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Indien und China im Gigantenduell

Von der Antike bis weit ins 18. Jahrhundert hinein waren Indien und China für ihren sagenhaften Reichtum bekannt. Dann versanken sie ungefähr zur selben Zeit in der Dekadenz. Indien wurde 1858 zur britischen Kronkolonie, und China musste die Schmach der Niederlage in den beiden Opiumkriegen von 1840 und 1860 einstecken. Heute, da die Weltwirtschaft ins asiatische Zeitalter eingetreten ist, spielen die beiden Milliardenländer erneut eine Schlüsselrolle.

Während der vergangenen zwei Jahrhunderte kam es jedes Mal, wenn eine neue Grossmacht ihren «Platz an der Sonne» einforderte, zu grossen Kriegen. Dies war bei Napoleon der Fall, ebenso beim japanischen Imperialismus. Entscheidend für den Verlauf des 21. Jahrhunderts wird sein, ob Chinas Wiederaufstieg zum asiatischen Hegemonen friedlich vonstattengeht.

Im Vordergrund des Interesses steht heute die amerikanisch-chinesische Rivalität. Besonders seit Donald Trumps Einzug ins Weisse Haus sind viele Asiaten der Meinung, dass die Ablösung der USA als Weltmacht Nummer eins durch China nur noch eine Frage der Zeit sei. Viele Sicherheitspolitiker – von Indien bis Vietnam, von Japan bis Australien – betrachten diese Aussicht mit grosser Sorge.

Bei Vergleichen mit den USA pflegen chinesische Experten auf das Missverhältnis bei den Landesgrenzen zu verweisen. Während Washington mit Mexiko und Kanada nur zwei Nachbarn hat, muss sich Peking mit nicht weniger als vierzehn herumschlagen. Hinzu kommen Inselstreitereien mit insgesamt sieben Ländern.

Indischer Ozean im Blickfeld

In jüngster Zeit sorgt vor allem Pekings Expansion im Südchinesischen Meer für Schlagzeilen. Durch dieses Meer führen wichtige internationale Handelsrouten. Militärisch sind allein die USA in der Lage, dem chinesischen Streben nach einem «Mare Nostrum», einem faktischen Binnenmeer, Einhalt zu gebieten. Inzwischen ist aber auch der Indische Ozean in den Fokus geraten. In diesem für den Welthandel ebenfalls sehr wichtigen Gewässer kommen die Chinesen mit ihrer Strategie einer «Perlenkette» von Stützpunkten und Landerechten nicht nur den Amerikanern ins Gehege, sondern auch den Indern.

Blickt man auf die Wirtschaftsstärke, so scheint das Wettrennen zwischen Indien und China gelaufen. Im kaufkraftbereinigten Bruttoinlandprodukt sieht der Internationale Währungsfonds IWF Ende des laufenden Jahres China mit 23 Bio. $ deutlich vor Indien mit 9,5 Bio. $. Es ist damit zu rechnen, dass sich wegen Indiens anhaltend stärkerem Wachstum und der gesünderen Bevölkerungspyramide der Abstand zugunsten der Inder vermindern wird. Auch liegen die Standortvorteile der beiden Giganten anders, mit Indiens Schwergewicht auf Dienstleistungen und Informatik.

Im Grunde genommen würden die unterschiedlichen Stärken die beiden Volkswirtschaften komplementär machen und damit auf beiden Seiten das Interesse an einem einvernehmlichen nachbarschaftlichen Verhältnis untermauern. Ohne Zweifel ist ein friedlicher indisch-chinesischer Standortwettbewerb auch für die Weltwirtschaft von Vorteil, da sich daraus nicht nur wertvolle Synergien, sondern auch Kostenvorteile ergeben können.

Wie schon der Name zeigt, ist Indochina die Region, wo sich seit Urzeiten die beiden Hochkulturen China und Indien begegnen. In Südostasien gibt es starke, wirtschaftlich erfolgreiche Überseegemeinschaften chinesischer wie indischer Herkunft. Während der Spätzeit der britischen Kolonialherrschaft verlagerte sich der Schwerpunkt der indischen Industrie und damit auch des Handels an die Westküste des Subkontinents, besonders in die Grossregion Mumbai. Dies hatte auch zur Folge, dass die Westorientierung in Richtung Nahost und Europa, namentlich Grossbritannien, gestärkt wurde, während der Austausch mit Südostasien vernachlässigt wurde. Erst seit dem machtvollen Wiederaufstieg Chinas, der seine langen Schatten auf Südostasien wirft, zeigt Indien verstärkt Interesse an diesem Teil der Welt, besonders an Indonesien und Vietnam, wo sich schon vor mehreren Jahrhunderten eine namhafte Hindupräsenz etabliert hat.

Während des Kalten Krieges war der Nordatlantik das umstrittenste Weltmeer. Im asiatischen Jahrhundert fällt diese Rolle dem Pazifik und dem Indischen Ozean zu. Im frühen 15. Jahrhundert verfügte China über eine gewaltige Seemacht, gab sie aus eigenen Stücken nach kurzer Zeit auf und konzentrierte sich bis gegen das Ende des 20. Jahrhunderts auf seine Landstreitmacht. Erst in jüngster Zeit hat Peking die Aufrüstung auf hoher See kräftig vorangetrieben.

Ohne Zweifel ist China heute besser denn je dafür gerüstet, auch maritime Präsenz zu markieren. Doch Kompetenz hängt nicht nur von der verfügbaren Hardware ab, sondern auch von Erfahrung und Führung. Experten sehen in dieser Hinsicht die indische Marine, die über eine weit in die Kolonialzeit reichende Tradition verfügt, auf absehbare Zukunft hinaus im Vorteil. Als es unlängst bei Bhutan zu chinesisch-indischen Reibereien kam, wurde unter den Optionen Indiens für den Falle einer kriegerischen Eskalation auch die Behinderung der chinesischen Verkehrsströme im Indischen Ozean in Erwägung gezogen. Für Peking ist der sichere Transfer durch dieses Meer wegen der Energieversorgung und der Exporte nach Nahost, Afrika und Europa von grosser Bedeutung.

Eine sachliche Risikobewertung für Südasien muss zwei Krisenherden besondere Aufmerksamkeit schenken. Pakistan ist Indiens Erbfeind. Beide Länder haben mehrfach Krieg gegeneinander geführt, und beide verfügen über Atomwaffen. Nach dem Prinzip «der Feind meines Feindes ist mein Freund» hat Peking die Beziehungen zu Islamabad kräftig ausgebaut. Je unberechenbarer die USA wurden, desto mehr Gewicht gewann die militärische Kooperation zwischen Pakistan und China.

Mit dem Ausbau des Hafens Gwadar in der pakistanischen Provinz Belutschistan, der Errichtung einer Gaspipeline nach China und rund 60 Mrd. $ an chinesischen Investitionen in den Wirtschaftskorridor China-Pakistan ist heute Peking die dominante Wirtschaftsmacht in Pakistan. Ein Handicap ist die prekäre Sicherheitslage in mehreren Teilen des Landes. Einerseits sind Chinesen in Belutschistan von Aufständischen ermordet worden, anderseits erhalten islamistische Terroristen in Westchina Unterstützung aus dem pakistanischen Hinterland.

Handelsrouten fern vom Meer

Zur Geschichte der chinesischen Zivilisation gehören der Entwurf und die Realisierung von Jahrhundertprojekten. Dazu zählen etwa die Grosse Mauer, der Grosse Kanal und – im negativen Sinn – Maos «grosser Sprung nach vorn». Auch Deng Xiaopings epochale Wirtschaftsreformen gehören dazu, und heute ist es das Vorhaben von «One Belt, One Road». Zu Pekings Ambitionen zählt nichts weniger als eine moderne Wiederbelebung der Seidenstrasse.

Zu Anfang des Jahres traf – nach einer siebzehntägigen Reise – der erste direkte Güterzug aus der chinesischen Provinzstadt Yiwu in Grossbritannien ein. Unverkennbar geht es bei dieser eurasischen Eisenbahnlinie nicht nur darum, die chinesischen Güter rascher und kostengünstiger auf die europäischen Absatzmärkte zu bringen, sondern auch darum, Handelsrouten fern von verletzlichen Meerengen einzurichten. Indien beobachtet diese Entwicklung aufmerksam, kann aber wegen seiner geografischen Lage kaum daran teilhaben. Während China seinen Einfluss in Zentralasien kräftig ausbaut, ist Indien marginalisiert und hat mit den schlummernden Grenzstreitereien mit China nur ein sehr begrenztes Störpotenzial.

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