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Ist Glencore Xstrata too big to fail?

Wenn Rohstofflieferungen als Waffe eingesetzt würden, wie würde dies den Sektor treffen? Könnten Handelshäuser in Schieflage geraten? Hätten Rohstoffhändler, die gross und weltweit vernetzt sind, gar systemische Relevanz, könnten sie also auch im Finanzsektor Verwerfungen auslösen?

Solche Fragen sind nicht nur Hirngespinste von Untergangspropheten. Die Handelsvolumen im Rohstoffsektor sind in den vergangenen Jahren gestiegen. Auch haben sich immer grössere und integrierte Konzerne herausgebildet. Die in Baar domizilierte Glencore Xstrata weist etwa eine Bilanzsumme von 154 Mrd. $ auf (per Ende 2013). Im Kupfer- und Zinkmarkt hält die Gruppe einen Marktanteil von über 50%.

Der Deputy Governor der Bank of Canada, Timothy Lane, brachte das Thema too big to fail im September 2012 auf. Die Rohwarenhändler arbeiteten in einem globalen Umfeld, in dem Zinsen lange tief bleiben würden, sagte Lane, und das gehe mit dem Aufbau von Risiken einher.

Keine Systemrelevanz für das Financial Stability Board

Das Financial Stability Board in Basel hat sich seither mit der Frage beschäftigt, unter anderem auch, weil Rohwarenhändler im Schattenbankensektor aktiv sind, etwa in Leihgeschäften und in Verbriefungen. Bekannt sind etwa Vorfinanzierungen. So hat der russische Ölproduzent Rosneft mit Vitol und Glencore Xstrata eine Kreditzusage über 10 Mrd. $ abgeschlossen und dafür im Gegenzug die Lieferung von Öl versprochen . Die USA haben Ende April den Chef von Rosneft, Igor Setschin, mit Sanktionen belegt.

Am 8. Januar gab das Financial Stability Board die vorgeschlagenen Assessment-Methoden für systemisch relevante Nicht-Bank- und Nicht-Versicherungsunternehmen bekannt. Aus dem Vorschlag lässt sich schliessen, dass Rohstoffhändler nicht als systemrelevant betrachtet werden .

Das Beispiel Trafigura

Der US-Finanzprofessor Craig Pirrong, der auch an der Uni Genf Kurse für Rohstoffhandel und Finanzierung gibt, hat in einem für das Handelshaus Trafigura erstellen Whitepaper ebenfalls keine Systemrelevanz ausgemacht. In seinem Blog «Streetwise Professor» nimmt der mit pointierten Thesen argumentierende Kenner der Rohstoffbranche kein Blatt vor den Mund . Grösse sieht Pirrong nicht per se als problematisch an: Risiken liessen sich durch Diversifikation und Integration entlang der Wertschöpfungskette mindern, was auch auf Häuser wie Glencore Xstrata gemünzt ist.

Nicht einmal entfernt würden Rohstoffhändler mit Banken vergleichbare systemische Risiken aufweisen, so Pirrong. Sie seien

  • nicht so gross,

  • hätten keine anfälligen Bilanzen (keine Fristentransformation),

  • würden keine Kredite vergleichbar mit Banken vergeben,

  • seien wenig konzentriert,

  • die Vermögenswerte, die sie hielten, seien verkaufbar,

  • und sie seien in wirtschaftlichem Abschwung weniger anfällig.

Auch die Gegenparteirisiken seien begrenzt. Seit der Gründung 1993 habe Trafigura nur zehn endgültige Kreditverluste erlitten, so Pirrong. Die durchschnittliche Leverage Ratio der beobachteten Rohstoffhandelshäuser liege um 4 und damit tiefer als bei Banken (um 10).

Dass Pleiten von Rohstoffhändlern keinen Marktkollaps mit sich gebracht haben, zeigt ein Blick in die Geschichte: Der einst etwa fünftgrösste Getreidehändler der Welt, die Lausanner André & Cie (rund 1400 Mitarbeiter), wurde 2001 pleite, weil ein Händler einer Partnerfirma sich verspekuliert hatte. Die Auswirkungen auf den Getreidemarkt waren gering. Auch der Kollaps des Energieriesen Enron hatte auf dem internationalen Strom- und Gasmarkt keine signifikanten Folgen.

Nicht too big to fail, sondern too physical to fail?

Doch unbestritten ist die Auffassung nicht, Vitol, Trafigura und Co. seien nicht systemrelevant. Diego Valiante vom Center for European Studies (CEPS) meint, durch die Integration von Rohwarenbeschaffung, Verarbeitung und Handel würden sich die Grenzen zwischen Händler und Rohstoffunternehmen immer mehr verwischen . Es gebe damit eine Too-physical-to-fail-Problematik. Auch Valiante meint aber, die Liquidierungsrisiken seien nicht mit denen von Banken vergleichbar. Die wachsende Verbindung zwischen Finanz- und Nichtfinanz-Vermögenswerten und zwischen regionalen physischen Märkten habe die Reaktion auf mögliche Marktschocks aber vergrössert, so Valiante.

Es wird spannend sein, welche Auswirkungen eine mögliche Eskalation der Spannungen zwischen den USA, der EU und Russland auf die Rohstoffmärkte und die beteiligten Akteure haben könnte. Daraus lassen sich auch Rückschlüsse auf die Systemrelevanz ziehen.