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Havarie belastet Shells Arktispläne

Die verunfallte Bohrinsel Kulluk liegt im aufgewühlten Golf von Alaska vor der Küste der Insel Sitkalidak auf Grund. Sie gehört dem Öl- und Gasmulti Royal Dutch Shell.

Nach jahrelangen Vorbereitungen wollte Royal Dutch Shell im nächsten Sommer in den arktischen Gewässern im Norden von Alaska mit Erkundungsbohrungen beginnen. Jetzt droht die Havarie einer dort eingesetzten Bohrinsel das Vorhaben in Frage zu stellen. Umweltschützer sehen sich durch den Unfall in der Meinung bestätigt, dass Bohrungen in der Arktis zu gefährlich sind. Die Anleger sind jedoch zuversichtlich, dass der britisch-niederländische Öl- und Gasmulti die Herausforderungen meistern wird: Die Shell-Aktien legten in den Tagen nach der Havarie leicht zu.

Es geschah bei Wetter, wie es in dieser Region der Welt oft herrscht: Ein heftiger Sturm peitschte an Silvester die Wellen im Golf von Alaska haushoch auf. Da verlor das Schiff Aiviq, das die Bohrinsel Kulluk im Schlepp hatte, an Leistung und drohte abgetrieben zu werden. Um sich selbst und ihr Schiff nicht in Gefahr zu bringen, kappten die Seeleute der Aiviq daraufhin die Taue zur Kulluk. Die Bohrinsel lief wenig später bei der unbewohnten Insel Sitkalidak, die zu den Kodiak Islands gehört, auf Grund.

Serie von Unfällen

Die Kulluk gehört Royal Dutch Shell, wird aber vom US-Bohrkonzern Noble Corp betrieben, der seinen Steuersitz im Kanton Zug hat. Die Bohrinsel wurde 1983 in Japan gebaut und über die vergangenen sechs Jahre mit Kosten von knapp 300 Mio. $ für den Einsatz in den eisigen Verhältnissen der Arktis umgerüstet. Während Bohreinsätzen befinden sich rund 140 Personen auf der Anlage. Zur Zeit des Unfalls hielten sich nur 18 Leute auf der Kulluk auf. Sie konnten evakuiert werden. Zudem befanden sich 563 000 Liter Dieselöl sowie 45 000 Liter Schmierstoffe für den eigenen Betrieb an Bord. Eine Inspektion der gestrandeten Bohrinsel ergab, dass keine dieser Flüssigkeiten ins Meer ausgelaufen ist. Ob und wie stark die Kulluk bei der Havarie beschädigt wurde, muss erst noch genau abgeklärt werden.

Die Bohrinsel war zur Zeit des Unfalls unterwegs zu Unterhaltsarbeiten in Seattle an der Pazifikküste. Die Kulluk wurde im vergangenen Sommer in der Beaufortsee eingesetzt, um eine Testbohrung zu machen. Eine andere Bohrinsel, die Noble Discoverer, bohrte

westlich davon in der Tschuktschensee (vgl. Karte). An diesen Stellen will Shell im nächsten Sommer Erkundungsbohrungen durchführen.

Auch mit der Discoverer gab es Probleme. Sie riss im vergangenen Juli aus ihrem Ankerplatz vor den Aleuten in der Nähe der Südküste Alaskas und wäre beinahe in den Strand gekracht. In der vergangenen Woche enthüllt Noble, dass die US-Küstenwache Bedenken wegen «Mängeln und Unterhaltsproblemen» geäussert habe. Ein Teil der Probleme sei indessen bereits gelöst. Doch nicht genug: Im vergangenen September ereignete sich beim Testen eines Systems zum Zurückhalten von Öl ein Unfall. Ein Ventil versagte, worauf ein Kuppelgewölbe ins Wasser stürzte und eingedrückt wurde. Das System hätte in der Beaufort- und Tschuktschensee als sogenannte «vierte Verteidigungslinie» im Falle eines Ölunfalls eingesetzt werden sollen.

Die Havarie an Silvester gibt Kritikern der Ölsuche in der Arktis nun erneut Munition. Sie sagen, dass das extreme Wetter in der Region und deren Abgelegenheit Bohrungen und Materialtransporte sehr viel schwieriger als normal, ja gefährlich mache und ein einzigartiges Ökosystem bedrohe. Bohrungen vor der Nordküste Alaskas sind erst seit November 2011 wieder erlaubt. Zuvor galt ein Moratorium.

Shell ist der bisher einzige Öl- und Gaskonzern, der sich in die Arktis vorgewagt hat. Seit sechs Jahren treibt er die Vorbereitungen schon voran. Bisher wurden über 4,5 Mrd. $ aufgewendet. Für Sicherheitsbelange wurde eine Flotte von rund zwanzig Schiffen versammelt.

Weil die Herausforderungen im hohen Norden so gross sind, hat der in unwirtlichen Verhältnissen erfahrene norwegische Öl- und Gasmulti Statoil seine Arktispläne ein Jahr aufgeschoben. Der französische Konzern Total will sich gar ganz von der Arktis fernhalten, weil Bohrungen in der ökologisch sensiblen Region zu gefährlich seien: «Eine Ölpest vor Grönland wäre ein Desaster. Sie würde das Image des Unternehmens zu stark beschädigen», erklärte Total-CEO Christophe de Margerie im vergangenen Herbst.

Sagenhafte Reserven  

Doch Shell lässt sich von solchen Erwägungen nicht abhalten. Sie hat die grossen fossilen Vorräte vor Augen, die in der Arktis lagern: Nach Schätzungen des US Geological Survey sind dort unter dem Meeresgrund 90 Mrd. Fass Öl und 47 Bio. Kubikmeter Gas verborgen – sagenhafte 22% der bisher noch unerschlossenen Öl- und Gasreserven der Welt. Wer jetzt auf die Aktien von Royal Dutch Shell setzt, wettet auch darauf, dass es dem Multi gelingt, diese Depots erfolgreich anzuzapfen.

Die Risiken sind dabei nicht nur klimatischer, geologischer oder technischer Natur, sondern auch politischer: Die Havarie an Silvester gibt Kritikern Aufwind, die Bohrungen in der Arktis verbieten wollen, bis die Konzerne nachweisen können, dass ihre Aktivitäten in der schwierigen Umgebung sicher sind. «Als je schlimmer sich der Unfall herausstellt, desto mehr könnten die Bohrpläne Shells in Alaska kompromittiert werden», schreiben die Analysten der US-Bank Wells Fargo in einer aktuellen Kurznotiz ihren Kunden.

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