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Echtheit ist Glaubenssache

Leonardo da Vinci, «Salvator Mundi», um 1500, Öl auf Holz, 65,7×45,7 cm, Zuschlagspreis: 450,3 Mio. $ (Christie’s, New York, 15. November 2017).

Die Sensation war perfekt, als Christie’s am Abend des 15. November in New York das Leonardo da Vinci zugeschriebene Gemälde «Salvator Mundi» für 450 Mio.  $ an einen damals noch unbekannten Telefonbieter verkaufte. Als Käufer dieses teuersten Kunstwerks der bekannten Auktionsgeschichte entlarvte die «New York Times» rund drei Wochen später den saudischen Prinzen Bader bin Abdullah bin Mohammed bin Farhan Al Saud, einen Verwandten der arabischen Herrscherfamilie.

Leonardos «Weltenretter» soll fortan im Louvre von Abu Dhabi ausgestellt werden, einem nur eine Woche vor der Versteigerung eröffneten Gemeinschaftsprojekt mit dem gleichnamigen Pariser Mutterhaus. Dass das Emirat ausgerechnet ein Jesus-Porträt zur Hauptattraktion seines Topmuseums wählt, mag abendländische Beobachter erstaunen. Museumspolitisch ist diese Investition durchaus sinnvoll: Mit dem Besitz eines eigenen Da-Vinci-Gemäldes diesen Ranges rückt Abu Dhabis zuweilen als Parvenu-Museum belächelter Mini-Louvre aus touristischer Sicht zur Schwester des ehrwürdigen Pariser Kunsttempels auf. Wenn der teure  «Weltenretter» pro Jahr ein zusätzliches Tourismusaufkommen in der Grössenordnung von 25 Mio. $ generiert, dann lohnt sich dieser Megakauf mit einer Rendite von 5% p. a. auch kunstökonomisch.

Die Zweifel bleiben

Mit den Jahren dürften dann auch die meisten Zweifler an der Echtheit dieses letzten Da-Vinci-Gemäldes aus Privatbesitz verstummen, zumal die Hüter dieses Schatzes kaum weitere Echtheitsuntersuchungen anstellen oder zulassen werden. Derzeit allerdings sind die zahlreichen zweifelnden Stimmen in Kunst- und Kunstmarktkreisen noch keineswegs verstummt. Ihre Einschätzung des Bildes reicht von einem zwar von Leonardo da Vinci oder seinen Schülern gemalten, aber völlig verrestaurierten Werk bis zu einer absichtlichen Fälschung aus jüngerer Zeit. Besonders scharfzüngige Spötter meinen gar, das Auktionshaus Christie’s habe dieses Bild nur deshalb nicht in einer Altmeistergemäldeauktion, sondern in einer Gegenwartskunstauktion versteigert, weil es eben gar nicht alt sei.

Entgegen allen Beteuerungen von Experten in Museums-, Auktions- und Wissenschaftskreisen lassen sich derartige Echtheitszweifel tatsächlich nicht vollständig ausräumen. Das als Echtheitsbeweis angeführte Auftauchen des Werks, das vermutlich um 1500 entstanden war, in einer Art «Zwangsversteigerungskatalog» der Sammlung des englischen Königs Charles I. um1650 könnte einem geschickten Fälscher ja auch als Motivvorgabe gedient haben. Genauso könnte ein Fälscher alte Entwurfszeichnungen und Kupferstiche eines verschollenen Gemäldes als Vorlagen verwendet haben.

Dass Fälscher ein bekanntes, aber verschollenes Gemälde nachmalen und auferstehen lassen, ist jedenfalls nichts Neues. Die alten Katalog- und Inventareinträge verleihen der «Wiederentdeckungslegende» des neuen Bildes zusätzliche Glaubwürdigkeit. Bildvergleiche hat der Fälscher dabei nicht zu fürchten, enthielten Sammlungskataloge und Besitzverzeichnisse vor der Erfindung der Fotografie um 1840 doch meist nur knappe Textbeschreibungen ohne Abbildungen oder auch nur Massangaben.

Auffällige Verbindungen

Die jüngere Fälschungsgeschichte birgt ein prominentes Beispiel für die Praxis, ein nur mangelhaft katalogisiertes und als verschollen geltendes Gemälde neu zu malen und wiederauferstehen zu lassen. So will sich der deutsche Meisterfälscher Wolfgang Beltracchi für seine zeitweilig als «Schlüsselwerk der Moderne» gefeierte Nachschöpfung von Heinrich Campendonks «Rotes Bild mit Pferden» von 1914 nur auf sein künstlerisches Einfühlungsvermögen sowie eine handschriftliche Bilderliste des Künstlers und einen Ausstellungskatalogeintrag von 1920 – beide ohne Abbildungen – gestützt haben.

Nun besteht zwischen dem Fälscher Beltracchi und Leonardos «Weltenretter» zwar kein direkter Zusammenhang, wohl aber ein indirekter, und zwar über den internationalen Schweizer Kunsthändler Yves Bouvier. Dieser hatte den «Salvator Mundi» 2013 für rund 125 Mio. $ an den russischen Milliardär Dmitri Rybolowlew vermittelt, der das Bild schliesslich in die Christie’s-Auktion eingeliefert (und damit seinerseits über 200 Mio. $ verdient) hat.

In Bouviers aktuellem Wikipedia-Porträt (gesichtet 27. Oktober 2017) findet sich nun der Hinweis: «Yves Bouvier hat auch mit Bildern des deutschen Kunstfälschers Wolfgang Beltracchi gehandelt (…)», der sich auf einen «Zeit Online»-Beitrag von 2013 stützt. Wenn man zudem weiss, dass Meister Beltracchi selbst als intimer Szenekenner die Existenz noch weit grösserer Fälscher und Fälschungen für möglich hält, dann braucht es nicht mehr allzu viel Fantasie für ein entsprechendes Kunstkrimi-Drehbuch.

Experten keine Garantie

Natürlich sind solche Personen- und Namensverbindungen kein Hinweis auf eine Fälschung und schon gar kein Beweis für eine solche. Sie erinnern aber daran, dass die Frage nach der Echtheit eines alten Gemäldes und nach seinem Schöpfer am Ende eine Glaubensfrage bleibt. Stilistische, kunstwissenschaftliche und naturwissenschaftliche Untersuchungen können eine entsprechende Überzeugung zwar stärken, aber keine Sicherheit bieten.

Das spiegelt auch die Beschreibung im Christie’s-Auktionskatalog, die das Ergebnis der zahlreichen Expertengutachten lediglich zu einer «Meinung» zusammenfasst: «Die Untersuchung und Prüfung des Gemäldes durch diese Wissenschaftler resultiert in der breit übereinstimmenden Meinung (‹Broad Consensus›), dass der ‹Salvator Mundi› von Leonardo da Vinci gemalt wurde und das einzige Originalgemälde ist, nach dem die zahlreichen Kopien und Schülerversionen entstanden.»