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Kaffee mit…

Gründerjahre sind «Hungerjahre», sagt Andreas Ludwig. Zusammen mit zwei Partnern hob er 2002 Assentis aus der Taufe. Alle drei hatten EDV-Erfahrung, jeder mit einer bestimmten Spezialisierung, und sie erkannten eine Angebotslücke. Vereinfacht gesagt in der Dokumentenerstellung: Fortlaufend versenden Banken Kontoauszüge, Krankenkassen Abrechnungen, Versicherungen Policen usw. (ob nun auf Papier oder digital). Die Assentis-Pioniere hatten die Idee, die Erstellung dieser im Raster stets gleichen Dokumente inhaltlich flexibler zu machen, vom jeweiligen Backoffice näher an die Kundenbetreuer zu rücken, um so der «Front» mehr individuelle Gestaltungsmöglichkeiten zu verschaffen.

Ludwigs Kollegen schrieben Software für verschiedene dafür geeignete Komponenten, er selbst konzipierte, erkundete den Markt und bearbeitete potenzielle Kunden. Alle blieben sie beruflich als selbständige Berater tätig und lebten zudem von der persönlichen finanziellen Substanz. Vier, fünf Jahre lang wurde schier nur gearbeitet, «sieben Tage die Woche und keine Ferien», erinnert sich Andreas Ludwig beim Kaffee im «Stauffachertor» in Zürich. Das Risiko des Scheiterns war für die Assentis-Pioniere genauso hoch wie bei allen Jungunternehmen.

2004 gewann Assentis –  damals beschäftigte das kleine Unternehmen bereits eine Handvoll Angestellte – den ersten Kunden: eine österreichische Bausparversicherung, die Assentis übrigens bis heute treu geblieben ist. Natürlich wollten die Österreicher Referenzen sehen, natürlich hatte Assentis keine. Jedenfalls streng genommen – es brauchte «eine gewisse Schlitzohrigkeit», um dort den Fuss in die Tür zu kriegen, sagt Ludwig: Das Assentis-Produkt war damals «fast fertig»…

Heute präsidiert der Sechzigjährige den dreiköpfigen Verwaltungsrat eines etablierten mittelgrossen Unternehmens, dessen Umsatz zwischen 12 und 16 Mio. Fr. schwankt, das rund hundert Beschäftigte zählt und positiven Betriebsgewinn und Cashflow erwirtschaftet. Die in Rotkreuz ansässige Gesellschaft schüttet keine Dividende aus. Sie operiert seit jeher schuldenfrei (das Geschäftsmodell ist nicht investitionsintensiv); die Solidität der Bilanz, der Erfolgs- und der Mittelflussrechnung hat jedoch den Preis vergleichsweise verhaltenen Wachstums – stets ein Zielkonflikt, auch im Hause Assentis.

Immerhin ist der Kundenstamm unterdessen beachtlich. Assentis bedient etwa die beiden Schweizer sowie deutsche Grossbanken, deutsche Landesbanken, Versicherungskonzerne. Für seine Funktion im Unternehmen bezieht Ludwig – nichts; die zwei anderen Personen im Verwaltungsrat ebenso wenig, sie gehören der Geschäftsleitung an. Assentis beteiligt regelmässig Beschäftigte am Aktienkapital. Ab und zu kommt Käuferinteresse an der Gesellschaft auf, doch bisher hat sich nichts konkretisiert. Das Unternehmen ist zwar grundsätzlich offen für einen «Trade Sale», doch  nicht aktiv auf der Suche.

Im Verlauf der Jahre kam es zu verschiedenen personellen Rotationen; Ludwig ist der letzte Verbliebene der Gründergeneration. 2008 trat der gegenwärtige CEO ins Geschäft ein und erwarb ein bedeutendes Aktienpaket. Ludwig zählt nach wie vor zu den grösseren der rund zwanzig Assentis-Eigentümer, arbeitet jedoch wie eh und je selbständig als Berater für Softwareprojekte in Banken. Der promovierte Linguist, der ursprünglich aus Winterthur stammt, hatte nach dem Studium an der Universität Zürich zunächst mit einer akademischen Laufbahn geliebäugelt, was sich jedoch nicht annähernd verlässlich planen lässt. Schon mancher hat vergebens auf eine ordentliche Professur hingearbeitet – auch Hungerjahre.

Daher wechselte Ludwig in die Privatwirtschaft und arbeitete in den Neunzigerjahren an Spracherkennungsprogrammen, in einem Betrieb im Silicon Valley. Zurück in der Schweiz war er u. a. für Xerox tätig, wo er sich mit der Welt der digitalen Dokumentenerstellung vertraut machte. So wurde aus dem Akademiker, der sich in Studienjahren noch mit Dialektforschung in Graubünden befasst hatte, ein Unternehmer.

Die Assentis-Software wird hauptsächlich in Rotkreuz entwickelt. Die Kosten fallen also erheblich in Franken an, während etwa die Hälfte des Umsatzes in Euro erwirtschaftet wird. Das schlug 2015 auf die Rechnung, nachdem die Schweizerische Nationalbank die Bindung zu 1.20 Fr. aufgehoben hatte. Das Unternehmen schrieb damals Verlust. Unterdessen hat es sich auf die neuen Wechselkursverhältnisse eingestellt.

Die Auftragspipeline ist derzeit gut gefüllt, sagt Ludwig. Doch ganz zufrieden ist er nicht: Etwa seit zwei Jahren macht sich bei den Kunden eine gewisse Zurückhaltung bemerkbar. Viele sind unsicher, was die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft anbelangt, sie achten auf ihre Kosten, sie werden zögerlich. Für Assentis, auch präsent in Deutschland, Österreich, Singapur und in den USA, sind zwar nun sechs Verkäufer unterwegs, mehr denn je zuvor, und das wird sich bemerkbar machen, doch im Investitionsgütergeschäft kann das eine geraume Weile dauern.

Der Verwaltungsratspräsident denkt über eine Weiterentwicklung des Unternehmens nach: neue Märkte oder neue Produkte. Assentis «braucht jetzt einen Sprung», sagt Andreas Ludwig.