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Gesundheitspolitik, wohin?

Das 1996 eingeführte neue Krankenversicherungsgesetz (KVG) hat für die Versicherten in der Schweiz viele Verbesserungen gebracht. Sorgen bereiten jedoch die ständig wachsenden Ausgaben für die Leistungen des Gesundheitssystems.

Das Ausgabenwachstum geht zu einem grossen Teil auf die demografische Entwicklung und den medizinischen Fortschritt zurück. Aber auch  Regulierungen und systemimmanente Fehlanreize, die es Leistungserbringern, Krankenversicherern und Versicherten ermöglichen, Partialinteressen durchzusetzen, tragen dazu bei. Gegenwärtig wird mehr reguliert, als es – aufgrund medizinischer, sozialer oder ökonomischer Erfordernisse – notwendig ist.

Die Regulierung sollte sich deshalb künftig auf die Versicherungspflicht, die Freizügigkeit der Versicherten, den Katalog der in der obligatorischen Kranken- und Pflegeversicherung (OKP) versicherten Leistungen, die Zulassung der Leistungserbringer, die Regelung der Beihilfen für Versicherte mit niedrigem Einkommen und die Überprüfung der Solvenz von Krankenversichern beschränken.

Die finanziellen Belastungen der privaten und der öffentlichen Haushalte durch die Ausgaben für das Gesundheitssystem zwingen die Politik zum Handeln. Um der Bestrafung an der Urne zu entgehen, bevorzugen Politiker Massnahmen zur Regulierung der Angebotsseite.

Vorschläge wie ein Zulassungsstopp für bestimmte Leistungserbringer, Kürzungen des Katalogs der versicherten Leistungen, Eingriffe in die Tarifstrukturen, Kostenbremsen bzw. Globalbudgets oder Listen für Operationen, die nur noch ambulant durchgeführt werden sollen, usw. werden jedoch nicht zu einer Trendwende in der Ausgabenentwicklung führen.

Gesetzgeber wollte Konkurrenz

Wenn versucht wird, das Ausgabenwachstum mit niedrigeren Tarifen zu begrenzen, ist mit Mengenausweitungen und Qualitätseinbussen zu rechnen. Eine Liste mit nur noch ambulant durchzuführenden Operationen dürfte auch zur Mengenausweitung beitragen, da ambulante Behandlungen aktuell nach Tarif und nicht pauschal vergütet werden.

Wartelisten für Operationen werden die Folgen von Kostenbremsen oder Globalbudgets sein. Und wer soll behandeln, wenn die einem Hausarzt oder einem Ambulatorium zugestandenen Kontingente aufgebraucht sind?

Mit dem KVG wollte der Gesetzgeber den Wettbewerb zwischen Leistungserbringern und zwischen Krankenkassen fördern. Auch die Stimmbürger haben sich mit der Ablehnung von Initiativen zur Einführung einer Einheitskrankenkasse für Wettbewerb im Gesundheitssystem entschieden.

Politik, Leistungserbringer, Krankenkassen und Versicherte sollten sich deshalb wieder auf die Funktion des Wettbewerbs im Umgang mit knappen Ressourcen besinnen.

Grundsätzlich müssen die Krankenkassen mit allen zugelassenen Leistungserbringern Verträge abschliessen. Ohne Aufhebung des Vertragszwangs wird es keinen Wettbewerb geben. Krankenkassen sollten selbst entscheiden dürfen, mit welchen Leistungserbringern und zu welchen Bedingungen sie Verträge abschliessen.

Die Versicherten haben nach einer Aufhebung des Vertragszwangs keine wesentlichen Einschränkungen bei der Wahl der Leistungserbringer zu befürchten. Der Wettbewerb wird die Versicherer zwingen, mit möglichst vielen Leistungserbringern Verträge abzuschliessen.

Entscheidend ist jedoch, dass sie dann nur noch mit qualitativ und wirtschaftlich überzeugenden Leistungserbringern ein Vertragsverhältnis eingehen werden. Die Versicherten sind durchaus bereit, mit Einschränkungen bei der Wahl der Leistungserbringer einen Beitrag zur Dämpfung des Ausgabenwachstums zu leisten. 2016 haben sich z. B. bereits 67% der Versicherten für ein Versicherungsmodell mit einer eingeschränkten Wahl der Leistungserbringer entschieden.

Viele Leistungserbringer sind gegen die Aufhebung des Vertragszwangs. Einige Vertreter der Ärzteschaft plädieren jedoch für eine Differenzierung zwischen Leistungserbringern mit und solchen ohne Verträge mit Krankenkassen.

Ein Versicherter würde dann nur bei der Wahl eines Leistungserbringers mit einem Vertrag seine Ausgaben (nach Abzug der Selbstbeteiligung) voll erstattet bekommen. Ein solches Modell könnte für die Krankenkassen attraktiv sein, würde an der Entwicklung der Ausgaben aber nahezu nichts ändern.

Unverzichtbar ist eine Neuregelung der Mehrfachrolle der Kantone. Die Kantone beteiligen sich an der Finanzierung stationärer Leistungen, besitzen Spitäler, planen die Versorgung, erteilen Leistungsaufträge, genehmigen Tarife und sind als Arbeitgeber an der Auslastung der eigenen Kapazitäten interessiert.

Eine Zielsetzung der neuen Spitalfinanzierung war die Stärkung des Wettbewerbs im Spitalbereich. Fallpauschalen sollten den Ausgabenanstieg bremsen, Qualitätsverbesserungen ermöglichen, die Freizügigkeit für Patienten erleichtern und durch einheitliche Tarife für mehr Transparenz sorgen.

Kantonale Spitallisten, Referenztarife und überhöhte Basispreise einzelner Spitäler schränkten jedoch den Wettbewerb immer noch ein. Mit dem System der Fallpauschalen stieg auch der administrative Aufwand.

Diagnosen wurden umfangreicher, und Zweitbehandlungen statt eines einzigen Spitalaufenthalts nahmen zu (um eine neue Abrechnung zu ermöglichen). Nach wie vor werden lokale Spitäler offen oder verdeckt subventioniert. Spitäler, die im System mit Fallpauschalen effizienter werden oder verschwinden sollten, sind weiter in Betrieb.

Die Kantone beteiligen sich nicht an der Finanzierung der in Spitälern ambulant erbrachten Leistungen. Die Verlagerung stationärer Behandlungen in den meist kostengünstigeren ambulanten Bereich ermöglicht den Kantonen eine finanzielle Entlastung, Krankenkassen und Prämienzahler werden aber dadurch stärker belastet.

Ambulante und stationäre Leistungen sollten daher unbedingt einheitlich finanziert werden. Eine fixe Aufteilung der Ausgaben für stationäre und ambulante Leistungen zwischen Versicherern und Kantonen könnte ein praktikabler Zwischenschritt auf dem Weg zu einer monistischen  Finanzierung sein.

Rückbesinnung auf Prinzipien des KVG

Der – unabhängig von seiner Ausgestaltung – tendenziell als Kostenausgleich wirkende Risikostrukturausgleich (RSA) behindert den Wettbewerb und sollte schrittweise abgebaut werden. Solange Krankenkassen Mittel aus einem RSA erhalten, werden sie nur ein geringes finanzielles Interesse haben, sich wirklich für die langfristige Erhaltung der Gesundheit der Versicherten einzusetzen.

Der praktizierte RSA berücksichtigt zudem die Entwicklung der Ausgaben von Versicherten, die ein alternatives Versicherungsmodell gewählt haben, nicht explizit. Die von diesen Modellen erwartete Dämpfung des Ausgabenanstiegs konnte sich deshalb auch nicht spürbar auf die Prämienentwicklung auswirken.

Krankenkassen müssen mehr Freiheiten in der Ausgestaltung der Verträge mit den Versicherten erhalten. Vertragsdauer, Versicherungsmodell, Ausmass der Risikoübernahme sollten sich stärker in Prämienhöhe und -rabatten niederschlagen können. Für Wettbewerb im Gesundheitssystem braucht es mehr Versicherte, die von der Freizügigkeit Gebrauch machen.

Das KVG ist eine Basis für ein zukunftsweisendes Gesundheitssystem. Es geht davon aus, dass alle benötigten Leistungen wirksam, zweckmässig, wirtschaftlich und effizient erbracht werden.

Mit Wettbewerb, anstelle des bisherigen Pseudowettbewerbs von Krankenkassen und Leistungserbringern, müssen deshalb zunächst die Ursachen der für den Ausgabenanstieg mitverantwortlichen Fehlentwicklungen  eliminiert werden. Erst dann wird sich auch der Anstieg der Ausgaben abschwächen.