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Elektrizitätskommission gegen weitere Subventionen

Die Wasserkraft hat es geschafft: Auch sie profitiert von der Energiestrategie. In dem vom Volk am 21. Mai angenommenen Gesetzespaket werden der Wasserkraft über fünf Jahre Subventionen von 120 Mio. Fr. pro Jahr zugesprochen. Das hat Appetit auf mehr geweckt.

Nur gut eine Woche nach der Abstimmung hat der Nationalrat schon weitere Subventionen für die Wasserkraft diskutiert. Die Branche hatte Druck gemacht, weil die Strompreise international massiv unter Druck geraten waren.

Gründe dafür waren und sind enorme Subventionen für neue erneuerbare Energien vor allem in Deutschland und der Schweiz sowie sehr billige Kohle.

Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrats (Urek) schlug dem Rat Folgendes vor: Die kleinen, gebundenen Stromkonsumenten, die ihren Stromlieferanten nicht frei wählen können, sollen zwangsweise Strom aus erneuerbaren, inländischen Energieträgern konsumieren, also im Wesentlichen aus Wasserkraft – zu Gestehungskosten zuzüglich einer Marge.

Dieser Zwangskonsum hätte der Wasserkraft Mehrerträge von bis zu 500 Mio. Fr. gebracht, die einseitig die kleinen Konsumenten hätten tragen müssen.

Frühestens im Winter

Der Rat wies diesen marktwidrigen, letztlich absurden Vorschlag an die Kommission zurück. Sie hat nun die Beratung des Geschäfts mit Entscheid vom 29. August zunächst sistiert.

Der Rat hätte sich in der ersten Woche der bevorstehenden Herbstsession damit beschäftigen sollen – nun kommt es frühestens in der Wintersession wieder auf die Traktandenliste.

In der offiziellen Lesart soll eine Datenerhebung des Bundesamts für Energie abgewartet werden. Wie Kommissionspräsident Stefan Müller-Altermatt (CVP) gegenüber «Finanz und Wirtschaft» bestätigt, hat bei diesem Entscheid jedoch ein von der Kommission angeforderter Bericht der Elektrizitätskommission (ElCom) eine wesentliche Rolle gespielt.

Dieser Bericht des unabhängigen Regulators zum Kommissionsvorschlag hat es tatsächlich in sich – er lässt kein gutes Haar an den zur Debatte stehenden Ideen. Der Bericht kommt zunächst zum Schluss, dass die von der Branche reklamierte, verheerende Lage der Strombranche so schlimm gar nicht ist. Von den zurate gezogenen Jahresabschlüssen der Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) wiesen nur wenige rote Zahlen aus.

Das gängige Bild ist in erster Linie von der schwierigen Lage der zwei grossen Anbieter, Alpiq und Axpo, dominiert. Bei ihnen haben gemäss der ElCom in erster Linie Sondereinflüsse zu den schlechten Ergebnissen geführt.

Ihre Aktionäre, zu einem grossen Teil die öffentliche Hand, sind in der Lage, vorübergehende Verluste der Unternehmen auszugleichen.

Von den übrigen schweizweit rund 650 EVU befinden sich nur wenige in einer vergleichbaren Schräglage. Die Mehrheit hat 2016 schwarze Zahlen geschrieben und verfügt über genügend Eigenkapital, um vorübergehende Verluste aufzufangen.

Der Bericht stellt den Umfang des von der Branche geltend gemachten «Missing Money»-Problems, also letztlich die ungedeckten Kosten, in Frage. Während die Branche sie auf 480 Mio. Fr. beziffert, kommt die ElCom auf 180 Mio. Fr. In diesen Zahlen ist gar ein kalkulatorischer Gewinn eingerechnet. Das Problem des «Missing Money» verliert an Dramatik.

Die ElCom hat auch weitere Aspekte untersucht. So kommt ihr Bericht unter anderem zum Schluss, dass der Vorschlag der Urek die Versorgungssicherheit gefährden könnte.

Ausländischer Strom aus konventionellen Kraftwerken dürfte demnach nicht mehr für die Grundversorgung eingesetzt werden. Dabei ist in Erinnerung zu rufen, dass die Schweiz 2016 per saldo Strom importieren musste – vorwiegend aus nicht erneuerbaren Quellen.

Probleme dürften sich auch mit der Regelenergie ergeben. Sie stammt gemäss Bericht zu rund 90% aus Wasserkraft. Da mit dem vorgeschlagenen Modell Wasserkraft primär zur Grundversorgung eingesetzt werden müsste, wäre mit Engpässen auf dem Regelenergiemarkt vorab im Winter zu rechnen.

Zudem würde sich die wirtschaftliche Situation der Kernkraft verschlechtern, da sie nicht mehr zur Grundversorgung einsetzt werden dürfte.

Die ElCom weist in ihrem Bericht auch auf rechtliche Probleme des Vorschlags hin. Verteilnetzbetreiber würden die Grundversorgungsenergie oft über mehrjährige Verträge beschaffen. Diese Verträge könnten dann im Widerspruch zu den Vorschlägen der Urek stehen.

Wie weit die entsprechenden Verträge gekündigt werden könnten, ist unklar. Auf jeden Fall würde dadurch eine erhebliche Rechtsunsicherheit entstehen. Es wären allenfalls auch Schadenersatzforderungen zu gewärtigen, falls Verteilnetzbetreiber die eingekaufte Energie wegen der neuen Gesetzgebung nicht verkaufen könnten.

Zudem würde der Vorschlag der Urek die Wirtschaftsfreiheit der Verteilnetzbetreiber verletzen. Gemäss dem Bericht dürften sie gewisse Technologien und ausländische Elektrizität nicht mehr zur Deckung der Grundversorgung verwenden.

Das Fazit der ElCom fällt wenig schmeichelhaft aus. Zunächst kritisiert sie, dass eine derart weitreichende Bestimmung von der Urek gleichsam aus dem Bauch heraus formuliert und dem Rat vorgelegt wurde – es wurde nicht einmal eine Vernehmlassung durchgeführt.

Der Bericht stellt grundsätzlich in Frage, ob es legitim sei, Stützungsmassnahmen aufzugleisen, lediglich weil Gewinnausschüttungen an Aktionäre wegfallen. Dies umso mehr, als die Zeche letztlich «nur von einer Kundengruppe, den Endverbrauchern in Grundversorgung» zu zahlen wäre.

Verzicht auf Vorlage

Die ElCom hält unmissverständlich fest: «Aus ökonomischer Sicht ist eine weitere zusätzliche Förderung bzw. Stützung der Schweizer Wasserkraft nicht zu begründen.» Sie empfiehlt der Urek «dringend», auf das vorgeschlagene Modell zu verzichten. Die Empfehlung fällt nicht auf ganz taube Ohren: Gemäss Urek-Präsident Müller ist ein Verzicht auf die Vorlage sehr wohl denkbar.

Der Bericht hat Bedeutung über den konkreten Fall hinaus. Er zeigt, dass die Gesetzgebung hierzulande, wenn das Parlament und seine Kommissionen ohne Rückgriff auf die Verwaltung und Experten in Eigenregie aktiv werden, grundlegenden Ansprüchen oft nicht genügt.

Komplexe Vorlagen sind allzu oft zu wenig gut abgestützt und nicht zu Ende gedacht. Sie gehorchen oft eher politischen Erfordernissen statt der Sache. Derart liederliche Gesetzgebung stellt die Rechtssicherheit in Frage – eines der zentralen Güter eines funktionierenden Rechtsstaats. Nicht nur der Standort Schweiz leidet darunter, sondern auch die direkte Demokratie schweizerischer Prägung.

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