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Kaffee mit…

Das karge Gebäude mit den heruntergelassenen Jalousien mutet von aussen wenig einladend an. Es steht an einer zwielichtigen Seitenstrasse in San Franciscos SoMa-Distrikt, wo das Trottoir mit Abfall übersät ist und Obdachlose mit ihren Hunden herumlungern. Umso frappanter ist der Kontrast, als sich die massive Eisentür mit dem vergitterten Guckloch öffnet und dem Besucher würzige Kaffeearomen entgegenströmen.

Hier befindet sich die Basis von Aaron van der Groen, der rund um den Globus nach den hochwertigsten Kaffeesorten sucht. In der Branche wird sein Metier als Green Coffee Buyer bezeichnet. Das bedeutet, er kauft Kaffeebohnen direkt von Plantagen, wenn sie noch im Rohstadium sind. Sein Arbeitgeber ist Ritual Coffee Roasters. 2005 gegründet, gehört die exklusive Boutique zu einer hippen Gourmetszene, für die Kaffee eine Art Religion ist. Wie bei Spitzenweinen wird auf allen Stufen der Produktion nach dem Optimum gestrebt: von der Bodenbeschaffung und dem Klima einer Anbauregion über die Verarbeitung der Bohnen bis hin zum Aufbrühen und Servieren in der Kaffeebar.

«Für meinen Beruf bin ich rund ein Fünftel des Jahres unterwegs. Die Erntezeiten der verschiedenen Anbaugebiete diktieren meine Reiseagenda», sagt van der Groen, während er durch die Ritual-Rösterei an der 1050 Howard Street führt. Durch die Fenster im oberen Stock fällt das warme Licht der Nachmittagssonne, und aus dem Radio klingt weiche Soul-Musik. In der Mitte des Raums rattert eine Probat-Röstmaschine aus den Fünfzigerjahren, die mit einem Computer und zwei Monitoren zur präzisen Temperaturregelung aufgemotzt ist. Der Bau, in dem rund ein halbes Dutzend Leute arbeitet, erinnert an eine Garage mit aufgetürmten Kaffeesäcken im hinteren Teil.

Kaffee habe in San Francisco schon früher eine wichtige Rolle gespielt, erzählt van der Groen. Der Import und das Verarbeiten seien zeitweise sogar einer der grössten Wirtschaftszweige in der Bay Area gewesen. Bedeutende US-Kaffeemarken wie MJB, Folger und Hills Bros. haben ihren Ursprung denn auch in der Gegend. Auf diesem Erbe bauen heute Spezialitätenanbieter wie Ritual auf. Begonnen hat der Trend zu Premiumkaffee Anfang der Siebzigerjahre mit der ersten Starbucks-Filiale weiter nördlich in Seattle. Ende der Neunzigerjahre zündete Stumptown Coffee Roasters dann in Portland die nächste Phase der Geschmacksrevolution, die nun vor allem an der Pazifikküste Kaliforniens weiter vorangetrieben wird.

Dank dem Boom im IT-Sektor kann die Branche in der Bay Area auf eine Kundschaft mit reichlich Geld für kulinarische Extravaganzen zählen. Gemäss dem «San Francisco Chronicle» haben seit 2010 annähernd zwanzig Kleinröstereien in der glitzernden Tech-Metropole den Betrieb aufgenommen, wobei Unternehmen wie Ritual, Blue Bottle, Four Barrel Coffee und Sightglass Coffee eine Vorreiterrolle spielten. Auf den Geschmack gekommen sind mittlerweile auch Nahrungsmittelriesen wie Nestlé. So hat der Schweizer Konzern letztes Jahr für geschätzte 500 Mio. $ einen Mehrheitsanteil von knapp 70% an Blue Bottle erworben.

Rund 10 000 Pfund Kaffee werden in der Ritual-Rösterei pro Woche verarbeitet und abgepackt. Für ein Pfund zahlt van der Groen im Einkauf bis zu 20 $, wogegen herkömmliche Sorten für das Massengeschäft zu rund 1.20 $ handeln. Fündig wird er vorab in hoch gelegenen Anbauregionen Zentral- und Südamerikas sowie Afrikas. «Kaffeesträucher sind sehr sensible Pflanzen», meint er dazu. Entscheidend für hochwertige Bohnen seien mitunter relativ kühle Temperaturen und leichter Wind, sodass es keinen Pilzbefall gebe. Er kauft Kaffee aber nicht einfach aus einer bestimmten Region, sondern sucht sich einzelne Parzellen einer spezifischen Plantage aus, wobei es ihm sogar auf den Erntetag ankommt.

Zu den Favoriten des 36-Jährigen zählt momentan eine Sorte, die er auf einer kleinen Pflanzung unweit von Santa María de Dota in Costa Rica entdeckt hat. Ein Ehepaar hat sich dort auf den biologischen Anbau des edlen Geisha-Kaffees spezialisiert, der ursprünglich aus Äthiopien stammt. Für eine Kostprobe wägt er zuerst eine Portion exakt ab, mahlt die Bohnen und erhitzt Wasser unter der Kontrolle eines Thermometers auf gut 93 Grad. Dieses giesst er dann aus einer Metallkanne in langsamen Kreisbewegungen sorgfältig über die Mischung im vorgespülten Papierfilter, worauf er das dunkle Luxusgebräu in einer schlichten Porzellanschale serviert. Weder Zucker noch Rahm dürfen das komplexe Bouquet mit Geschmacksnoten von Jasmin, Litschi und tropischen Früchten stören.

Dass er seinen Lebensunterhalt mit Kaffee verdient, hat der gebürtige Kalifornier nicht geplant. Nach dem Abschluss eines Ökologiestudiums visierte er einen Beruf als Meeresbiologe an. Das stellte sich aber als enorm schwierig heraus, weshalb er vorübergehend einen Job in der Kaffeebar von Ritual annahm. Später wechselte er in die Rösterei, wo ihn der Herstellungsprozess von Kaffee immer mehr faszinierte und er seinen Geschmackssinn verfeinerte. «Bevor ich die Stelle als Green Coffee Buyer antrat, kannte ich die besten Produzenten deshalb bereits vom Degustieren», sagt van der Groen. «Als ich sie dann vor Ort besuchen konnte, fühlte ich mich wie ein Fan, der seine Helden trifft.»