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Ein «Reagan-Moment» für den globalen Handel?

Die jüngste Runde bei der wechselseitigen Einführung von Zöllen durch die USA und China hat die globale Debatte darüber verschärft, ob die Welt vor einem blossen Handelsgeplänkel steht oder auf einen ausgewachsenen Handelskrieg zusteuert.

Doch das, worum es hier geht, könnte sogar noch grundlegender sein. Die Regierung von US-Präsident Donald Trump könnte den Weg für ein «Reagan-Moment» für das internationale Handelssystem bereitet haben.

In den Achtzigerjahren leitete US-Präsident Ronald Reagan einen Wettlauf der Rüstungsausgaben mit der Sowjetunion ein, der das globale Machtgleichgewicht veränderte. Heute hat Trump einen Zollwettlauf mit China mit möglicherweise ähnlich weitreichenden Folgen eingeleitet. Wie unter Reagan sind die USA besser aufgestellt, den Wettstreit zu gewinnen. Die Risiken jedoch sind beträchtlich.

Spirale des Protektionismus

In der jüngsten Eskalation des Handelsdisputs verhängten die USA Abgaben in Höhe von 34 Mrd. $ auf chinesische Importe. China setzte umgehend Vergeltungszölle um, was die USA zur Androhung weiterer protektionistischer Massnahmen anstachelte. Diese verschärfen die Spannungen über die Verhängung von Zöllen auf Importe aus anderen Ländern durch die Trump-Regierung. Eine wichtige Rolle spielt auch die Drohung mit dem Rückzug aus der Welthandelsorganisation (WTO).

Viele Ökonomen stimmen überein, dass die USA im Handel mit China Grund zur Klage haben. Das gilt etwa in Bezug auf den Diebstahl geistigen Eigentums, asymmetrische Technologietransfers und nichttarifäre Handelsschranken wie die Vorgabe, dass eine ausländische Gesellschaft nur Zugang zum Markt erhält, wenn sie mit einer chinesischen ein Gemeinschaftsunternehmen schafft.

Doch die Ökonomen sind sich zugleich einig, dass ein Zollwettlauf eine riskante Methode ist, diese Probleme anzugehen. Weil Zölle stagflationären Druck ausüben, laufen sie Gefahr, die weltweite Konjunkturerholung zu untergraben. Und sie komplizieren die überfällige Normalisierung der Geldpolitik und erhöhen die Wahrscheinlichkeit globaler Finanzinstabilität. Die resultierenden systemischen Risse könnten das gesamte regelgestützte multilaterale Handelssystem gefährden.

Viele Ökonomen halten sich mit Prognosen zurück. Eine Gruppe etwa erkennt zwar an, dass die aktuellen Spannungen das Risiko eines politischen Unfalls oder Fehlers erhöhen, aber betrachtet sie als Bestandteil eines Verhandlungsprozesses. Wenn es hart auf hart geht, so argumentieren sie, werden die wichtigen globalen Handelsmächte einen Ansatz der wechselseitigen Vernichtung vermeiden und sich für Verhandlungen entscheiden, die ein freies, aber faireres Handelssystem hervorbringen. Diese Sicht wird durch erste Anzeichen gestützt, dass die EU allenfalls bereit ist, eine Initiative für Zollfreiheit von Autos in Betracht zu ziehen.

Eine weitere Gruppe verweist auf historische Präzedenzfälle und warnt, dass Handelsmassnahmen zulasten der Nachbarn schnell ausser Kontrolle geraten können, was den Lebensstandard in Mitleidenschaft ziehen würde. In einer Zeit ausgeprägter politischer Polarisierung würde ein verstärkter Protektionismus laut dieser Gruppe wohl in noch stärkerem Masse zu Nationalismus, Populismus und einer nach innen gerichteten Politik führen.

Doch der Vergleich mit Reagan legt nahe, dass andere, weiter reichende Folgen möglich sind. Indem er die Sowjetunion zu einem Rüstungswettlauf zwang, den nur die USA gewinnen konnten (auf Kosten höherer Verschuldung und eines steigenden Konfliktrisikos), beschleunigte Reagan den Niedergang des – so seine Bezeichnung – «Reichs des Bösen».

Es war eine kühne und riskante Strategie, die die politische Landkarte Europas verändern sollte. Noch vor Aufspaltung der Sowjetunion selbst in fünfzehn neue Länder brach ihr europäisches «Reich» zusammen. Die Berliner Mauer fiel, was zur deutschen Wiedervereinigung führte, Jugoslawien zerbrach. Kurz danach folgte in der Tschechoslowakei die «samtene Trennung» in der Entstehung der Tschechischen Republik und der Slowakei, die sich – mit anderen mittel- und osteuropäischen Ländern – durch Beitritt zu Nato und EU fest im Westen verankerten.

Heute könnte ein Handelskrieg alle Volkswirtschaften beschädigen. Doch die USA – die relativ gesehen weniger von ausländischen Märkten abhängig sind und wirtschaftlich robuster dastehen als andere – würden ein Schrumpfen der Weltwirtschaft besser bewältigen als die meisten Drittländer. Die chinesischen Finanzmärkte leiden bereits, während die US-Märkte nach wie vor stabil sind.

Die Spieltheorie legt nahe, dass rationale Akteure, die erkennen, wie sehr ein Handelskrieg ihnen schaden würde, den Nutzen der Aufgabe einer Vergeltungsstrategie erkennen und vielen US-Forderungen nachgeben würden. Das könnte dazu führen, dass die USA stärker bereit sind, die mehrjährige Erosion ihres globalen wirtschaftlichen Einflusses und Standings aufzuhalten.

Doch der Erfolg dieses Ansatzes ist keineswegs garantiert. Seine Umsetzung erfordert mehr Vertrauen, als gegenwärtig vorhanden ist, und man muss dabei während der gesamten Vergeltungsphase, die zu höheren Preisen und in einigen Fällen zu unsichereren Beschäftigungsverhältnissen führen wird, eine gespaltene US-Bevölkerung bei der Stange halten.

Chinas Druckmittel

Zudem wird die Trump-Regierung es vermeiden müssen, andere Länder zu schnell zu hart unter Druck zu setzen und die Weltwirtschaft dem Risiko einer Rezession auszusetzen. Schon jetzt warnt die US-Notenbank, dass die Investitionsplanung der Unternehmen wegen der Unsicherheit über die weltweiten Handelsbeziehungen «zurückgefahren oder verzögert» werden könnte. Und man sollte nicht vergessen, dass China enorme Mengen an US-Schatzanleihen hält, die es einsetzen könnte, um den US-Rentenmarkt zu destabilisieren, der für die Gesundheit des globalen Finanzsystems zentral ist.

Es ist zu früh, um zu sagen, ob ein «Reagan-Moment» im Handel eintreten und ein faireres System herbeiführen wird. Schliesslich würde ein derartiger Ansatz neben einer Menge Glück eine sorgfältige strategische Konzeption und Umsetzung erfordern, die sich auf ein nuanciertes Verständnis wirtschaftlicher, politischer und geopolitischer Faktoren stützt. Daher müssen wir über die Frage hinausgehen, ob dies ein Handelsgeplänkel oder ein Handelskrieg ist, und echte Strategien für das «Trump-Handelsmoment» entwickeln, sollte es tatsächlich eintreten.

Copyright: Project Syndicate.