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Frauenlöhne und Männerlöhne?

Erhalten Frauen in der Schweiz niedrigere Löhne, nur weil sie Frauen sind? Eine derartige Lohnpraxis der Unternehmen würde nicht nur gegen die Bundesverfassung verstossen, sondern auch betriebswirtschaftlich wenig Sinn machen. Ein beträchtliches Lohngefälle zwischen den Geschlechtern ist aber eine Tatsache, womit sich die Prüfung einer Diskrimination der Frauen aufdrängt.

Die amerikanischen Arbeitsmarktökonomen Alan Blinder und Ronald Oaxaca entwickelten 1973 eine statistische Methode, mit der sie glaubten, Diskriminierung messen zu können. Sie berechneten die Lohndifferenz, die sich durch beobachtbare Charakteristiken wie das damals höhere Bildungsniveau der Männer erklären liess. Der nicht statistisch erklärte Unterschied zwischen den Geschlechtern wurde dagegen als Diskriminierung interpretiert.

Die Blinder-Oaxaca-Methode bildet noch heute die Grundlage für die Lohnanalysen, die in der Schweiz im Auftrag des Bundes durchgeführt werden. Bei den durchschnittlichen Monatslöhnen für eine Vollzeitstelle gibt es demnach einen Vorteil von 1500 Fr. für die Männer, wobei der statistisch unerklärte Teil der Differenz rund 600 Fr. beträgt.

Die Forschung hat jedoch längst Abstand genommen von der Annahme, dass der unerklärte Teil einer Lohndifferenz eine zuverlässige Messung der Diskriminierung ermöglicht. Zum einen steckt viel Diskriminierungspotenzial im erklärten Lohnunterschied.

Wenn ein Kanton seine hauptsächlich weiblichen Lehrkräfte geringer bezahlt als die Angestellten in männerdominierten Berufen, so lässt sich der resultierende Lohnnachteil der Frauen statistisch durch die Berufsvariable erklären. Trotzdem ist es möglich, dass die niedrigere Einstufung von typischen Frauenberufen selbst ein Resultat von Diskriminierung ist, weshalb auch schon mehrere Klagen beim Bundesgericht angestrengt wurden.

Detaillierte Daten

Zum anderen stellt sich die Frage, ob eine statistisch nicht erklärte Lohndifferenz zustande kommt, weil in den analysierten Daten wichtige lohnrelevante Merkmale fehlen. In den letzten fünf Jahren haben mehrere Studien aus den USA gezeigt, dass sich die Lohndifferenz zwischen den Geschlechtern vollständig erklären lässt für Gruppen von Erwerbstätigen, zu denen aussergewöhnlich detaillierte Daten vorliegen.

Ein eindrückliches Fallbeispiel hierzu ist eine Studie der Harvard-Professorin Claudia Goldin über die Löhne von Absolventen des MBA-Programms an der University of Chicago. Im Jahr des Studienabschlusses verdienen Absolventinnen 9% weniger als ihre männlichen Kollegen, was unter anderem darauf zurückzuführen ist, dass Letztere häufiger Jobs im lukrativen Finanzsektor wählen.

Nach drei Jahren unterscheiden sich die Jahreslöhne bereits um 25% und nach zehn Jahren um mehr als 50%. Diese grossen und wachsenden Lohnunterschiede lassen sich weitgehend dadurch erklären, dass die MBA-Absolventinnen häufiger Karriereunterbrüche verzeichnen oder von Vollzeit- zu Teilzeitarbeit übergehen. Die Lohnschere öffnet sich dabei nicht generell zwischen Frauen und Männern, sondern zwischen Müttern und anderen Erwerbstätigen, da oft Mutterschaft der Grund für die reduzierte Arbeitszeit ist.

Die Umstellung auf Teilzeitarbeit verringert dabei den Lohn oft mehr, als man aufgrund der geleisteten Arbeitsstunden vermuten würde. Wenn eine Anwältin statt sechzig nur noch dreissig Stunden pro Woche arbeitet, dann fällt ihr Einkommen nicht um die Hälfte, sondern um zwei Drittel. Ähnlich ergeht es den Kolleginnen in der Unternehmensberatung oder im Investment Banking, die ebenfalls grosse Lohnabschläge für Teilzeitarbeit hinnehmen müssen.

Goldin zeigt, dass diese Berufe oft eine hohe zeitliche Flexibilität am Arbeitsplatz voraussetzen. Für eine Anwaltskanzlei ist es zum Beispiel attraktiv, wenn Anwältinnen ständig verfügbar sind und ihre Zeitplanung kurzfristig an den Terminkalender von Klienten und Gerichten anpassen können. Deshalb werden Angestellte mit hohen Stundenzahlen besonders gut bezahlt.

Weniger wichtig ist die ständige Abrufbarkeit in anderen Berufen wie Softwareentwicklerin oder Apothekerin, und tatsächlich fallen dort der Lohnnachteil von Teilzeitstellen und die Lohndifferenz zwischen den Geschlechtern geringer aus.

Goldin fordert zu Recht, dass Arbeitgeber ihre betrieblichen Abläufe soweit möglich anpassen sollten, um mehr Jobs mit familienfreundlichen Arbeitszeiten zu ermöglichen. Zum Beispiel sollten Meetings nicht auf Randzeiten gelegt werden, zu denen junge Eltern ihre Kinder aus dem Hort abholen müssen.

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird auch erleichtert, wenn Erwerbstätige ihre Arbeitszeiten spontan selbst wählen können. Diese Möglichkeit bieten etwa die Online-Vermittler von Fahrdiensten wie Uber.

Fahrerinnen und Fahrer wählen sich zu selbst gewählten Zeiten in die Online-Plattform ein und werden dort mit zahlenden Fahrgästen verbunden. Da die Bezahlung ausserdem auf objektiven Kriterien wie Fahrdauer, Distanz und Tageszeit basiert, gibt es hier auch keinen Spielraum für subjektive Einschätzungen, die zu einer Geschlechterdiskriminierung führen könnten.

Ein Forscherteam um Rebecca Diamond von der Stanford University hat jedoch festgestellt, dass selbst bei Uber Frauen pro Woche etwa ein Drittel weniger verdienen als Männer. Ein grosser Teil dieses Unterschieds lässt sich dadurch erklären, dass Frauen im Durchschnitt eine geringere Zahl von Wochenstunden wählen.

Verblüffend ist jedoch, dass auch der Verdienst pro Arbeitsstunde für Frauen 7% geringer ausfällt als für Männer. Der Hauptgrund für diese Differenz ist wiederum die unterschiedliche Arbeitszeit. Fahrerinnen und Fahrer lernen mit der Zeit, in welchem Stadtquartier es wann besonders viel Kundschaft gibt. Dadurch reduzieren sie die unbezahlten Wartezeiten und erhöhen so ihr Einkommen.

Frauen verbessern dabei ihre Einkünfte pro tausend Erfahrungsstunden genau im gleichen Ausmass wie die Männer. Da eine durchschnittliche Frau aber pro Woche weniger Fahrstunden akkumuliert, hat sie erst nach knapp drei Jahren den gleichen Erfahrungsgewinn wie ein Mann nach zwei Jahren.

Angleichung der Arbeitspensa

Der langsamere Erwerb von Berufserfahrung trägt wohl auch in anderen Berufsfeldern zu einem schwächeren Lohnanstieg für Teilzeiterwerbstätige bei. Betroffen sind davon vor allem die Frauen, die gerade in der Schweiz vorwiegend Teilzeitjobs haben. Wie sich eine geringere effektive Arbeitserfahrung oder eine grössere Zahl von Karriereunterbrüchen auf die Löhne auswirkt, lässt sich anhand der Daten des Bundesamtes für Statistik jedoch nicht eruieren.

Der Bundesrat hat es bedauerlicherweise abgelehnt, mit einer besseren Datensammlung eine zuverlässigere Analyse von Lohnunterschieden in der Schweiz zu ermöglichen. Klar ist lediglich, dass eine Analyse der Einkommen von Uber mit dem statistischen Modell des Bundes eine nicht erklärbare Lohndifferenz von 7% ergeben würde, obwohl sich dieser Unterschied mit genaueren Daten als vollständig erklärbar und nichtdiskriminierend herausstellt.

Um das Einkommensgefälle zwischen den Geschlechtern zu reduzieren, braucht es nicht nur die berechtigte Forderung nach gleichen Löhnen für gleiche Arbeit, sondern auch eine Angleichung der Arbeitspensa. Monika Bütler von der Uni St. Gallen hat schon vor Jahren darauf hingewiesen, dass auch der Staat zu einer besseren Vereinbarkeit von Mutterschaft und Karriere beitragen kann, indem er bezahlbare Krippenplätze fördert und die steuerliche Bevorteilung von Ehepaaren mit ungleicher Einkommensverteilung beendet.