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Die Zinsparität

Gemäss der Theorie werden Zinsunterschiede in verschiedenen Ländern durch Anpassungen im Wechselkurs ausgeglichen.

Es sind magere Zeiten für Schweizer Sparer. Wer sein Geld auf einem Sparkonto anlegt, muss sich gegenwärtig mit einem Jahreszins von maximal 0,3% begnügen. Dagegen wirft ein Sparkonto in Brasilien einen Zins von knapp 6% jährlich ab. Wäre es unter diesen Voraussetzungen nicht lohnenswert, die Ersparnisse ins Ausland zu transferieren?

Was nach einem Free Lunch – also einem risikofreien Gewinn – klingt, widerspricht einem der fundamentalsten Gesetze der Ökonomie: Die Zinsparität. Sie bedeutet, vereinfacht gesagt, dass Zinsunterschiede in verschiedenen Ländern durch Anpassungen im Wechselkurs ausgeglichen werden ( Erklärung der Zinsparität ).

Abkehr vom Goldstandard

Die Wurzeln des Theorems reichen bis ins 18. Jahrhundert zum schottischen Philosophen David Hume zurück. Doch zu Papier gebracht hat die Theorie der britische Ökonom John Maynard Keynes. In «A Tract on Monetary Reform» beschrieb er 1923, wie Kaufleute das Währungsrisiko mittels Terminkontrakten (Forward) absichern können. «Es gibt kaum ein anderes Thema im Finanzbereich, das so bedeutend ist und trotzdem so wenig Beachtung und Publizität findet», stellte Keynes dort fest.

Keynes veröffentlichte sein Papier in währungspolitisch turbulenten Zeiten. Der Erste Weltkrieg hatte die Währungsordnung verändert. Von 1870 bis 1914 war der Goldstandard weltweit das dominierende Währungssystem gewesen. Doch mit dem Kriegsausbruch wurde die Einlösungspflicht für Gold zunächst aufgehoben. 1919 lösten verschiedene Länder ihre Koppelung an den fixen Wechselkurs, der den Wert ihrer Währung im Verhältnis zum Gold festlegte (Goldparität). Die Abkehr vom Goldstandard führte zu starken Wechselkursschwankungen. Das Regime der freien Wechselkurse währte allerdings nicht lange. 1925 kehrte Grossbritannien zum Goldstandard zurück und stellte die Vorkriegsparität wieder her. Andere Länder folgten dem britischen Beispiel.

Zwei Formen der Parität

Im Kern des Theorems steht die Annahme, dass ein rationaler Anleger sein Geld dort anlegt, wo er den grössten erwarteten Ertrag erzielt. Daraus ergibt sich die erste zentrale Voraussetzung für die Zinsparität: Damit der Anleger die Wahl hat, im Ausland zu investieren, muss das Kapital zwischen Inland und Ausland vollkommen frei zirkulieren können. Zweitens müssen die Anlagen substituierbar sein, das heisst sie sind hinsichtlich Risiko und Liquidität identisch. Der Unterschied liegt einzig im Zins und der Währungseinheit. - Sind diese Voraussetzungen erfüllt und gilt die Zinsparität, ist der Ertrag der beiden Anlageoptionen am Ende der Laufzeit gleich. Der Anleger erhält im Ausland möglicherweise einen höheren Zins, doch diese Differenz wird durch Veränderungen im Wechselkurs und den Rücktausch in die inländische Währung ausgeglichen.

Die Theorie unterscheidet zwei Formen der Zinsparität, nämlich die gedeckte und die ungedeckte Zinsparität. Bei der gedeckten Variante sichert der Investor das Währungsrisiko mittels Terminkontrakt ab. Wenn die Zinsparität nicht gilt, eröffnet sich eine Arbitragemöglichkeit: Ein Anleger kann sich in der Währung, die zum niedrigeren Satz verzinst wird, verschulden und das Geld in die hochverzinsliche Währung investieren. Weil er gegen Wechselkursschwankungen abgesichert ist, erzielt er einen Gewinn, ohne ein Risiko eingegangen zu sein. Durch das Anlegerverhalten werden die Wechselkurse so beeinflusst, dass die Arbitragemöglichkeit verschwindet ( vgl. Box unten ).

Entscheidet sich der Anleger, das Währungsrisiko nicht abzusichern, spricht man von ungedeckter Zinsparität: Der investierte Betrag wird erst am Ende der Laufzeit zum dann geltenden Wechselkurs in die inländische Währung getauscht.

Indikator für Effizienz

Zu Keynes Lebzeiten waren Abweichungen von der Zinsparität an der Tagesordnung. Zwei Weltkriege und die Grosse Depression hatten die globale Wirtschaft zusammenbrechen lassen: Die internationalen Kapitalströme waren beinahe versiegt und Kapitalkontrollen weitverbreitet. Bereits 1923 hatte Keynes verschiedene Gründe dafür aufgeführt, wieso Abweichungen vom Gleichgewichtswechselkurs trotz Arbitragemöglichkeiten vorkommen können. Dazu zählen Transaktionskosten, Kapitalkontrollen oder das Gegenparteirisiko – also Faktoren, die die beiden Voraussetzungen Kapitalmobilität und Substituierbarkeit verletzen.

Als das System von Bretton Woods (1945-1971), bei dem der Dollar als Ankerwährung gedient hatte, Anfang der Siebzigerjahre zusammenbrach, setzte sich erneut ein flexibles Währungsregime durch. Mit zunehmender Globalisierung der Finanzmärkte zeigte sich, dass die gedeckte Zinsparität ziemlich gut – wenngleich nicht perfekt – funktioniert. Die Relation entwickelte sich zu einem bedeutenden Mass für die Effizienz der Kapitalmärkte.

Studien vor dem Ausbruch der Finanzkrise zeigten, dass verschiedene Währungspaare Abweichungen vom Gleichgewichtswechselkurs aufwiesen. Das Zeitfenster für Arbitrage war aber klein: nach 30 Sekunden bis 4 Minuten waren die Abweichungen verschwunden. Dennoch eröffnen solche Ungleichgewichte Opportunitäten, etwa für den computergestützten Hochfrequenzhandel. Als die Finanzkrise ausbrach, stiegen die Abweichungen von der gedeckten Zinsparität. Einerseits nahm das Gegenparteirisiko zu. Zudem verknappten sich die verfügbaren Finanzmittel. Erst als die US-Notenbank zusammen mit weiteren Zentralbanken die Liquidität erhöhte, nahm die Kapitalmobilität wieder zu und die Werte näherten sich dem Gleichgewichtswechselkurs an.

Riskante Strategie

Statistische Untersuchungen zur ungedeckten Zinsparität kommen zu gemischten Ergebnissen. Viele Forschungspapiere haben ihre Gültigkeit in Frage gestellt oder verworfen. Gegen die ungedeckte Zinsparität spricht etwa die Tatsache, dass Anleger mit Carry Trades Profite erzielen. Sie leihen sich dabei Geld zu einem günstigen Zinssatz und investieren in eine hochverzinsliche Währung. Das Währungsrisiko wird dabei nicht abgesichert, es handelt sich daher nicht um Arbitrage, sondern um Spekulation.

Die Strategie kann sich lohnen, allerdings birgt sie Risiken. Ein extremes Beispiel ist die Finanzkrise in Island, die – gemessen an der Wirtschaftsleistung – zu den grössten in der Wirtschaftsgeschichte gehört. Mit hohen Zinsen lockten isländische Banken ausländische Anleger an. So offerierte etwa die Grossbank Icesave im Mai 2008 Sparzinsen von über 7%. Das böse Erwachen kam, als die Institute nach Ausbruch der Finanzkrise ihre Schulden nicht mehr bedienen konnten. Die isländische Krone – und damit die Ersparnisse der ausländischen Anleger – verlor rapide an Wert. Die Regierung konnte eine unkontrollierte Abwertung nur durch Kapitalverkehrskontrollen stoppen.