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Eine Renaissance des alten Blechs

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Die Preise für alte Ferrari und Porsche gehen durch die Decke. Und sie ziehen praktische alle Sportwagen der Fünfziger-, Sechziger- und Siebzigerjahre auf ein Preisniveau, das man sich vor zwei, drei Jahren noch gar nicht vorstellen konnte. Ein Ende dieser Hausse ist nicht abzusehen – die Frage muss aber sein, ob es überhaupt genug gutes Material für diesen boomenden Markt gibt.

Auf der anderen Seite der Zeitachse ist die Nachfrage nach Fahrzeugen aus der Vorkriegszeit mit wenigen Ausnahmen komplett zusammengebrochen. Das hat unter anderem damit zu tun, dass die Kundschaft gerade auf den Auktionen in den vergangenen zehn Jahren deutlich jünger geworden ist. Früher, da war ein Rolls-Royce Phantom II, ein Delahaye mit einer Sonderkarosserie, vielleicht sogar ein Bugatti-Rennwagen der Höhepunkt im Leben eines jeden Sammlers.

Doch diese Fahrzeuge aus den Zwanziger- und Dreissigerjahren sprechen heute in erster Linie eine ältere Kundschaft an, während ein Ferrari 275 GTB/4, ein Lamborghini Miura oder auch ein Porsche 911 RS zum Teil sehr junge Käufer begeistern können. «Diese Sportwagen aus den Sechziger- und Siebzigerjahren, und natürlich auch die Youngtimer, sind bedeutend einfacher zu fahren und zu unterhalten als etwa Vorkriegsmodelle», erklärt der italienische Klassikerspezialist Adolfo Orsi. «Und es kommt dazu, dass gerade diese jüngeren Sportwagen die Traumautos der Kindheit waren bei der jüngeren Klientel.»

Lächerliche Preise

Das hat zur Folge, dass die Preise für wirklich altes Blech in den vergangenen fünf Jahren kaum mehr gestiegen sind – und wenn doch, dann niemals in die schwindelerregenden Höhen, die Ferrari & Co. erreichen. Das wiederum bedeutet aber auch, dass die Spekulanten fast ganz aus diesem Markt verschwunden sind – und dass ausgesprochen gutes Material vorhanden ist. Und dies zu Preisen, die im Vergleich zu denen von Nachkriegssportwagen geradezu lächerlich wirken. Denn man darf dabei etwas nicht vergessen: Diese Vorkriegsfahrzeuge sind teilweise viel seltener – und aussergewöhnlicher – als alles, was Porsche je gebaut hat.

Heute erhält der Käufer für das gleiche Geld, das ein Porsche 911 aus den Sechzigerjahren kostet, ein Einzelstück eines Rolls-Royce aus den Dreissigerjahren. Und was heute so ein relativ profaner Ferrari 365 GTB/4 Daytona kostet, von dem 1284 Exemplare gebaut wurden, bezahlt man auch für einen Voisin aus den Dreissigern, der technisch aussergewöhnlicher ist und kulturgeschichtlich wertvoller.

Mitte März kommt im amerikanischen Amelia Island ein ganz aussergewöhnlicher Voisin unter den Hammer, ein C14 von 1927, der bekannt ist als «la lumineuse». Einverstanden, die Voisin sind immer aussergewöhnlich, Gabriel Voisin hatte Architektur und Maschinenbau studiert, baute zuerst Flugzeuge. Die Aéroplanes Voisin war im Ersten Weltkrieg eines der erfolgreichsten Unternehmen in diesem Bereich. Ab 1919 entwickelte er, zuerst in Zusammenarbeit mit André Citroën, dann auch Automobile.

Diese gehörten zu den fortschrittlichsten ihrer Zeit, manche hatten ein Vorwählgetriebe und die meisten eine sehr aussergewöhnliche Karosserie. Das gilt unbedingt auch für «la lumineuse», pures Art déco aussen und auch innen. Selbstverständlich ist dieses Einzelstück nicht günstig, es wird ein siebenstelliger Betrag erwartet auf der Auktion von RM Sotheby’s, doch dieses Fahrzeug ist so einmalig wie wunderschön.

Das Argument, dass Vorkriegsautos im Unterhalt teurer seien als die Sportwagen aus den Sechziger- und Siebzigerjahren, stimmt in dieser Form auch nicht mehr: Weil so viele Ferrari, Porsche, Lamborghini auf dem Markt sind und sich nur erstklassig restaurierte Ware auch wirklich gut verkauft, sind die originalen Ersatzteile sehr selten und folglich teuer geworden. Und selbstverständlich wissen gerade die wenigen Spezialisten, die sich mit italienischen Vollblütern beschäftigen und auch ein bisschen mehr als nur eine leise Ahnung davon haben, was sie wert sind. Auch ein neuer Zylinderblock für einen Voisin kostet ein kleines Vermögen, doch diese alten Helden wurden einst für die Ewigkeit gebaut, da geht auch nicht dauernd etwas kaputt – was für hochgezüchtete Sportwagen sicher nicht gelten kann.

Gediegen auf der Autobahn

Zudem: Solche Vorkriegsklassiker werden ja ganz gediegen bewegt, der Weg ist das Ziel. Und in einem Rolls-Royce Phantom II aus dem Jahr 1932, mit einer Karosserie von Hooper, geschieht solches auch noch in aller Ruhe, äusserst gepflegt. Man sitzt nicht: man thront. Und auch den Passagieren geht es bestens. Ein solcher Phantom, bestens restauriert und für das nächste Jahrzehnt wahrscheinlich problemfrei, kostet rund 200 000 $. Also etwa gleich viel, wie für einen Peugeot 205 Turbo 16 aus den Achtzigern verlangt wird.

Ein anderes Beispiel: der Cord 812 von 1937. Ein fantastischer Wagen, der vor dem Zweiten Weltkrieg zum Besten gehörte, was es für Geld zu kaufen gab. Sein V8 wurde mit einem Kompressor auf 170 PS gebracht, das reichte für eine Höchstgeschwindigkeit von über 100 Meilen. Sprich: Man sieht auch heute noch gut aus auf den Schweizer Autobahnen. Die Cord waren nicht ganz so selten wie «la lumineuse» oder der Hooper-Phantom II, rund 700 Stück wurden gebaut, doch die Phaeton-Karosse ist von unvergänglicher Eleganz. Und der Sound des «Supercharged»-V8 steht einem zeitgenössischen Ferrari in nichts nach. Auch solch ein Cord 812 ist für etwa 200 000 $ zu haben.

Es bleibt aber die Frage, ob sich eine Investition in solche Vorkriegsfahrzeuge lohnt. Kurzfristig sicher nicht, der Markt verlangt derzeit nicht nach solchen Wagen. Doch es ist anzunehmen, dass das Geschäft wieder anziehen wird, denn im Gegensatz zu den Fahrzeugen aus den Fünfziger-, Sechziger- und Siebzigerjahren ist der Nachschub an gutem Material geringer, zu klein war in den Jahren vor dem Krieg die Produktion, zu viele Fahrzeuge gingen im Laufe der Jahrzehnte verloren. Auch ist damit zu rechnen, dass sich die Sammler irgendwann auf wichtige Werte besinnen, auf Seltenheit, Kulturgeschichte, technische Spezialitäten – ein Porsche 911, egal, aus welchem Jahr, ist ein gepimptes Grossserienfahrzeug in direkter Abstammung zum VW Käfer. Der Voisin dagegen ist ein Kunstobjekt.