Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

«Geldpolitik der SNB hat dem Standort geschadet»

Die Freigabe des Mindestkurses zum Euro hält Lars Edler für eine vernünftige Entscheidung – die Kommunikation sei hingegen verbesserungswürdig.

Herr Edler, nach dem Ausverkauf Anfang Jahr: Ist alles schon wieder vorbei? - Das Wachstum der Welt wird nicht abbrechen – aber: Die Molltöne werden lauter. Wir sehen eine Reihe von Unsicherheitsfaktoren. Der rekordtiefe Ölpreis etwa ist aus unserer Sicht langfristig zwar positiv, denn Konsumenten gewinnen unter dem Strich. Sie haben mehr Geld in der Tasche, das sie auch ausgeben. Das Öl führt kurzfristig aber dazu, dass der Lebensstandard des Königshauses von Saudi-Arabien leidet – mit seinen rund 7000 Mitgliedern. Der Clan zieht immense Gelder bei Vermögensverwaltern ab. Das belastet den Aktienmarkt. Auch die Zinserhöhung des Fed haben Investoren weniger gut verdaut als gedacht. Der Markt adjustiert sich jetzt neu. Das führt zu Schwankungen.

Für Vermögensverwalter wird das Leben somit ebenfalls schwieriger. - Es ist schon eine Weile nicht einfach, mindestens seit Beginn der expansiven Geldpolitik. Seither sind Bundesanleihen als sicherer Hafen uninteressant geworden. Es gibt kaum noch nennenswerte Coupons, mit denen wir Kursschwankungen absichern könnten. Die Suche nach sicheren Häfen fällt nicht mehr so leicht.

Da bietet sich doch die Schweiz an? - Ja – und nein. Die Geldpolitik der SNB hat dem Standort sicher geschadet. Die Freigabe des Mindestkurses zum Euro war eine vernünftige Entscheidung – die Kommunikation aber war, sagen wir mal, etwas verbesserungswürdig. Inzwischen sind Schweizer Papiere zur Absicherung wieder interessanter.

Gibt es aktuell Alternativen zur Aktie? - Aktien bleiben langfristig attraktiv. Bis zum Jahr 2025 rechnen wir mit einer jährlichen Rendite von 8,3% durch europäische Werte, am Geldmarkt hingegen ist für denselben Zeitraum nur eine durchschnittliche Verzinsung von 1,2% möglich.

Wie seriös sind solche Langfristprognosen? - Es handelt sich um Durchschnittswerte, denen einige Annahmen zugrunde liegen. Wir benutzen die Werte zur strategischen Allokation unserer Portfolios. Bei genauerem Blick müsste man die aktuellen Schätzungen unterteilen: Das Niedrigzinsumfeld wird unseres Erachtens für die nächsten drei, vier Jahre anhalten. Dann dürfte die EZB ihr Inflationsziel erreichen und schrittweise die Zinsen erhöhen.

So lange wird es dauern, bis in Europa die Zinsen wieder steigen? - EZB-Präsident Mario Draghi wird der glücklichste Mensch auf Erden, wenn er die Zinsen endlich erhöhen kann – und so wieder etwas Pulver ins Trockene bringt. Er verfügt kaum noch über geldpolitische Werkzeuge, um Europa vor einer drohenden Liquiditätsfalle zu bewahren. Vor 2018 passiert in Europa meines Erachtens erst einmal gar nichts in Sachen Zinsen.

Sie warnen in Ihrem Investmentausblick, dass eine Generation von Anlegern herangewachsen ist, die nur sinkende Zinsen kennt. Was ist daran so schlimm? - Seit den Achtzigern fällt die Rendite der Bundesanleihe. Jeder Marktteilnehmer, der heute vor einem Bloomberg sitzt, kennt nur dieses Szenario, dass sichere Anleihen auch Kursgewinne liefern. Die Zeiten sind vorbei. Die Rendite der Anleihen befindet sich so nahe an null wie selten zuvor – und Investoren tun sich schwer damit, einen Gleichgewichtspreis für die Papiere zu ermitteln. Viele sind unsicher, wie sich der Markt entwickeln wird. Daher ist die Schwankungsbreite stark gestiegen. Sicher werden sich die Marktteilnehmer auf steigende Renditen einstellen – aber das benötigt Zeit.

Was halten Sie von Rohstoffen? - «Die» Rohstoffe gibt es ja nicht. Eigentlich müsste man jeden einzeln betrachten. Strategisch gewichten wir einen Anteil von 10% an Rohstoffen im Portfolio, taktisch liegen wir auf monatlicher Basis im Moment bei 8%. Bei Öl beispielsweise haben wir uns jüngst etwas vorgewagt. Hier scheinen wir am Tiefpunkt angelangt.

Sal. Oppenheim hat Gold vergangenen Sommer kategorisch verbannt. Das ärgert Sie angesichts der Stärke sicherlich. - Mitnichten. In einer strukturierten Vermögensverwaltung ist Gold problematisch. Gold besitzt eine Volatilität, die der von Aktien in nichts nachsteht, liefert keine Rendite und verursacht Lagerkosten. Wenn ich schon Risiken eingehe, verlange ich eine Dividende. Eine Einzelperson kann sich durchaus Gold in den Tresor legen, um sich gegen bestimmte Extremrisiken abzusichern – wir bleiben draussen.

Also: Aktien. Und aus welcher Region? - Papiere aus Industrieländern finden wir attraktiv, insbesondere aus Europa. In der europäischen Peripherie gab es viele magere Jahre. Dort wird aufgeholt. Die Schwellenländer haben nach der Finanzkrise über ihre Verhältnisse gelebt – und werden jetzt mit den Kosten konfrontiert. In China ist die Datenlage unklar: Leidet das Land als einer der grössten Erdölproduzenten unter dem Preisverfall – oder profitiert es, weil es noch mehr vom schwarzen Gold importiert? Auch in den USA scheinen die goldenen Zeiten vorbei. Im handelsgewichteten Währungskorb steigt der Anteil des Dollars. Dadurch wird über kurz oder lang das schwache Wachstum importiert. Wir setzen auf Europa.

Das könnte schiefgehen, wenn die Briten für den Brexit votieren – und in Griechenland läuft auch nicht alles rund. - Ökonomisch steht Griechenland sicher noch nicht in der Spur. Aber politisch ist der Grexit vom Tisch – das wäre angesichts der Flüchtlingsfrage kaum tragbar. Grossbritannien dürfte das grössere Problem sein. Wir rechnen damit, dass die Briten im europäischen Verbund bleiben. Aber der Austritt stellt ein Risiko dar, das sich nur schwer prognostizieren lässt. Ökonomisch wäre der Brexit zwar langfristig zu verkraften, aber er würde die Stimmung vermiesen. Wer wäre dann der Nächste?

Wie sichern Sie die Unsicherheit ab? - Wir investieren in defensive Aktienbausteine, um die Volatilität zu senken.

Sal. Oppenheim setzt auf Quant-Modelle, bei denen der Computer nach vielen Kriterien die Aktienauswahl vornimmt. Eignen sich die Modelle auch in diesen Zeiten? - Natürlich. Jedes unserer Modelle ist massgeschneidert. Wir kaufen die Rohdaten und veredeln sie zu Quant-Modellen, die wir warten und erweitern. Für die Aktienselektion kombinieren wir zum Beispiel die Bewertung, aber auch Faktoren der Markttechnik und des Momentums. Circa 200 Faktoren spielen da zusammen.

Welche Rolle spielt noch der Mensch? - Der Mensch entwirft die Modelle. Der Portfoliomanager prüft alle Entscheidungen, die der Computer vorschlägt. Zudem wählt er die beste Implementierung der Strategie. Wir legen Wert auf niedrige Transaktionskosten – das entscheidet schon einmal einen Teil des Anlageerfolgs.

Wie stellen Sie sicher, dass der Computer in Sondersituationen wie etwa nach einem Rückruf keine Fehlentscheidungen trifft? - Darauf achtet der Portfoliomanager. Der «Realitätscheck» der Entscheidungen unserer Quant-Modelle bleibt wichtig.

Wie viele Anlageinstrumente umfasst das Universum von Sal. Oppenheim? - Wir investieren in alle liquiden Anlageklassen. Sonderwünsche unserer Klientel wie Chinaaktien in lokaler Währung erfüllen wir üblicherweise via Fremdfonds.

Wie oft sprechen Sie noch mit dem Management der Unternehmen, in die Sal. Oppenheim investiert ist? - Überhaupt nicht mehr. Was in solchen Gesprächen gesagt wird, muss gemäss den gesetzlichen Vorgaben ja allen anderen Marktteilnehmern auch bekannt sein. Welche Vorteile sollten uns solche Gespräche also noch bringen? Vor dreissig Jahren war es wichtig, mit CEO und CFO essen zu gehen. Informationsgewinnung ist jetzt nicht mehr das Thema.

Und was zählt heute? - Informationsverarbeitung. Wir arbeiten die Flut der Daten so auf, dass sie einen Sinn ergibt, und ziehen daraus unsere Anlageentscheidungen. Das verschafft uns dank der Quant-Modelle einen Vorsprung.