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Jetzt reden wir über sinkende EZB-Zinsen

Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat auf seiner Sitzung am Donnerstag seine Zinsleitlinie (Forward Guidance) nochmals verschoben: Der frühestmögliche Zeitpunkt für eine erste Zinsänderung liegt jetzt in der Mitte des nächsten Jahres, zuvor war der Rat noch von Anfang 2020 ausgegangen. Bereits im März hatten die Währungshüter den Ausblick für eine Zinserhöhung um drei Monate nach hinten verlegt. Nach ihrer Aussage ist die Forward Guidance derzeit das wichtigste Instrument der EZB-Geldpolitik, solange nicht wirklich die Zinsen verändert werden oder der Anleihenbestand erhöht wird.

Für die Schweiz bedeutet das unmittelbar, dass hier die Zinswende noch weiter in die Ferne rückt. Denn die Schweizerische Nationalbank (SNB) muss bei ihren Entscheidungen beachten, dass der Franken sich nicht zu stark aufwertet. Auf der anderen Seite heisst die Entscheidung diesmal auch: EZB-Chef Mario Draghi und seine Kollegen im Rat schliessen vorerst eine nochmalige Senkung der Leitzinsen bis Mitte 2020 aus. Dies ist deswegen wichtig, weil Anleger zuletzt verstärkt auf eine Zinssenkung in den nächsten zwölf Monaten gewettet hatten, wie Terminkontrakte zeigen.

Sinkende Aktienkurse, erstarkter Euro

Und nicht nur das: Draghi führte nach der Sitzung aus, dass einige EZB-Ratsmitglieder Zinssenkungen oder die Wiederaufnahme der Anleihenzukäufe ins Spiel gebracht hätten. Der EZB-Chef sagte, dass sich die Finanzierungsbedingungen zuletzt verschlechtert hätten, nachdem die Aktienkurse gesunken seien und der Euro sich aufgewertet habe. Der wichtigste Leitzins der EZB ist derzeit der Satz, den Geschäftsbanken für Einlagen bei der Notenbank bezahlen müssen – er liegt bei –0,4%. Daran orientieren sich die Zinsen am Geldmarkt des Währungsraums.

Hintergrund für die Diskussionen im EZB-Rat ist die wachsende Verunsicherung in der Wirtschaft durch den Handelskrieg zwischen den USA und China sowie anderen Ländern. Zudem rutscht noch immer die Industrie in der grössten Volkswirtschaft Deutschland tiefer in die Krise, die neuesten Aufträge vom April brachten noch nicht die Wende, wie am Donnerstagmorgen bekannt wurde. Damit wächst die Gefahr, dass die Industrieunternehmen schon bald auch die Dienstleister und die Baufirmen mit nach unten in eine Rezession reissen.

 Ärgernis für Sparer – aber das kleinere Übel

Für viele Sparer im Euroraum und in der Schweiz sind das keine guten Nachrichten. Denn wann die Zinsen jemals wieder steigen sollten, ist heute noch viel unklarer als noch Anfang des Jahres. Wer nun aber verärgert auf die Notenbanker der EZB schaut, sollte auch anerkennen, dass die Marktteilnehmer mit ihren Erwartungen der Euronotenbank extrem davongeeilt sind: Die erste Zinserhöhung ist derzeit für Mitte 2022 eingepreist. Um seine Glaubwürdigkeit zu behalten, kann der EZB-Rat dies nicht ganz ignorieren – auch wenn er den Anschein wahren muss, nicht von den Märkten getrieben zu sein.

Natürlich kann jeder anzweifeln, ob und wie stark die Instrumente der EZB dem Währungsraum überhaupt helfen. Immerhin reden wir noch nicht von neuen Deflationsrisiken in der Eurozone, wie Draghi ausführte. Klar ist auch: Die nochmalige Verschiebung der Zinsleitlinie, die neuen langfristigen Geldleihgeschäfte (bei denen Banken Liquidität für –0,3%, also geschenkt, bekommen können) und die Diskussion über weitere Schritte schaden dem Währungsraum im aktuellen Umfeld nicht – ganz im Gegenteil. Und das scheint derzeit das Wichtigste. Denn noch immer leidet Euroland unter der selbstverschuldeten Eurokrise mit ihren unnötigen Ausgabenkürzungen in vielen Ländern, die nur Arbeitslosigkeit und Schuldenstände in die Höhe getrieben haben.