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Jahresendspezial 2018 – Die Städte Europas: Aachen

Der aus Marmorplatten gefertigte Königsthron in der Aachener Pfalzkapelle. Ob Karl der Grosse darauf gesessen hat, ist ungewiss.

Aachen liegt nahe an der germanisch-romanischen Sprachgrenze. Maastricht auch, ebenso Luxemburg, Strassburg wechselte sprachlich hin und her, Brüssel ist eine weitgehend frankophone Sprachinsel in niederländischem Umfeld. Aachen hat es nicht zum Sitz von EU-Behörden geschafft, im Gegensatz zu Brüssel, Luxemburg und Strassburg; der Vertrag über die Währungsunion ist nach Maastricht benannt. Dabei ist Aachen fast so etwas wie das Rom des Nordens. Wenigstens schwebte das einst Kaiser Karl dem Grossen vor: eine Roma secunda.

Der Frankenherrscher Karl liess sich an Weihnachten des Jahres 800 in Rom vom Papst zum Kaiser krönen. Damit erneuerte er das 300 Jahre zuvor untergegangene (west-)römische Kaisertum und übertrug es auf die fränkische Dynastie der Karolinger – «Translatio imperii» wird das genannt.

Karl, Charlemagne, den Franzosen wie Deutsche als einen der Ihren ansehen, war primär katholischer Christ und auf Expansion und Mission bedachter Machtmensch. Heiden behandelte er überaus unchristlich, besonders in den langen, mörderischen Feldzügen gegen die Sachsen (ungefähr auf dem heutigen Gebiet Niedersachsens). Die Kriegsgurgel Karl hielt sich ab 794/95 regelmässig und ab 800 nahezu dauerhaft in seiner fortwährend im Bau befindlichen Aachener Königspfalz auf. Zuvor war er, wie alle Frankenfürsten, mit seinem Tross nomadisiert. Gebaut wurde jeweils am Bischofssitz oder im Kloster, dem er sein Kommen ankündigte – oder androhte: Der König und seine Entourage frassen buchstäblich das jeweilige Umland leer, bevor sie weiterzogen. Um in einer festen Hauptstadt einen Beamtenapparat durchzufüttern, gab die primitive Landwirtschaft des Frankenreichs nicht genug her.

Ansatzweise versuchte Karl es dennoch, an verkehrstechnisch denkbar ungünstiger Stelle des ohnehin unwegsamen Reichs – was ihm behagte, waren die Thermalquellen, in denen sich schon römische Legionäre erholt hatten. Er liess sich eine Basilika erbauen (nach dem Vorbild von San Vitale in Ravenna, wo die weströmischen Kaiser im 5. Jahrhundert residiert hatten), dazu eine Königshalle, plus Wirtschafts- und Wohngebäude. Daraus erwuchs keine politische und spirituelle Metropole vom Rang Roms oder Konstantinopels – Karls Wunschvorstellungen überstiegen die wirtschaftlichen Ressourcen seines Reichs –, doch immerhin wurden später die römisch-deutschen Könige in Aachen gekrönt.

Nach seinem Tod 814 verlor Aachen rasch an Glanz. Karl hinterliess ein Reich, dessen (wenngleich nicht im modernen Sinn klar umgrenztes) Territorium sich annähernd mit demjenigen der ursprünglichen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft von 1957 deckte: Frankreich, Benelux, Westdeutschland, Italien (ohne den Süden) – plus das Gebiet der heutigen Schweiz und Österreichs.

Zeitgenossen huldigten Karl dem Grossen bereits als «Pater Europae». Heutige Historiker beurteilen das eher kritisch. Dennoch wird in Aachen jedes Jahr der Karlspreis verliehen, an Persönlichkeiten, die sich um Europa verdient gemacht haben.