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«Investieren ist wie Tennis»

Howard Marks: «Ich lernte, auch wenn man in qualitativ hochwertige Anlagen investiert, kann man viel Geld verlieren.»

Ich startete meine Karriere in der Investmentbranche vor über 46 Jahren. Zuerst arbeitete ich ab 1968 für den Research-Bereich von Citigroup, wo ich schliesslich zum Chef der Abteilung aufstieg. Die Bank verfolgte den «Nifty-Fifty»-Ansatz. Er beruhte darauf, auf Aktien der besten und am schnellsten wachsenden US-Konzerne zu setzen. Dazu zählten Unternehmen wie IBM, Kodak, Merck, Texas Instruments und Coca-Cola. Wer sich 1968 in solchen Titeln engagierte, hatte bis 1973 jedoch eine Menge Geld verloren. Daraus lernte ich meine erste grosse Lektion: Auch wenn man in qualitativ hochwertige Anlagen investiert, kann man viel verlieren.

Im Jahr 1987 wechselte ich in die Vermögensverwaltung. Ich erhielt den Auftrag, einen Fonds mit hochverzinslichen Anleihen aufzusetzen; Papiere, die auch Junk Bonds oder High Yield Bonds genannt werden. Nun investierte ich in einige der schlechtesten Unternehmen Amerikas – und der Fonds machte eine Menge Geld. Das zeigte mir nicht nur, dass Anlagen von höchster Qualität noch lange keinen Gewinn garantieren, sondern auch, dass Engagements im qualitativ tiefen Marktsegment nicht zwingend einen Verlust bedeuten. Daraus zog ich meine zweite wichtige Lehre: Erfolg beim Investieren hat nicht damit zu tun, was man kauft, sondern mit dem Preis, den man dafür zahlt.

Während meines Lernprozesses im Geschäft mit Junk Bonds hatte ich ein ausschlaggebendes Treffen mit Michael Milken. Er erklärte mir, dass sich Qualitätstitel mit einem AAA-Rating nur noch in eine Richtung entwickeln können: abwärts. Gerade umgekehrt sei es im Fall von Ramschanleihen mit einem B-Rating. Falls ein Unternehmen mit einem B-Rating überlebe, könne der Wert seiner Anleihen nur steigen, sagte Milken. Diese Lektion war subtil, aber von enormer Bedeutung. Entscheidend sind dabei die Worte «falls das Unternehmen überlebt». Das Hauptziel im Markt für Junk Bonds ist also nicht, Gesellschaften zu finden, die ihre Bilanz erfolgreich sanieren oder übernommen werden. Am wichtigsten ist es, Unternehmen aus dem Portfolio auszuschliessen, die in Konkurs gehen.

Daraus leitet sich unser Grundmotto bei Oaktree Capital ab: Wenn wir «Verlierer» vermeiden, dann bringen uns die «Gewinner» von allein den Erfolg. Gelingt es uns, ein Portfolio mit Unternehmen zusammenzustellen, die ihre Zinsen und Schulden vereinbarungsgemäss zahlen, dann ist uns ein gutes Ergebnis auf sicher. Im Prinzip ist das wie bei einem Tennismatch zwischen zwei Amateuren. Anders als bei den Profis geht es nicht darum, voll auf Angriff zu spielen und mit jedem Ball zu punkten. Um zu gewinnen, genügt es bereits, den Ball im Spiel zu halten und zu warten, bis der Gegner den Fehler macht. Auf die Finanzwelt übertragen gehört der Sieg damit den Investoren, die Fehler vermeiden.

Trotz dieser Erkenntnis gab ich mein Ziel aber nicht auf, eine überdurchschnittliche Performance zu erzielen. Grundsätzlich glaube ich, dass Märkte recht effizient sind. Meine praktische Erfahrung in eher obskuren Nischen wie High Yield Bonds lehrte mich aber, dass das nicht immer der Fall ist. Ich war deshalb überzeugt, dass man Schnäppchen finden und risikoadjustiert eine überragende Rendite erzielen kann. Der Schlüssel dazu liegt nicht darin, zuverlässig die grossen Erfolgsgeschichten zu entdecken. Ausschlaggebend ist, in unterbewertete Anlagen zu investieren, sich an soliden Resultaten zu freuen sowie  grössere Fehler zu vermeiden. Denn diese ruinieren den langfristigen Leistungsausweis.

Einen weiteren entscheidenden Input gab mir der Ökonom John Kenneth Galbraith. In seinem Buch «Finanzgenies: Eine kurze Geschichte der Spekulation» schrieb er schlicht und einfach:  «Es gibt zwei Arten von Prognostikern: Die, die es nicht wissen und die, die nicht wissen, dass sie es nicht wissen.» Galbraith, der zu meinen Vorbildern zählt, meinte damit, dass es in der Wirtschaft keine zuverlässigen Prognosen gibt – weder zur Konjunktur, noch zu den Zinsen oder den Finanzmärkten. Galbraith bestätigte somit meine Erfahrung, dass Prognosen und Prognostiker fehlbar sind. Seither gehört es zu den Grundprinzipien meiner Investmentphilosophie, mich nicht auf makroökonomische Vorhersagen zu verlassen.

Das hat nicht damit zu tun, dass Prognosen nie stimmen. Aus makroökonomischer Sicht sieht die Zukunft meist recht ähnlich aus wie die Vergangenheit. In diesem Fall sind Hochrechnungen auf Basis der Gegenwart erfolgreich und grob vereinfachte Prognosen meist korrekt. Wenn man aber immer nur annimmt, alles gehe gleich weiter wie bisher, ist das selten profitabel. Umso wertvoller wäre eine Prognose, die korrekt vorhersagt, wenn der Markt auf drastische Art die Richtung wechselt. So etwas auf kontinuierlicher Basis vorauszusehen ist aber unglaublich schwierig. Wenn der Markt dreht, sagt das zwar üblicherweise jemand korrekt voraus. Niemand hat aber immer recht. Vereinzelte «Treffer» beweisen also nicht, dass man Prognosen konsequent erfolgreich aufstellen kann.

Den jüngsten Denkanstoss hat mir ein weiteres Schlüsselbuch gegeben: «Narren des Zufalls: Die unterschätzte Rolle des Zufalls in unserem Leben», von Nassim Nicholas Taleb. Er verdeutlicht darin, dass sich die Zukunft immer aus einer Verteilung von Wahrscheinlichkeiten zusammensetzt. Selbst wenn man also weiss, was am wahrscheinlichsten passieren wird, können stattdessen auch viele andere Dinge geschehen. Das bedeutet, es sind immer Risiken im Spiel. Elroy Dimson, ein Professor an der London Business School, beschreibt es treffend: «Risiko heisst, dass mehr Dinge geschehen können, als am Schluss passieren werden.»