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Insurtech: die Antwort auf den digitalen Wandel der Versicherer

Eine Frau schnürt ihre Turnschuhe, daneben ein Smartphone mit der App eines Versicherers, die Schritte und Bewegungsdaten sammelt. Das soll Benutzer zum Aktivsein motivieren.

Die ganze Versicherungswelt spricht von der Digitalisierung – von Insurtech. Darüber, wie Innovationen und Technologisierung eine ganze Branche verändern werden. Der Versicherungsbroker verliert an Bedeutung, ganze Berufszweige verschwinden.

Es stellt sich aber die Frage, ob der Blick nicht womöglich auf das falsche Ende der Entwicklung gerichtet ist. Ist Innovation tatsächlich der Motor für Veränderungen? Oder sind es die Veränderungen, die zur Innovation treiben?

Die Feststellung ist sicher richtig, dass viele Versicherungsunternehmen technologische Entwicklungen zu lange vor sich hergeschoben haben. Doch noch verheerender ist, dass nun, da die Aufholjagd begonnen hat, Digitalisierung häufig mit Technologisierung gleichgesetzt wird, während man den kulturellen Wandel weiterhin zu verschlafen scheint.

Eine neue Generation von Kunden

Für Vor- und Nachkriegsgenerationen, auch in der Schweiz, lag die die höchste Priorität auf Absicherung. Dieser Wunsch nach Sicherheit wurde in hochkomplexe Versicherungsprodukte übersetzt, die den Kunden in die Abhängigkeit des Vertriebs gestellt haben.

Dadurch war nicht der Kunde König, sondern der Anbieter. Die gesamte Versicherungswirtschaft baute auf diesem Top-Down-Prinzip auf und Versicherungsunternehmen konnten die Wertschöpfungskette von A bis Z dominieren.

Doch heutige Kunden unterscheiden sich plötzlich von denen vorangegangener Generationen. Jüngere Generationen wie ich selbst sind aufgewachsen in einer Welt, in der Grenzen fielen und Chancen sich auftaten. Veränderung nehmen wir nicht mehr allein als Bedrohung wahr, sondern auch als Chance. An die Unsicherheiten unserer Zeit haben wir uns gewöhnt.

Viele von uns werden womöglich nicht ihr ganzes Berufsleben in ein und derselben Firma verbringen, auch werden die wenigsten von uns einen Partner haben «bis dass der Tod uns scheidet». Wir wechseln Jobs, Wohnort, Partner und sogar Länder. Wir nennen dies nicht mehr Unbeständigkeit, sondern Freiheit. Und Freiheit ist zu einer der höchsten Prioritäten geworden. Für Versicherer ist dies offensichtlich keine gute Nachricht.

Komplexität hat Versicherer einst geschützt, jetzt wird dies zur Schwachstelle

Hochkomplexe Versicherungsprodukte verlieren da an Attraktivität. Hinzu kommt, dass Versicherer selbst von den Unsicherheiten der Zeit erfasst werden und der Kunde sich heute bereits fragt, ob das Unternehmen wirklich alle Versprechen wird halten können.

Die sich ausbreitende Spezies der sogenannten «digital Natives», die Eingeborenen des Online-Zeitalters, sucht nach transparenten Lösungen – simpel und schnell. Sie wollen nicht von Versicherungsvertretern abhängig sein, sondern selbst ans Ruder. Moderne Produkte und Kanäle müssen intuitiv bis hin zu vollautomatisch sein.

Wenn Kunden solche Angebote nicht offeriert bekommen, sind sie heute auch bereit auf die eine oder andere Police zu verzichten. Oder es werden Lösungen auf eigene Faust entwickelt. Nicht selten entstehen Start-ups aus einer solchen Motivation heraus.

Während andere Branchen deutlich schneller auf die sich andeutenden Veränderungen reagierten, fühlte sich die Versicherungsindustrie lange Zeit unantastbar im eigenen Elfenbeinturm. Taxiunternehmen, Reise, Handel, alles lässt sich digitalisieren, aber doch nicht Versicherungen. Viel zu anspruchsvoll, viel zu komplex, kein Aussenstehender würde sich da ran wagen.

Heute wird mehrfach das Gegenteil bewiesen. Tech-versierte «digital Natives», die nichts wissen und wissen wollen von den verworrenen Strukturen des Versicherungswesens und der Vertracktheit von Versicherungsprodukten befinden sich in bester Position, das ganze System auf den Kopf zu stellen.

Denn ja, es geht auch anders. Top-down-Strukturen erfahren nun die Auswirkungen der Bottom-up-Revolution. Die Kundenperspektive, die des Users, wird wichtig. Und gerade solche Innovatoren, die von aussen kommen, die nicht innerhalb dieser Strukturen geformt wurden, scheuen sich nicht davor, radikal zu vereinfachen.

Digital ist nicht modern, digital ist Mindeststandard

Versicherungsunternehmen sind die schweren Schlachtschiffe auf dem Markt. Viel zu gross und mächtig, um erfolgreich attackiert zu werden. Allerdings sind sie auch schwerfällig und können ihren Kurs nicht so leicht korrigieren. Heutzutage ist die technologische Entwicklung so schnell und das auf so vielen Feldern gleichzeitig, dass kleine agile Einheiten, die grossen Kreuzer schneller ausmanövrieren können.

Die Kunden sind es aus anderen Branchen – wie Reisen, Handel und selbst dem Bankwesen – inzwischen gewohnt, dass digitale und intuitive Lösungen angeboten werden. Digitale Angebote sind kein USP, digital ist heute Alltag. Jeder Kleinunternehmer braucht heute eine Website. Arzttermine werden online gebucht, Autos in Webbörsen gekauft, die Stereoanlage zuhause per App gesteuert.

Versicherungen bauen auf der Lebenswelt der Menschen auf und diese Welt ist heute digital. Insurtech-Lösungen sind daher kein Treiber von Wandel, sie sind die Antwort auf den Wandel.

Versicherer müssen lernen zu fokussieren und loszulassen 

Wenn Versicherer diesen kulturellen Wandel nicht anerkennen, werden sie ersetzt. Dies geschieht nicht von heute auf morgen. Versicherungskunden sind träge, auch die jüngeren. Aber der Nachwuchs wird sich auf herkömmliche Art und Weise nicht gewinnen lassen. Die Frage lautet also nicht ob, sondern wann.

Versicherungsunternehmen haben aber auch Stärken und auf diese gilt es sich zu fokussieren. Anstatt weiterhin zu versuchen, an der Kontrolle der gesamten Wertschöpfungskette festzuhalten, sollten sie lernen das loszulassen, was andere womöglich besser können und Start-ups als Partner auf dem Weg ins digitale Zeitalter erkennen.

Versicherungen selbst verfügen meist über starke Marken, ein Wert der nicht zu unterschätzen ist. Selbst zum Versicherer zu werden, würde Start-ups enorme Anstrengungen und Investitionen abverlangen. Insurtechs picken sich daher gezielte Stücke der Wertschöpfungskette raus. Eine neue digitale Wertschöpfungskette bietet Chancen und Platz für neue und alte Player. Und smarte Versicherer können gemeinsam mit innovativen Start-ups eine neue Branche formen.

Digitale DNA: Tech ist nur Mittel zum Zweck

Diese gemeinsame neue Branche wird wieder neue Möglichkeiten eröffnen. Während Versicherungen  traditionell eher ein regionales Geschäft sind, sind die Märkte für Tech-Lösungen global. Zusätzlich sind die neuen Kunden der digital Natives auch deutlich kosmopolitischer als frühere Generationen.

Kunden heutzutage haben ihr Leben in der Cloud und nehmen es überall hin mit. Die neue Versicherungsbranche wird daher nicht nur eine digitale, sondern auch eine globale sein.

Tech-Lösungen sind stets nur Mittel zum Zweck. Wer mithalten will, muss die Kultur dahinter verstehen und selbst leben und in die Unternehmens-DNA einfliessen lassen.