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Kaffee mit…

Ausser Atem kommt Claudio Sedivy in der «Kleinen Freiheit» an. Mit dem Fahrrad ist er einmal quer durch Zürich gefahren, vom Büro seines Start-up Wildbiene + Partner im Kreis fünf bis zum Café, das zwischen Central und Uniquartier liegt. Wir setzen uns nach draussen, auf den Kiesplatz, der von Bäumen, Sträuchern und Blumenbeeten gesäumt ist. Eine Oase inmitten der Stadt.

Sedivy beginnt zu erzählen, von seiner Faszination für Wildbienen und wie es ihm gelungen ist, sie in ein Unternehmen einzubringen, das nach nur fünfeinhalb Jahren mit zwanzig Mitarbeitern in vier Ländern vertreten ist.

Begonnen hat alles mit den einheimischen Pflanzen, als Assistent der ETH-Botanikexkursionen kam er von den Blumen auf die Bienen. «Um im Feld Wildbienen zu finden, muss man zuerst die Pflanzen kennen», erklärt Sedivy. Und mit Bienen finden kennt er sich aus. Zuerst für die Master- und später für die Doktorarbeit war er im Iran, in Marokko, Israel und Griechenland unterwegs, um mehr über die Evolution der Blütenpräferenzen von Wildbienen herauszufinden.

Die Wildbienen sammeln die Pollen und den Nektar der Blüten und füttern damit ihre Nachkommen. Dabei bestäuben sie auch die jeweiligen Pflanzen und leisten so einen unverzichtbaren Beitrag zur Vermehrung von Pflanzen. Anders als die vom Menschen als Nutztier gezüchteten Honigbienen leben sie meist als Einzelgänger. Deshalb verteidigen sie auch ihr Nest nicht und stechen praktisch nie. In der Schweiz leben 600 Wildbienenarten, knapp die Hälfte davon ist vom Aussterben bedroht. Grund dafür ist das Schwinden des Lebensraums, es mangelt an Futterpflanzen und Nistplätzen.

Hier setzt Wildbiene + Partner an. Mit den sogenannten BeeHomes können Privatpersonen Bienen auf ihrem Balkon einen Nistplatz bieten. Die BeeHomes werden in Werkstätten für Menschen mit Behinderung in der Schweiz hergestellt. Ausserdem werden Wildblumensetzlinge verkauft, damit kann der Garten für Bienen attraktiver gestaltet werden. Der zweite Geschäftszweig ist die Partnerschaft mit Obstbauern. «Wir arbeiten mit über 300 Bauern zusammen und bieten ihnen einen nachhaltigen Bestäubungsservice», sagt Sedivy. Sie liefern Wildbienen, die bereits bei relativ tiefen Temperaturen fliegen, zu den Bauern, so können sie schon im März für die Bestäubung eingesetzt werden. «Es ist ideal, das Tier kann genutzt werden, verbreitet sich, und gleichzeitig schonen wir dabei die Umwelt.»

Das dritte Standbein ist die Grünraumgestaltung mit einheimischen Pflanzen, die für Insekten von Nutzen sind. Bereits fünfzehn Projekte wurden umgesetzt, alle davon in der Schweiz. Vor kurzem war Sedivy in Paris, um eine potenzielle Anlage in der französischen Hauptstadt zu besprechen. Er hofft, dass solche Wildbienenparadiese neben der Schweiz und Frankreich auch in Deutschland und Italien auf Nachfrage stossen.

«Wir wollen nicht auf Spenden angewiesen, sondern selbstragend sein», betont der 38-Jährige. Die zweite Investitionsrunde wurde diesen Winter erfolgreich abgeschlossen, zu den Geldgebern der ersten Stunde gehört auch Alfred Gantner, Mitgründer der Partners Group. «Hauptfokus ist jetzt die Konsolidierung, und mit dem prognostizierten moderaten Wachstum können wir eventuell schon dieses, hoffentlich aber nächstes Jahr schwarze Zahlen schreiben.»

Der renommierten technischen Hochschule ETH verdankt Sedivy viel, hier hat er nicht nur Biologie studiert und seine Doktorwürde erlangt, er konnte auch von einem Kurs zur Unternehmensgründung profitieren. Ein Terrain, auf dem für ihn vieles neu und unbekannt war. Das allererste Wildbienenhäuschen wurde ebenfalls in einer ETH-Werkstatt gebaut, und mittlerweile ist die Universität auch ein wichtiger Kunde des Unternehmens ihres ehemaligen Studenten.

So hat Wildbiene + Partner bereits das vierte Projekt für die ETH realisiert. Es liegt oberhalb der Tramhaltestelle Haldenegg, nur einen kurzen Spaziergang von der «Kleinen Freiheit» entfernt. Nachdem der Kaffee ausgetrunken ist, schlendern wir zu diesem 620 m2  grossen Paradies für Wildbienen, das auch für Menschen begehbar ist. Im Naturgarten finden sich einheimische Pflanzen und verschiedene Nistplätze für unterschiedliche Wildbienenarten – morsches Totholz, markhaltige Pflanzenstängel, leere Schneckenhäuser und lehmhaltiger Sand. «Es ist eine Begegnungszone, die Menschen sollen sehen, dass schon eine sonnige Trockenmauer, das Stehenlassen von totem Holz oder das Anpflanzen von Glockenblumen, Disteln, Hornklee und anderen einheimischen Pflanzen im Garten eine Lebensgrundlage für Wildbienen bieten kann», erklärt Sedivy.

Der Bienendokumentarfilm «More than Honey» kam ein halbes Jahr vor der Firmengründung in die Kinos. «Auch wenn es dabei um Honig- und nicht Wildbienen geht, hat der Film uns definitiv geholfen. Das Bewusstsein der Leute war geschärft, und wir waren zum richtigen Zeitpunkt bereit, mit unserer Idee loszulegen.» Anfangs hatten Sedivy und sein Mitgründer Tom Strobl noch Angst, dass das Interesse bald abflaut. «Aber nach sechs Jahren können wir mit Sicherheit sagen, dass das Interesse für Bienen glücklicherweise mehr als nur ein Hype ist», sagt Sedivy lachend.