Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Eigentümerstrategie als Kernstück

Man schrieb das Jahr 2002, und der Swiss Code of Best Practice markierte einen Zeitenwandel. Die von Economiesuisse herausgegebenen Empfehlungen an Aktiengesellschaften sollten nach dem Debakel von Enron, WorldCom oder Swissair einen besseren Rahmen für die unternehmerische Tätigkeit schaffen. Der Begriff Corporate Governance setzte zum grossen Karrieresprung an. Nun ist es Zeit für ein Fazit, welche Folgen die neuen Regeln gezeitigt haben. Regeln im Plural, weil nach dem Swiss Code des Wirtschaftsdachverbands, der auf Freiwilligkeit setzte und inzwischen mehrmals revidiert und verfeinert worden ist, allerlei weitere Regulierungen erlassen worden sind, namentlich die Richtlinie Corporate Governance (RLCG) und jüngst die Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften, kurz VegüV, die Umsetzung der «Abzockerei-Initiative».

Um beim Thema Vergütungen zu bleiben: Wo früher Verwaltungsräte frei über die Saläre der Geschäftsleitung entscheiden konnten, ist heute in den Gesellschaftsstatuten festgeschrieben, wie an der Generalversammlung Jahr für Jahr über die zurückliegenden und die anstehenden Gehälter abzustimmen ist. Ein Schaulaufen auf der grossen Bühne statt, wie einst, Diskussionen und Entscheide im vertraulichen, vertrauten Kreis.

Ist die Corporate Governance damit besser geworden? Ja und Nein. Ja, weil sich Verwaltungsräte ihrer Verantwortung noch bewusster geworden und klarere Prozesse und Regeln zur Arbeit in den Gremien – etwa mit Ausschüssen – eingeführt worden sind. Ja auch deshalb, weil bei den Diskussionen über das Thema Vergütung zwingend auch die Aussensicht miteinbezogen wird und damit das Bewusstsein der hohen Sensibilität für alle Verwaltungsräte sehr wohl erkennbar geworden ist. Damit einher geht auch ein viel stärkeres Hinterfragen der Ziele und der Sinnhaftigkeit von gewissen Modellen.

Verwaltungsrat oft nicht im Führersitz

Nein, weil die Regelwerke die Verwaltungsräte dazu drängen, zunächst vor allem die Frage zu stellen «Was ist juristisch machbar?» oder «Entsprechen wir den Anforderungen der Stimmrechtsberater?» statt «Was macht unternehmerisch Sinn?». Damit ergeben sich zwangsläufig Fragen und Unklarheiten bei Top-Managern. Vor allem bei denjenigen, die nicht in der Schweiz leben und eine «höhere Macht» für Vergütungsentscheidungen sehr skeptisch betrachten.

Nein auch deshalb, weil das Thema der Vergütung ein Pflichtbestandteil von Statuten und Generalversammlungen geworden ist und damit Kommunikation und Erklärungen oft primär aus einer juristischen und weniger aus einer unternehmerischen Sicht ablaufen.

Der Corporate Governance liegt die Idee zugrunde, dass  die Checks & Balances zwischen Eigentümer, Verwaltungsräten und Geschäftsleitung gut austariert sind. Lebenspraktisch geht eine Aufteilung dieser Macht allerdings häufig mit einer Verwischung der Verantwortlichkeiten einher. So führen nicht zuletzt die zahlreichen Vorschriften und Regeln zu einem noch grösseren «Delegationsreflex» von Verwaltungsrat zu Management, auch im Thema der Managementvergütung. Zwar behalten offiziell die Generalversammlung und der Verwaltungsrat die Entscheidungsmacht, doch stimmt es bedenklich, dass Verwaltungsräte in der konkreten Ausarbeitung von Vorschlägen zu oft in der zweiten Reihe stehen – als «Empfänger» und nicht im Führersitz. Das ist ungut, denn es gilt wie überall: Wer macht, hat Macht.

Wie die Welt ohne detailliert vorgeschriebene Corporate Governance aussieht, lässt sich gut bei den privat gehaltenen Gesellschaften beobachten. Sie kennen weder VegüV noch Quasi-Vorgaben der Stimmrechtsberater und sind auch von vielen weiteren Vorschriften entbunden. Interessanterweise sind es vor allem diese privaten Gesellschaften, die sich oft fundierter mit den Kernfragen der unternehmerischen Tätigkeit auseinandersetzen, die wir unter dem Begriff der Eigentümerstrategie zusammenfassen, die der Diskussion über jedwelche Vergütungsstrategie vorangehen sollte.

Eine Eigentümerstrategie verfolgt das Ziel einer Harmonisierung und Verankerung der Eigentümerinteressen bezüglich zentraler kultureller Werte, Finanzgrössen und qualitativer Rahmenbedingungen. Im Zentrum steht die Frage «Was ist Erfolg?». Damit bildet sie den normativen Rahmen für die Geschäftsstrategie, finanzielle Zielsetzungen sowie die Vergütungsstrategie.

Eine Eigentümerstrategie hat im Kern fünf Elemente: Sinnstiftung, finanzieller Erfolg, bilanzielle Rahmenbedingungen, operative Rahmenbedingungen, Etablieren einer gemeinsamen Sprache zwischen Messen, Steuern und Vergüten. Die Eigentümerstrategie ist das Ergebnis eines strukturierten und moderierten Prozesses. Dabei werden die Interessen und die Ziele der Eigentümer, der Verwaltungsräte sowie der Geschäftsleitung gesammelt. Basierend darauf werden Rahmenparameter und Zielvorgaben für die strategische und die operative Steuerung des Unternehmens definiert.

Bei den meisten Firmen offenbart sich, dass kein gemeinsames Verständnis von «Was ist Erfolg?» besteht. Erfahrungen zeigen, dass rund dreissig bis vierzig verschiedene Erfolgsdefinitionen herumgereicht werden. Dies ist keine ausreichende Basis, um Entscheidungen zum Beispiel in Bezug auf Geschäftsstrategie, Risikomanagement, Organisation, aber auch Vergütung zu fällen. Wenn den Beteiligten nicht klar ist, was Erfolg ist, ist es schwierig, die Tätigkeiten zielführend auszurichten.

Die Eigentümerstrategie ermöglicht eine organisationsweit konsistente Verankerung der wichtigsten Ziele und Erwartungen der Eigentümer. Dies betrifft alle Ebenen einer nachhaltigen Corporate Governance und geht über die kurzfristige, quantitative Steuerung weit hinaus. Entscheidend ist dabei, dass zwischen Rahmenbedingungen und der Zielsetzung per se unterschieden wird. Rahmenbedingungen sind ein Gefäss für die Interessen der Stakeholder, zum Beispiel Mitarbeiter.

Obwohl sie wichtige Stakeholder sind, macht es aus Sicht der Eigentümer betriebswirtschaftlich irgendwann keinen Sinn mehr, die Mitarbeiterzufriedenheit zu maximieren. Das Gleiche gilt für die finanziellen Anliegen von Aktionären, wie zum Beispiel Risikobereitschaft und Liquidität, Kapitalstruktur und Dividendenausschüttungsquote. Die genannten Faktoren sind ebenfalls Rahmenbedingungen und müssen den Zielen im Rahmen der Eigentümerstrategie gerecht werden.

Unternehmerisch statt juristisch

Mit der klaren Unterscheidung zwischen Zielen und Rahmenbedingungen sowie der Konkretisierung der Rahmenbedingen werden der hehre Wunsch und das Streben nach «Nachhaltigkeit» greifbar und werden operationalisiert. Damit schafft man die richtige Grundlage, um scheinbare Interessengegensätze zu bewältigen und korrekt zur Unternehmenssteuerung zu platzieren.

Die wenigsten kotierten Firmen kennen eine ausformulierte Eigentümerstrategie. Sie müssen quasi mit einem Surrogat leben: den Vorgaben der Stimmrechtsberater, die besonders bei institutionellen Investoren Beachtung finden. Eine eigens formulierte Eigentümerstrategie wäre allerdings auch hier eine sinnvolle Ergänzung.

Das Fazit sei erlaubt, dass die zunehmenden Vorschriften die Unternehmensführung bzw. -oberaufsicht nicht zwingend verbessert haben, wobei sie sie natürlich auch nicht verhindern. Mit Blick auf die anstehende Aktienrechtsrevision heisst das, dass zwar die Abstimmungen zu Vergütungsfragen in der aktuellen Form beibehalten werden müssen, ihr bindender Charakter aber gelockert werden könnte. Dies scheint zwar rechtlich unmöglich, doch damit würden die Vergütungsdiskussionen in Verwaltungsräten weniger von juristischen Paragraphen dominiert, und die Zeit könnte für das Gestalten der unternehmerischen Freiheit eingesetzt werden.