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Die Gründerin des Empire

Britannien guckt über den Atlantik, nicht über den Ärmelkanal. Das begann spätestens, als sich die im europäischen Kontext ohnehin geografisch randständige, kleine, im 16. Jahrhundert noch arme Insel unter Heinrich VIII. konfessionell von Rom abwandte – damit politisch von den kontinentalen Grossmächten Frankreich und Spanien.

Doch schon unter Heinrichs Tochter Elisabeth, die von 1558 bis zu ihrem Tod regierte, schwang sich England zur Weltmacht auf. Ausgerechnet unter einer Monarchin, die ihr Reich niemals verliess. Elisabeth führte die Tradition Heinrichs VII. fort, der den ersten der «Tudor Explorers» losgeschickt hatte: John Cabot (ursprünglich Giovanni Caboto) segelte 1497 westwärts.

Fünf Jahre nachdem Kolumbus erstmals Land gesichtet hatte, stiess Cabot viel weiter nördlich an Küsten: wahrscheinlich an diejenigen von Neufundland. Dass die Wikinger dort bereits ums Jahr 1000 gelandet waren, wusste niemand mehr. Cabots Sohn Sebastian suchte später nach einer Nordwestpassage und fand die Hudson’s Bay.

Diese und weitere Fahrten blieben jedoch fast folgenlos. Erst unter Elisabeth wandelte sich das Wissen, dass weit im Westen eine neue Welt liegt, in das Wollen, diese zu erobern – der Poet John Donne dichtete damals: «O my America! My new found land» – erst unter Elisabeth begann England, sich als grosse Seemacht zu betrachten und zu etablieren.

Als ein Königreich, das Fernhandel betreibt und sich fremde Länder aneignet. Francis Drake schaffte in dieser Ära die zweite Umsegelung der Erde (1577 bis 1580), nach den Portugiesen Magellan und Elcano sechs Jahrzehnte zuvor. Und, ganz wichtig: Drake, von der Königin zum Vizeadmiral ernannt, schlug 1588 die spanische Armada. Er war freilich auch ein Pirat und brachte spanische Galeonen auf, die Gold aus Peru ins Mutterland transportierten. Sein Cousin John Hawkins war sogar Sklavenhändler.

Langfristig folgenschwerer war das Wirken von Walter Raleigh. Der gutaussehende, gebildete und weitgereiste Renaissance-Mann war zwanzig Jahre jünger als die Königin und lange Zeit ihr Favorit.

Sie betraute ihn 1584 damit, Länder zu erforschen und in Besitz zu nehmen, die noch nicht christlichen Fürsten gehörten oder von Christen bewohnt waren. Zwar durfte Raleigh nicht selbst segeln – die Königin wollte ihn an ihrer Seite haben –, doch fuhr ein anderer Kapitän in seinem Auftrag los; die Kolonie Roanoke im heutigen South Carolina wurde gegründet (und ging schon bald unter).

Raleigh war beeinflusst von den Schriften und den Karten des Staatsdieners Richard Hakluyt, eines Geistlichen, der Seefahrt und Entdeckertum propagierte; die wissenschaftlichen Grundlagen lieferte der Mathematiker und Astronom Thomas Harriot, der nach Roanoke gefahren war. Als Strippenzieher bei Hofe erkannte Raleigh, dass die Kontrolle über die Meere einem Königreich wie England immense Chancen eröffnete.

Seine Absichten gingen denn auch entscheidend über das Gelegenheitsgeschäft der Piraterie hinaus, nämlich dahin, diese Territorien zu besiedeln mit Menschen, die dort eine Wirtschaft und Gesellschaft nach englischem Muster aufzubauen hätten. Zudem erhoffte er sich Geld für die durch Krieg gegen Spanien geleerte Staatskasse. «To seek new worlds for gold, for praise, for glory», schmeichelte Walter Raleigh seiner Königin. Die, genauso gebildet und gerissen wie ihr Höfling, stieg darauf ein.

Übrigens schlug Walter Raleigh der «Maiden Queen» vor, die Gebiete in Nordamerika nach ihrer Jungfräulichkeit zu taufen: Virginia. Als mutmasslicher Liebhaber Elisabeths hätte er es besser wissen müssen, oder aber er war ein grosser Ironiker. Kurz nach Elisabeths Tod entstand die erste dauerhafte englische Siedlung in Virginia: Jamestown, benannt nach dem Thronfolger. Diese Kolonie war der Grundstein des späteren weltumspannenden britischen Empire.