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Die zukünftige Debatte zur Technologiepolitik

Während der US-Präsidentschaftskampagne 2016 wurden die Server des Nationalkomitees der Demokraten gehackt und die wenig schmeichelhaften E-Mails, die sich darauf befanden, veröffentlicht. Vor einigen Tagen nun heulten im texanischen Dallas mehrere Stunden lang die Warnsirenen. Was haben diese beiden Ereignisse gemeinsam? Es ist das gleiche Phänomen, das die nordkoreanische Nuklearbedrohung mit den Terroranschlägen in Europa und den Vereinigten Staaten verbindet: Sie alle spiegeln die dunkle Seite eigentlich nützlicher Technologien – deren Risiken immer mehr nach einer entschiedenen politischen Reaktion verlangen.

Die wachsenden Probleme im Zuge neuer Technologien werden auch durch die Debatte über die sogenannte Netzneutralität verdeutlicht, ebenso wie durch den Streit zwischen Apple und dem FBI über die Entsperrung verdächtiger iPhones von Terroristen. Dies ist kaum überraschend: Solche Technologien gewinnen immer mehr an Einfluss. Da sie von unserer Sicherheit (durch Nuklearwaffen und Cyber-Kriege) bis hin zu unseren Arbeitsplätzen (Stellenverlust durch Software und Automatisierung) immer mehr Bereiche beeinflussen, ist ihr Effekt nicht nur vorteilhaft, sondern kann auch nachteilig und vielleicht sogar bösartig sein.

Zunächst die gute Nachricht: Durch Technologie konnten Krankheiten wie die Pocken ausgerottet und andere wie Polio stark eingedämmt werden. Neue Technologien trugen dazu bei, den Weltraum zu erforschen, die Verkehrssysteme zu beschleunigen und für das Finanzwesen, die Unterhaltung und viele andere Bereiche neue Möglichkeiten zu schaffen. Allein dank dem Mobilfunk konnte die grosse Mehrheit der Weltbevölkerung von Kommunikationsbeschränkungen befreit werden.

Produktivität gesteigert

Auch die wirtschaftliche Produktivität wurde durch technischen Fortschritt gesteigert. Fruchtwechsel und stärkere Mechanisierung haben zu einer dramatischen Zunahme des landwirtschaftlichen Ertrags geführt und es der menschlichen Zivilisation ermöglicht, vom Land in die Städte zu ziehen. Noch 1900 lebte ein Drittel der Amerikaner auf Farmen. Heute sind es nur noch 2%.

Auch die Elektrifizierung, die Automatisierung, die Software und zuletzt die Robotik konnten entscheidend zur Verbesserung der Produktivität beitragen. Mein Kollege Larry Lau und ich schätzen, dass etwa die Hälfte des Wirtschaftswachstums der G-7-Volkswirtschaften auf technologische Veränderungen zurückzuführen ist.

Pessimisten sorgen sich, die Verbesserung der Produktivität durch Technologie könnte abnehmen und ihr früheres Niveau nicht wieder erreichen. Sie behaupten, Technologien wie die Internetsuche und die sozialen Netzwerke würden die Produktivität nicht im gleichen Ausmass verbessern, wie es bei der Elektrifizierung und dem Aufstieg des Automobils der Fall war.

Unerwartete Ergebnisse

Optimisten hingegen glauben, Entwicklungen wie Big Data, Nanotechnologie und künstliche Intelligenz könnten ein neues Zeitalter technologiegetriebener Fortschritte einleiten. Es sei zwar nicht möglich, die nächste «Killer-App» vorherzusagen, die aus diesen Technologien hervorgehe, aber dies sei kein Grund anzunehmen, dass es sie nicht gebe. Immerhin entsteht der grösste kommerzielle Wert wichtiger Technologien manchmal aus ganz anderen Anwendungen als denen, die ihre Erfinder im Sinn hatten.

James Watts Dampfmaschine beispielsweise wurde entwickelt, um Wasser aus Kohlegruben zu pumpen, und nicht als Antrieb für Lokomotiven oder Schiffe. Auch Guglielmo Marconis Arbeit an der Langstreckenübertragung von Radiowellen hatte zunächst nur den Zweck, dem Telegrafen Konkurrenz zu machen. Marconi hat dabei nie an Radioübertragungen oder moderne drahtlose Kommunikation gedacht.

Aber der technische Fortschritt hat auch zu erheblichen Verwerfungen geführt und vielen Menschen geschadet. Im frühen 19. Jahrhundert haben die Textilarbeiter in Yorkshire und Lancashire – die «Ludditen» – aus Angst um ihre Arbeitsplätze neue Maschinen wie automatische Webstühle und Wirkstühle zerstört.

Sorgen wegen der Roboter

Auch heute noch werden Arbeiter durch Maschinen ersetzt. In den Industriestaaten gehen immer mehr Produktionsarbeitsplätze an Roboter verloren. Viele sorgen sich, die künstliche Intelligenz werde weitere Verdrängungen zur Folge haben, obwohl die Lage vielleicht nicht so ernst ist wie befürchtet. In den Sechzigern und den frühen Siebzigern wurde allgemein angenommen, Computer und Automatisierung würden zu struktureller Massenarbeitslosigkeit führen. Dies ist nie geschehen, da diese Stellenverluste durch neue Arten von Arbeitsplätzen ausgeglichen wurden.

Auf jeden Fall ist diese Verdrängung von Arbeitsplätzen nicht die einzige negative Folge neuer Technologien. Das Automobil hat die Mobilität enorm erhöht, aber zum Preis ungesunder Luftverschmutzung. Durch Kabelfernsehen, Internet und die sozialen Medien haben die Menschen eine noch nie dagewesene Macht über die Informationen erhalten, die sie empfangen und miteinander teilen. Aber diese Technologien haben auch zur Balkanisierung von Informationen und sozialen Kontakten beigetragen, da die Menschen Quellen und Netzwerke bevorzugen, die ihre eigenen Vorurteile verstärken.

Darüber hinaus wird die moderne Informationstechnologie von einigen wenigen Unternehmen dominiert. Google ist heute beispielsweise fast gleichbedeutend mit der Suche im Internet. Früher gab es aus Angst vor Monopolen gegen eine solche Konzentration wirtschaftlicher Macht noch deutlich stärkeren Widerstand. Und trotzdem geraten diese Unternehmen besonders in Europa immer stärker ins Visier der Wettbewerbshüter. Ob die meist tolerante Einstellung der Verbraucher gegenüber diesen Gesellschaften ausreicht, den Sorgen über Grösse und Missbrauch von Marktmacht entgegenzuwirken, wird sich zeigen.

Zerstörerisches Potenzial

Aber noch offensichtlicher werden die dunklen Seiten der Technologie dadurch, dass sie den Feinden einer freien Gesellschaft die Vermittlung, Planung und Durchführung ihrer destruktiven Taten erleichtert. So werben der IS und Al-Kaida im Internet um Nachwuchs und stellen dort Anleitungen zur Durchführung von Terroranschlägen zur Verfügung. Oft müssen diese Gruppen noch nicht einmal direkt mit Menschen in Kontakt kommen, um sie zu solchen Anschlägen zu «inspirieren». Und natürlich sorgt die Atomkraft nicht nur für emissionsfreien Strom, sondern ist auch für enorm zerstörerische Waffen verantwortlich.

All diese Bedrohungen und Folgeschäden erfordern klare politische Antworten, die sich nicht nur um die Vergangenheit und die Gegenwart drehen, sondern sich auch mit der Zukunft befassen. Nur allzu oft verstricken sich die Regierungen in engstirnige und kurzsichtige Diskussionen wie diejenige zwischen dem FBI und Apple und verlieren dabei den Überblick über zukünftige Risiken und Herausforderungen. Dies kann wirklich schlimme Folgen haben – wie Cyber-Angriffe, die Stromnetze ausser Gefecht setzen. Über die sofortigen Folgen hinaus könnte ein solches Ereignis bewirken, dass die Bürger aus Gefühlen der Verunsicherung heraus übertriebene Restriktionen für Technologien fordern, was auf Kosten von Freiheit und Wohlstand gehen würde.

Was wir wirklich brauchen, sind neue und stärkere Institutionen, wirksame Massnahmen und eine bessere Zusammenarbeit der Ordnungskräfte, der Privatunternehmen und der Regierungen. Es reicht nicht, dass solche Strategien immer nur auf Entwicklungen reagieren – sie müssen sie voraussehen. Nur so können wir zukünftige Risiken abmildern, während wir gleichzeitig die Möglichkeiten neuer Technologien nutzen, um das Leben der Menschen zu verbessern.

Copyright: Project Syndicate.