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Ein Museum kommt selten allein

 Der Hauptinnenhof des Wiener Museumsquartiers wird farblich verändert, je nach Jahreszeit.

Vielerorts werden in stillgelegten Industriegebieten, aber auch mitten in der Stadt mehrere kulturelle Einrichtungen an einem Standort zusammengelegt. Im italienischen Mestre zum Beispiel befindet sich ein ganzes Quartier im Umbau. Die industrielle Nachbarstadt von Venedig will durch das neu entstehende Museumsviertel etwas von den Tourismuseinnahmen der Lagunenstadt abbekommen.

Finanziert wurde das 110-Mio.-€-Projekt von der Fondazione Venezia, entworfen von den Berliner Architekten Sauerbruch Hutton. Es umfasst neun Einrichtungen, die so angeordnet sind, dass die historischen Gebäude mit den Neubauten in einen Dialog treten. Das Museo M9 versteht sich als Schnittpunkt von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft rund um die Themen Kultur, Technologie und Innovation.

Höhepunkt ist das neue Multimediamuseum. Es führt mit 3-D-Erlebnissen, interaktiven Installationen und immersiven, spielerischen Ausstellungen durch die italienische Geschichte des 20. Jahrhunderts.

Blick in den Hof des geplanten Museumskomplexes M9 in Mestre bei Venedig.

Ein aktives Kulturzentrum

Neben dem Museumsquartier befindet sich ein Geschäftsviertel des neuen Jahrtausends mit interaktiven Informationssäulen und intelligenten Sitzbänken. Es verspricht ganz im Sinne des angesagten Edutainment-Konzepts neue Einkaufs- und Freizeiterlebnisse. Der Museumsbesucher wird zum Kunden oder Kulturkonsumenten, bei dem die gleichen Strategien zu Anwendung kommen, die erfolgreichen Geschäftsmodellen zugrunde liegen.

Ob das Konzept wirklich greift, wird sich zeigen. Das Projekt wird derzeit an der Architektur-Biennale in Venedig präsentiert und soll am 1. Dezember offiziell eröffnet werden. In Arles entsteht gerade ein vergleichbares Museumsviertel. Das interdisziplinäre Kulturzentrum Luma soll 2019 fertig sein. Nachdem sie in der Schweiz die Luma-Stiftung gegründet hat, engagiert sich die Basler Milliardenerbin Maja Hoffmann jetzt auch in Frankreich.

Gebäude des amerikanischen Architekten Frank Gehry für die Luma Stiftung in Arles.

Luma Arles verwaltet und renoviert die ehemaligen Eisenbahnwerkstätten in der Nähe der historischen Unesco-Denkmäler. Auf dem vor Jahrzehnten stillgelegten Areal, wo einst Dampflokomotiven des 19. Jahrhunderts repariert wurden, entsteht ein aktives Kulturzentrum, in dem unter anderem die international bedeutende Fotoausstellung «Les Rencontres d’Arles» stattfindet.

Zum sechs Hektar grossen Gelände gehören eine vom Landschaftsarchitekten Bas Smets gezeichnete öffentliche Grünanlage, fünf von Selldorf Architects renovierte Industriehallen, und direkt daneben steht ein silbergrau glänzender Turm. Das futuristische Werk wurde vom amerikanischen Architekten Frank Gehry entworfen, der schon für die Fondation Louis Vuitton in Paris und das Guggenheim Museum in Bilbao verantwortlich war.

Es besteht aus einem Betonsockel, auf dem in Anlehnung an die römische Arena von Arles eine Glasrotunde liegt. Darüber ragt ein Turm 56 Meter in die Höhe. Er ist mosaikähnlich vollständig mit Edelstahlkästchen eingefasst und bildet einen scharfen Kontrast zu den antiken und mittelalterlichen Dächern von Arles.

Der eindrückliche Gehry-Turm und der grosse, der Camargue nachempfundene Park sind die Hauptattraktionen des Zentrums. Die Entwickler wollen damit nicht nur Kunstliebhaber ansprechen, sondern im Sinne eines Naherholungsgebiets ein breites Publikum anlocken.

Besucher begegnen Künstler

Das erste Museumsquartier entstand 2001 in Wien. Noch heute zählt das MQ oder Museums-Quartier auf 90‘000 Quadratmetern zu den weltweit grössten Arealen für zeitgenössische Kunst und Kultur. Mittlerweile hat es viele Nachahmer gefunden. Die Designer des MQ haben es verstanden, die Architekturstile der verschiedenen Jahrhunderte harmonisch miteinander zu verbinden.

Historische Gebäude bilden gemeinsam mit zeitgenössischer Museumsarchitektur ein einzigartiges Ganzes. Im Mittelpunkt stehen das Leopold Museum mit der weltweit grössten Egon-Schiele-Sammlung, das Museum moderner Kunst Mumok im schwarzen Basaltkubus und die Kunsthalle Wien in einem Barockensemble.

Das Wiener Museumsquartier MQ, Luftaufnahme.

Neben diesen drei Hauptanziehungspunkten gibt es im MQ zahlreiche weitere Ausstellungsflächen, Produktionsstudios für neue Medien, Künstlerateliers und Kultureinrichtungen für Kinder. Ruhe- und Freizeitzonen, Innenhöfe, Cafés und Shops vervollständigen das Angebot. Im MuseumsQuartier trifft Altes auf Neues, ein Kunstangebot auf ein solches für Erholungssuchende.

Besucher begegnen Künstlern ohne Berührungsängste. Bereits im zweiten Jahr lockte das MQ 4 Mio. Besucher an. Das sind 12’800 Personen pro Tag und also doppelt so viele wie im ersten Jahr. Die Wiener Plattform diente auch dem Museumsquartier Plateforme 10 in Lausanne als Vorbild.

Während der Neubau des kantonalen Kunstmuseums (mcb-a) neben dem Bahnhof langsam Formen annimmt, steht der Baubeginn für das zweite Gebäude, in dem das Fotografiemuseum Musée de l’Elysée und das Museum für Design Mudac untergebracht werden, kurz bevor. Die drei Institutionen planen gemeinsam ihre Zukunft und stimmen ihre Ziele aufeinander ab.

So werden das Lausanner Designmuseum «mudac» und das Musée de l’Elysée einmal aussehen.

Plateforme 10 will sich als internationales Zentrum für Digitalisierungslösungen in Museen des 21. Jahrhunderts etablieren. Chantal Prod’Hom, Kuratorin des Mudac und Vorstandsvorsitzende von Plateforme 10: «Ein Museumsquartier schafft Raum für Dialog und bietet ein reichhaltiges Kulturprogramm für Leute, die sich zunehmend für Kunst in ihren verschiedensten Formen interessieren. Ich glaube, dass diese Bündelung die Quartiere, dank des breiteren Angebots, attraktiver macht. Und bestimmt auch stimulierender.»

Innenansicht des «mudac»

Die Institutionen haben die Möglichkeit, für ein Projekt und ein Thema zusammenzuarbeiten, wodurch wertvolle Synergien entstehen. Auch bestehe die Gefahr einer Ghettoisierung der Kultur nicht, sagt Prod’Hom, denn «das vielfältige Angebot bringt die kulturellen Aktionen, Ausstellungen und Veranstaltungen einem Publikum näher, das über Kunstfreaks oder Yuppies hinausgeht».

Ein weiterer Vorteil eines Kunstviertels seien die vielen öffentlichen Areale, die Raum für Begegnungen und Austausch böten. «Sie werden bald mit Leben gefüllt sein und von einem breiteren Publikum genutzt werden.»