folgen.

Cherubini, der die ersten drei Jahrzehnte nach seiner Ankunft in Japan und danach in Hongkong lebte, hat ein phänomenales Gedächtnis. An diesem langen Abend lässt er ein wichtiges Kapitel der Wirtschaftsgeschichte der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts Revue passieren. Die beachtliche Karriere des gelernten Textilkaufmanns war angesichts einer sich ständig verändernden Nachfrage durch Brüche geprägt. Das erste Geld mag er in Asien – wie bereits in der Schweiz – zwar mit dem Handel von Textilien verdient haben. «Aber in den Sechzigerjahren wurde klar, dass im Massensegment mit Textilien angesichts der steigenden japanischen Konkurrenz kein Geld mehr zu machen war.»

Als Chef des 1912 von zwei Schweizern in Japan gegründeten Handelshauses Cosa Liebermann vertrat er später in Asien namhafte Industriefirmen wie Sulzer und Rieter. Bevor Chanel oder Rolex in der Region eigene Ladenketten eröffneten, agierte Cosa Liebermann als ihr Generalvertreter in Fernost. Bevor es das Wort Outsourcing überhaupt gab, war das Handelshaus zudem Zulieferer namhafter Unternehmen wie Bally. 1990 übernahm Cosa Liebermann auch den in Schieflage geratenen deutschen Sportartikelhersteller Puma.

Angesichts des reichen Erfahrungsschatzes drängt sich die Frage auf, wie Cherubini die Lage in Asien heute einschätzt. Die «Old Asia Hand» ist mit Voraussagen zurückhaltend: «Ich habe in der Region viele Wechsel gesehen, die mich immer wieder von neuem überrascht haben. Aber ich denke, dass gerade die Chinesen dank ihrem Organisationstalent eine grosse Zukunft haben.» Davon konnte er sich 1958, als China für Ausländer noch weitgehend geschlossen war, in Kanton und Schanghai persönlich überzeugen. Doch nur wenige Jahre danach hätten die innenpolitischen Wirrungen der Kulturrevolution das Land dreissig Jahre zurückgeworfen, sinniert Cherubini.

Mit dem den Abend abschliessenden Kaffee kommt unweigerlich die Frage auf, ob er – wäre er denn heute nochmals 22 Jahre alt – wieder nach Asien gehen würde. «Ja, ganz klar», meint Cherubini. Jüngeren gibt er allerdings den Rat, ihr Glück nicht auf den breit ausgetretenen Pfaden Chinas oder Japans zu suchen, sondern in Frontier Markets wie Myanmar oder Bangladesch. «Ich würde dabei versuchen, ein bisher unbekanntes Produkt zu verkaufen.» Es ist ihm – dem eingefleischten Händler – anzusehen, dass er sich am liebsten nochmals in den Kampf stürzen würde.