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Händlers Leid ist Sammlers Freud

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Links: Porzellanteller, Meissen, um 1725 bis 1730, bemalt mit Chinoiserie-Motiven, indianischen Blumen und Girlanden, Unterglasurblaue Meissen-Schwertermarke, Durchmesser: 25,9 cm, Schätzpreis: 30 000 bis 50 000 Fr. (Koller).Rechts: IWC-Armbanduhr «Portugieser» in 18 K Weissgold, mit Minutenrepetition, Sonderausgabe, Schätzpreis: 50 000 bis 80 000 Fr. (Schuler)
Osias Beert, Stilleben mit Blüten in einem Flechtkorb und Blumenstrauss in einer Porzellanvase auf einer Tischplatte mit Insekten,Öl auf Holz, 39,1 x 64,3 cm, Schätzpreis:400 000 bis 500 000 Fr. (Koller)
Links: Kalksteinskulptur des Hl. Sebastian, Frankreich, 16. Jh., Höhe: 57 cm, Reste alter Bemalung, Schätzpreis: 9000 bis 14 500 Fr. (Schuler).Rechts: Kolorierte Kupfertafel aus Louis Renards «Poissons Ecrevisses et Crabes...», Zwei Teile in einem Band mit 100 Tafeln, Amsterdam 1719, Schätzpreis: 40 000 bis 60 000 Fr. (Koller)

Nach jährlichen Steigerungsraten seit 2009 meldet der Auktionsmulti Christie’s erstmals einen Rückgang seiner Auktionsverkäufe und Privatverkäufe von 4% gemessen am vorjährigen Volumen von 7,7 Mrd. $ auf 7,4 Mrd. $ im Jahr 2015. Christie’s-Rivale So­theby’s dürfte mit einem auf 6 Mrd. $ schätzbaren Verkaufsvolumen für 2015 kaum besser dastehen. Jedenfalls sank der Kurs der Sotheby’s-Aktie (NYSE: BID) in New York seit dem Jahreshöchst von knapp 47 $ im Juni 2015 inzwischen über 50%.

Überraschend daran ist, dass die zahlreichen Rekordpreismeldungen im vergangenen Jahr den Eindruck eines boomenden Kunstmarkts vermittelten. So hatte Christie’s im Mai Pablo Picassos Grossformat «Les femmes d’Alger» von 1955 für 179,4 Mio. $ und im November Amedeo Modiglianis über hundertjährigen Frauenakt «Nu couché» für 170,4 Mio. $ verkauft.

Sotheby’s wiederum hatte in den New Yorker Novemberversteigerungen mit 46,3 Mio. $ für Gerhard Richters «Abstraktes Bild» von 1986 den höchsten Preis für ein Werk eines lebenden Europäers erzielt.

Wenige Tage später schrieb das Auktionshaus in Genf mit der Versteigerung des 12,03 Carat schweren, kissenförmig facettierten, lupenreinen fancy lebhaft blauen «Blue Moon Diamond» für 48,6 Mio. Fr. oder 4 Mio. $ pro Karat Juwelenmarktgeschichte.

Hausgemachte Absatzkrise

Doch hinter solchen Sensationspreisen für einzelne Kunstmarkttrophäen verbirgt sich eine seit über zehn Jahren immer tiefer greifende Absatzkrise jener «normalen» Kunst niedrigerer bis mittlerer Preislage zwischen 500 Fr. und 50 000 Fr., die – ungeachtet aller Millionenpreise – eben immer noch den Geschäftsschwerpunkt der meisten Galerien, Kunsthandlungen, Antiquitätengeschäfte und Auktionshäuser bildet.

Betroffen hiervon sind übrigens keineswegs nur ältere Kunst, Antiquitäten, Teppiche und Möbel, die zum Teil sogar unverkäuflich geworden sind. Auch viele Galeristen für Neue Kunst, die sich persönlich und professionell für ihre jungen Künstler engagieren, können nur deshalb überleben, weil sie noch das eine oder andere berufliche Standbein haben. Der Ausfall der traditionsreichen Zürcher Kunst- und Antiquitätenmesse «Fine Art Zurich» im Zürcher Kongresshaus sowie der Weihnachtssammlerbörse in der Messe Zürich sind weitere Symptome dieser Marktschwäche.

Inzwischen gerät aber sogar der globale Trophäenkunstmarkt unter Druck, besonders dann, wenn vor wenigen Jahren bereits teuer eingekaufte Gegenwartskunst in einen skeptischen und überdies von Fälschungsängsten bedrängten Markt hinein verkauft werden soll oder gar muss. So erzielte Sotheby’s in ihren prominenten Londoner Moderne- und Gegenwartskunstauktionen am Abend des 3. und 10. Februar mit insgesamt 235 Mio. $ nur rund halb so viel wie in den entsprechenden letztjährigen Auktionen.

Es ist müssig zu erörtern, wie weit diese Krise von den Betroffenen selbst mit verursacht wurde – durch unhaltbare Gewinnprognosen auf Kunstwerke, durch die wirklichkeitsferne, abschreckende Rekordpreispropaganda der Auktionshäuser, durch unzeitgemässe mafiöse Heimlichtuerei um Preise und Provenienzen oder durch die arrogante Kundenferne mancher Händler.

Kaufen, halten, verkaufen?

Interessanter ist die Frage, was diese Entwicklung für Sammler und private Kunstbesitzer bedeutet, also in der Börsensprache etwa, ob man Kunstwerke und Antiquitäten derzeit kaufen, halten oder verkaufen soll.

Im Gegensatz zur Börsenregel «Never fall in love with a stock – Verlieb dich nie in eine Aktie!» gilt für Kunst allerdings: «Kaufe nur, was dich persönlich berührt!». Für Kunstkäufer sind die Zeiten heute so günstig wie schon lange nicht mehr. Geschicktes Handeln und Barzahlung wirken wieder Wunder, und in Versteigerungen kann es sich lohnen, dem Auktionator ein unter seinem Startpreis liegendes Angebot zuzurufen.

Bärenmarkt nicht aussitzen

Wiederum im Unterschied zur Börse macht es für Kunstbesitzer dagegen wenig Sinn, einen Bärenmarkt auszusitzen. Ist ein Sammelgebiet einmal so aus der Mode gekommen wie etwa klassisches Porzellan, Orientteppiche oder Helvetica, dann braucht es mindestens eine Generation, bis sich seine Preise erholen – so sie dies überhaupt tun.

Wer sich also gerne von einzelnen Kunstwerken, Möbeln oder Antiquitäten trennen möchte, sollte diese daher lieber heute als morgen in eine Versteigerung einliefern.