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Gefragte Schweinebäuche

Der heimliche Star jeder Super-Bowl-Party: ein kunstvoll geflochtener «Bacon Football».

Goldbrauner Toast, fluffiges Rührei, knusprig gebratener Speck – so kann der Tag beginnen. Entsprechend nervös reagierten diverse US-Konsumenten auf die Nachricht, der Nation drohe ein Speck-Engpass. Der Grund: Zahlen des Landwirtschaftsministeriums USDA hatten letzte Woche suggeriert, der Lagerbestand an gefrorenen Schweinebäuchen (Pork Bellies), die meist als Ausgangsbasis für geschnittenen Bratspeck dienen, sei mit 17,8 Mio. Pfund auf den tiefsten Stand seit 1957 gefallen.

Die Meldung – von zahlreichen Medien übernommen und genüsslich durchgekaut – war jedoch nur zum Teil zutreffend. So handelt es sich lediglich um den tiefsten im Monat Dezember verzeichneten Wert, was angesichts sich verändernder Konsummuster aber kaum mehr ins Gewicht fällt. Branchenvertreter gaben denn auch schnell Entwarnung. «Die Schweinefarmer produzieren so viel wie noch nie», erklärte Rich Deaton, Präsident des Ohio Pork Council. Die Versorgung sei deshalb jederzeit gesichert.

Dennoch: Ganz ohne Folgen blieben die jüngsten Marktentwicklungen nicht, hat sich doch der Grosshandelspreis von Schweinebäuchen (200 Pfund) von rund 80 $ im letzten August inzwischen auf 180 $ mehr als verdoppelt.

Eingang in die Populärkultur

Die Schweinefleischindustrie und der Kapitalmarkt sind seit vielen Jahren eng miteinander verbunden: 1961 führte die Terminbörse CME in Chicago Futures-Kontrakte auf gefrorene Schweinebäuche ein. Sie gaben Fleischverarbeitern und Lebensmittelkonzernen erstmals die Möglichkeit, sich effizient gegen Preisschwankungen abzusichern. Die Pork Bellies legten damit nicht nur das Fundament für eine Vielzahl an Terminkontrakten, die längerfristig den Erfolg der CME sicherten. Sie zogen auch in die Populärkultur ein. Wer erinnert sich nicht an den Achtzigerjahre-Kultfilm «Die Glücksritter» mit Eddie Murphy und Dan Aykroyd?

Das Gesicht der Branche hat sich seither aber deutlich gewandelt. Fünfzig Jahre nach ihrer Lancierung wurden die Schweinebauchkontrakte 2011 von der CME eingestellt. Die nur noch geringen Handelsvolumen hatten das Angebot überflüssig gemacht. Denn ergab es früher noch Sinn, Schweinebäuche einzufrieren, um damit die Spitzennachfrage der Sommermonate zu bedienen, wird inzwischen über das ganze Jahr gleichmässiger konsumiert.

Der Grund: Bei immer mehr Essen wird Speck als Zutat oder zumindest als Garnierung genutzt. Auch Fast-Food-Ketten wie McDonald’s bieten vermehrt Frühstücksmenüs rund um die Uhr an. Gleichzeitig hat sich in den USA der Anteil an Restaurants, die Schweinebäuche dauerhaft auf der Karte führen, gemäss einer Studie des spezialisierten Researchdienstes Datassential von 0,5% (2006) auf 7% erhöht. Ein immer grösserer Teil des nationalen Bedarfs wird deshalb mit frischem Schlachtvieh gedeckt, ohne den Umweg über temporäres Einfrieren zu gehen.

Wichtige Termingeschäfte

Der Tod der Schweinbauchkontrakte bedeutet freilich nicht, dass der Terminmarkt keine Relevanz mehr besitzt. Im Gegenteil: Die Schweinefleischindustrie ist immer noch so grossen Preisschwankungen ausgesetzt, dass Werkzeuge zur Absicherung allen involvierten Parteien zugutekommen. Tatsächlich war der Schweinefleischmarkt laut Bloomberg in den ersten drei Wochen des neuen Jahres das volatilste aller Rohstoffsegmente – wie schon Anfang 2015 und 2013.

Als wichtigster Terminkontrakt haben die Lean Hogs (magere Schweine) die Pork Bellies abgelöst. Einem einzelnen CME-Kontrakt, der bei Verfall nicht physisch, sondern finanziell abgewickelt wird, liegen dabei 40 000 Pfund an Lean Hogs zugrunde. Das breite Angebot an Futures und Optionen gibt einerseits den Produzenten die Möglichkeit, die Risiken abzusichern (Hedging). Andererseits erhalten Investoren die Gelegenheit, sich an der Preisentwicklung eines Sektors zu beteiligen, der mit dem traditionellen Aktienmarkt vergleichsweise schwach korreliert.

Längerfristig werden die Fleischpreise von der stetig wachsenden Bevölkerungszahl, höherem Wohlstand und Änderungen in den Essgewohnheiten angekurbelt. Angebotsseitig sind die Notierungen von diversen Faktoren abhängig – beispielsweise von den Kosten für Wasser und Futter wie Mais oder Weizen. Zudem können immer wieder Epidemien auftreten – wie etwa 2014, als ein Durchfallvirus allein in den USA über 8 Mio. Schweine tötete und den Preis massiv in die Höhe trieb.

Nach einem Zwischentief im Herbst legten die Lean-Hogs-Kontrakte über die letzten Monate kräftig zu. Allein seit Oktober hat sich der Spotpreis beinahe verdoppelt. Die Avance von 30% im Dezember bescherte den Lean Hogs in der Monatswertung aller Rohstoffklassen gar den ersten Platz. Dennoch haben die Notierungen durchaus Luft nach oben: Zwar wird die Schweinefleischproduktion 2017 gemäss USDA-Prognosen rund 5% zulegen. Angesichts des relativen Preisvorteils zu Rindfleisch dürfte dies vom Nachfragewachstum aber mehr als nur kompensiert werden.

Für Unsicherheit sorgt allerdings die protektionistische Agenda von US-Präsident Donald Trump. Mexiko hat sich über die letzten Jahre zum wichtigsten Abnehmer für US-Schweinefleisch entwickelt. Noch ist unklar, welche Auswirkungen eine weitere Verschlechterung der Handelsbeziehungen hätte.