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Für alle, die mit Geld zu tun haben: für alle

Nicht schwarz auf weiss, dafür hellgrün (in Fraktur) auf vergilbt titelte FuW am 16. November 1977: «Wie aus einem Blättchen ein Blatt wurde». Zum fünfzigjährigen Bestehen (dessen redaktionelle Begleitung mit einer gewissen zeitlichen Elastizität erschien) schürfte die damalige Redaktion tief in den Archiven – und nahm der heutigen damit Arbeit ab. Wenigstens für die Schilderung der ersten Phasen des Unternehmens «Finanz und Wirtschaft»: Entstehung, schwierige Jahrzehnte, kraftvoller Aufbau.

Es begann damit, dass am 4. Oktober 1928 eben keine «Finanz und Wirtschaft» erschien. Vielmehr gab die Zürcher Bank Dätwyler & Co. erstmals ihr seit Längerem schon publiziertes, hektographiertes Marktbulletin im Zeitungsformat heraus, unter dem Titel «Börsenberichte und finanzielle Nachrichten». Juniorchef Alfred Dätwyler hatte bei Auslandaufenthalten in Paris, London, Amsterdam und Brüssel erkannt, wie wichtig der Informationsfluss für das Börsengeschäft ist, und gab den Anstoss dazu, eine gedruckte Hauszeitung zu veröffentlichen.

Das vierseitige Blättchen umfasste Kurse (Zürich, Basel, Genf, zudem New York, Wien, Berlin, Frankfurt, Paris, Brüssel und Mailand) und kursrelevante Nachrichten. Dätwylers «Börsenberichte» erschienen in deutscher und französischer Sprache, immer werktags. Im Zeitungskopf stand der «Avis an unsere Leser: Wir sind bestrebt, in unsern Berichten lediglich alles das widerzugeben, was an der Börse vorgeht und besprochen wird, indem wir uns eigener Meinungsäusserungen enthalten».

Drei Monate später, am 3. Januar 1929, erhielten Dätwylers etwas altbacken benannte «Börsenberichte» sozusagen die Taufe und hiessen fortan griffiger «Finanz und Wirtschaft». Die Bank hatte FuW als Aktiengesellschaft ausgegliedert. Kunden erhielten die Zeitung gratis, zusammen mit dem offiziellen Kursblatt der Zürcher Börse. Das Jahresabonnement kostete 100 Fr. Die Redaktion besorgte Hans Herrmann.

In der zweiten Ausgabe der «eigentlichen» FuW, also am 4. Januar 1929, wurde das erste Inserat publiziert, das mehr war als eine Kleinanzeige: von einem grossen Autohändler. Ab Mai desselben Jahres figurierte der Name Dätwyler nicht mehr im Zeitungskopf. Das Blatt wollte gegenüber den heiklen Inseratekunden aus dem Finanzsektor Unabhängigkeit markieren.

Im Oktober 1929 erschütterte der Crash an Wallstreet die Finanzwelt. Im Februar darauf musste FuW den Abonnementspreis auf 40 Fr. senken; das Kursblatt kostete jährlich 10 Fr. extra. Die Weltwirtschaftskrise belastete das Geschäft; mitunter wurden von den vier Seiten FuW nur die Seiten eins und vier bedruckt, zwei und drei blieben blank. Das Abonnement kostete 1933 deflationäre 25 Fr.

In diesem Jahr ergriff der «Führer» die Macht in Deutschland. Der frühere FuW-Mitarbeiter und Historiker René Bondt zitierte in der Sonderausgabe zum 75-Jahr-Jubiläum von FuW aus einem aktuellen Kommentar zur Regierungsübernahme durch die Nazis: «Die Umstellung in Deutschland dürfte sich auf die Börse nicht nachteilig auswirken.» Nun ja, es war schon immer so eine Sache mit Prophezeiungen.

«Textil-Revue» sei Dank

«Finanz und Wirtschaft» war während langer Jahre nicht viel mehr als ein kleiner Börsenbrief; die Bank Dätwyler als Besitzerin verdiente bestenfalls nichts an ihrer Tochtergesellschaft. 1933 wird die Auflage mit 1200 Stück angegeben. Im Dezember 1935 gesellte sich Pech zu Glück: Die Behörden schlossen das Institut. Redaktor Hans Herrmann übernahm das Blatt, das nun für andere Banken als Inserateplattform interessanter wurde, denn jetzt, nach dem Ende der Konkurrentin Dätwyler, war FuW tatsächlich völlig unabhängig.

1936 wurde der Franken 30% abgewertet; sein Status als sicherer Hafen hatte die Exportwirtschaft belastet, schon damals. Die Abwertung belebte den Börsenplatz Zürich, wo zu dieser Zeit rund achtzig Aktien und hundert Obligationen gehandelt wurden.

Herrmanns Mission war es, FuW als «Verteidigerin der Interessen von Kleinaktionären» aufzubauen: eine, ja die Konstante in der FuW-Historie.  In den Vorkriegsjahren war sie jedoch kein kommerzielles Erfolgsrezept; die Auflage stagnierte, und FuW lebte von der Hand in den Mund – bis Herrmann 1939 aus einer Konkursmasse die an sich florierende «Textil-Revue» ersteigerte. Die Quersubventionierung hielt in der Folge FuW über Wasser.

Das Blatt erschien in den Kriegsjahren nur noch dreimal wöchentlich (Montag, Mittwoch, Freitag), unmittelbar nach dem Krieg jeweils nur noch am Dienstag und am Freitag; das Abonnement kostete damals 20 Fr. Immerhin, die Redaktion wurde in den Vierzigerjahren verstärkt, mit einem Herrn Meyer und einem Herrn Meier. Krieg hin oder her: 1941 erschien zum schweizerischen Bankiertag eine zwölfseitige Sondernummer mit Anzeigen aller grösseren Geldhäuser.

Wendepunkt 1961

Auch die Nachkriegszeit machte FuW nicht reich. Immerhin erschien im September 1947 zum angeblich zwanzigjährigen Bestehen (FuW nimmt es mit den Jubiläumsterminen unterdessen genauer) eine Sondernummer, mit einem ansehnlichen Inserateteil. Hans Herrmann schrieb dazu: «Die Beteiligung der Grossbanken (ich hatte alle Inserate selbst hereingebracht) war umso bemerkenswerter, als sie in unserer Berichterstattung nicht immer gut wegkamen.» Tja, es gibt mehrere FuW-Konstanten.

Eine solche war ab den späten Kriegsjahren bis lange darüber hinaus die ausführliche Berichterstattung über den Fall Interhandel, eine Schweizer Gesellschaft der berüchtigten I. G. Farben aus Nazi-Deutschland. Dazu erschienen, bereits ab 1944, Hunderte Artikel in FuW. Interhandel forderte von FuW 50 Mio. Fr. Schadenersatz, was das Blatt ruiniert hätte, doch es blieb bei der Drohung (auch dergleichen kommt immer mal wieder vor).

Die Redaktion zog in den frühen Jahrzehnten übrigens regelmässig um, ebenso wurde die Druckerei immer wieder gewechselt. 1958 verkaufte Herrmann die «Textil-Revue». Bald darauf endete seine Ära: 1961 veräusserte Herrmann seinem Mitarbeiter Alfred Isler (AI) das Dreimannbetriebchen FuW. Isler hatte dafür die Verlag Finanz und Wirtschaft AG gegründet, wie die Gesellschaft heute noch heisst.

Der neue Chef steckte die Ziele sofort weit höher, mit der Genügsamkeit war es vorbei. Damals betrug die Auflage 3000 Stück. Bereits zu Ende des ersten - Isler-Jahres war sie auf 3700 gestiegen und der Umfang von durchschnittlich neun auf zwölf Seiten gewachsen. Zu dieser Zeit wurde auch die Erscheinungsweise von Dienstag/Freitag auf die unverändert gültigen Mittwoch/Samstag verschoben.

Unter Isler ging es fortan rasant bergauf; die Hochkonjunktur jener Jahre half natürlich – die Krise nach dem Ölschock in den Siebzigerjahren überstand  FuW problemlos. 1968 erreichte die Auflage 10 000 Stück, 1977 über 20 000. Islers Mission war grundsätzlich die gleiche wie zuvor diejenige Herrmanns – die Interessen der Kapitalanleger verteidigen, das Anlageinstrument Aktie im breiten Publikum, die «Jedermannsaktie», fördern –, nur war AI der ehrgeizigere, innovativere und unternehmerischer denkende Verleger als sein Vorgänger.

Unter AI suchte FuW die grosse Bühne. Zum Beispiel mit unverblümten Appellen. In der ersten Ausgabe von 1966 machte sich die FuW-Redaktion, offenkundig unter der Federführung von AI, Luft über die lausige Börsenperformance der vergangenen  vier Jahre. FuW führte dies zurück auf die damals in der Schweiz übliche intransparente Rechnungslegung (mit möglichst geringem Gewinnausweis) und die daraus folgende ungenügende Ausschüttung. Diese Praxis liege bloss im steuerlichen Interesse der Grossaktionäre, beeinträchtige jedoch die Funktionsfähigkeit des Aktienmarktes. In einem offenen Brief «an die Verwaltungsräte schweizerischer Gesellschaften», abgedruckt auf der Frontseite, forderte FuW diese dazu auf, endlich von der altväterischen Geringschätzung der Publikumsaktionäre zu lassen und sich stattdessen an amerikanischen Gepflogenheiten zu orientieren: «Von den (echt!) ausgewiesenen Reingewinnen werden etwa 45% als Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet», während in der Schweiz «kaum mehr als 15 bis 25% des effektiven Gewinns» ausgezahlt würden.

Dem war ein zweiter offener Brief angefügt, «an die Aktionäre schweizerischer Gesellschaften»: Sie sollten an den Generalversammlungen teilnehmen und ja nicht ihre Depotbank für sie stimmen lassen. Und: «Sie haben ein Recht darauf, sich wie z. B. der amerikanische, englische oder deutsche Aktionär nach dem effektiv erzielten Reingewinn zu erkundigen und eine angemessene Dividende zu fordern.»

Goldene Jahrzehnte

In den Sechzigerjahren etablierte sich auch das fünfspaltige Layout, das nach wie vor die Zeitung prägt. Unter AI wuchs der redaktionelle Teil des Blattes schneller als der Inserateteil; 1963 erhöhte der Verleger das Aktienkapital von 100 000 auf 250 000 Fr. 1966 fiel ein richtungsweisender Entscheid: FuW, damals meist 24-seitig, zwischendurch jedoch auch 36 oder gar 48 Seiten stark, wurde neu auf der Rotationsmaschine des «Tages-Anzeigers» gedruckt. 1975 verkaufte Alfred Isler 10% der FuW-Aktien an «Tagi», um ein Verlagshaus zu finanzieren, 1991 veräusserte sein Sohn Gerhart weitere 20%, und per Anfang 2000 kaufte Tamedia die übrigen 70%.

Alfred Isler schloss seinen Rückblick auf das erste halbe Jahrhundert FuW nicht ohne berechtigten Stolz ab: Das Unternehmen zählte nun dreissig Festangestellte, vierzig bis fünfzig freie Mitarbeiter, nahezu 23 000 Stück Auflage, 5 Mio. Fr. Umsatz. Nicht zu vergessen: FuW publizierte und publiziert Spezialausgaben und den «FuW-Aktienführer»; das Geschäft mit Seminaren war eher dem Prestige als der Kasse dienlich, FuW hat sich daraus zurückgezogen. Dieser Ausbau erforderte Investitionen.

Die Redaktion bezog 1975 an der Bäckerstrasse in Zürich ein eigenes Verlagshaus. Ein Jahr später eröffnete FuW die erste Aussenstelle: Der spätere Chefredaktor Peter Bohnenblust berichtete fortan aus New York. Dort, in London und auf anderen Finanzplätzen ist FuW heute noch präsent, seit 1993 auch in Bern, mit einem Bundeshauskorrespondenten. Den Titel Chefredaktor trug übrigens als Erster Wolfgang Winter, ab 1966, 1969 folgte Heinz Gisler.

Alfred Isler starb 1988; es begann die Ära unter Gerhart Isler (GI) und seinem Team, namentlich mit Peter Bohnenblust und Peter Schuppli, den leitenden Köpfen der Redaktion. Die Neunzigerjahre waren für FuW eine Blütezeit. Die Globalisierung, auch diejenige der Finanzmärkte, nahm Fahrt auf. In der deutschsprachigen Schweiz und zu einem kleineren Teil im deutschsprachigen Ausland war (und ist) FuW für private Anleger – und für Leute, die von Berufs wegen, «institutionell» Geld anlegen, auf Banken, in Versicherungen, Pensionskassen usw. – Pflichtlektüre. Unter dem begnadeten Vermarkter GI entwickelten sich Auflage und Inserateaufkommen äusserst erfreulich.

Verleger Alfred Isler hatte ein Herz für Federvieh. Der bunte Gockel war zeitweise so etwas wie das Maskottchen von FuW. Die Postkarte stammt aus den Achtzigerjahren, als Heissluftballons und -luftschiffe im FuW-Design abhoben.

Im Jahr 2000 platzte an den Börsen die Dotcom-Blase. Die Digitalisierung der Realwirtschaft hat das jedoch nicht gebremst. FuW bekam diese Disruption, wie die meisten traditionellen Druck-Erzeugnisse auch, stetig mehr zu spüren. Die Informationsmöglichkeiten und das Verhalten der Leserschaft wie auch der Werbekunden verändern sich massiv, die «Millennials» sind digital geprägt. Die Auflage von über 50 000 anno 2000 hat sich ungefähr halbiert.

Digitale Welt

Die Zeiten sind also erheblich rauer geworden, besonders als Folge der Finanzkrise ab 2008 wurden Schlankheitskuren unumgänglich, bei zuvor grossen Kunden (z. B. bei Banken, was die Auflage belastete) wie auch im Hause FuW selbst. Doch FuW investiert auch. Unter dem damaligen Chefredaktor Mark Dittli wurde die Zeitung Anfang 2012 umgestaltet und präsentiert sich seitdem zweibündig: Meinungen/Unternehmen im ersten, Volkswirtschaftliches/Kurse im zweiten Bund. Im selben Jahr startete, geführt von einem neu aufgestellten Team, der Online-Auftritt www.fuw.ch.

Die Zukunft von FuW, organisatorisch nach ein paar Übergangsjahren nach 2000 betrieblich vollständig integriert in den Tamedia-Konzern – doch redaktionell frei wie eh und je –, ist offen. Das Geschäft folgt nicht (mehr) einfach dem Auf und Ab der Börsenindizes, die Herausforderungen sind mehr strukturell als konjunkturell. Kapitalanlage, so viel ist sicher, bleibt relevant, muss für jüngere Menschen sogar relevanter werden, denn sonst ist für sie eine halbwegs komfortable Altersvorsorge ausgeschlossen.

Möglichst breite Aktienstreuung – Alfred Isler hatte mit seiner Forderung recht. Das Kerngeschäft von FuW bleibt von grösstem Interesse. Wir richten uns daher weiterhin, wie schon zum 50-Jahr-Jubiläum geschrieben wurde, an «alle Menschen, die mit Geld zu tun haben». Also an alle überhaupt.