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«Die SNB bewegt den Negativzins nicht»

Es gibt keinen Bedarf für die SNB, an ihrer Geldpolitik mit Negativzins und Devisenintervention etwas zu ändern.

Herr Jung, die Börsen haben sich vom Einbruch Ende 2018 erholt. Geht die Hausse weiter? - Vor einem Jahr war unklar, ob die US-Notenbank die Zinsen schneller erhöhen wird als vom Markt erwartet. Jetzt steht die Frage im Zentrum, wie stark sich die Wirtschaft abkühlt – in China, den USA, Europa und auch Japan. Wir erwarten eine Konjunkturschwäche, sie wird aber moderat sein. Eine Rezession ist nicht in Sicht, weder in den grossen Volkswirtschaften noch in der Schweiz. Die wirtschaftliche Expansion geht weiter, mit minderer Geschwindigkeit.

Wie sollen Anleger ihr Portefeuille für eine Konjunkturdelle ausrichten? - Wir empfehlen eine neutrale Gewichtung in globalen Aktien. US-Aktien haben wir Mitte Januar von «übergewichtet» auf «neutral» reduziert. Die Aktienmärkte der Eurozone haben wir von «neutral» auf «Untergewichten» herabgesetzt. Für Schwellenländeraktien sind wir seit kurzem positiv.

Europäische Aktien sind deutlich günstiger bewertet als amerikanische. Ist das kein Kaufgrund? - Wir sind für Europa recht negativ eingestellt und sehen nicht, dass von der Wirtschaft oder auch anderswoher grosse Impulse für steigende Aktien kommen könnten. Die Geopolitik bleibt im Vordergrund, in Europa der Brexit. Hauptsächlich aber zeigen die Konjunkturindikatoren, dass die Wachstumsabschwächung weitergeht, auch in den Kernländern.

Welche Aktien empfehlen Sie? - Wir setzen auf defensive Sektoren wie Pharma, da kein bedeutender Konjunkturaufschwung zu erwarten ist. Für Europas zyklische Sektoren ist entscheidend, was in der globalen Wirtschaft geschieht, vor allem in China.

Wie steht es um die Nachfrage aus China? - Die etwas besseren Daten zur Industrieproduktion und der Detailhandel liefern Anzeichen, dass die Konjunkturschwäche in China an der Talsohle angekommen ist. Anders als 2015 und 2016 erhöht die Regierung aber die Staatsausgaben nicht massiv, um die Wirtschaft anzukurbeln. Die Zunahme beträgt etwa 10%, vor vier Jahren waren es 30%. Der Fiskalimpuls ist also deutlich geringer. Die Wahrscheinlichkeit für neue grosse Infrastrukturprojekte ist gering.

Hält sich die chinesische Regierung wegen der Schulden zurück? - Der chinesische Staat hat relativ wenig Schulden, sie machen rund 30% des Bruttoinlandprodukts aus – in Europa und den USA liegt die Staatsschuldenquote etwa bei 100%. Netto, unter Berücksichtigung der Währungsreserven, hat China im Prinzip keine Staatsschulden. Die privaten Schulden von Unternehmen sind hingegen sehr stark gewachsen. Die Regierung hat aber noch Pulver trocken.

Im Herbst befürchteten die Börsen, der Zins für zehnjährige US-Staatsanleihen von damals 3,2% steige weiter. Jetzt liegt er bei 2,7%. Ist die Zinswende vertagt? - Die Zinsen bewegen sich in den nächsten sechs Monaten seitwärts, gerade auch in den USA. Zur Wirtschaftsabschwächung kommt, dass das Fed «geduldig» ist, wie die Notenbanker sagen. Die Finanzierungsbedingungen am Markt wurden im vierten Quartal mit den fallenden Aktien und der steigenden Volatilität restriktiver. So stieg der Zins für dreissigjährige Hypotheken. Seit Januar hat dies gedreht.

Was bedeuten die lockeren Finanzierungsbedingungen für das Fed? - Sie sprechen dafür, dass sich die US-Notenbank Fed im Stande sehen wird, die Leitzinsen zu erhöhen. Damit soll es etwas schwieriger werden, Kredite zu bekommen. Das Fed wird dieses Jahr zwei Zinsschritte vornehmen, der erste kommt frühestens im Juni.

Zehnjährige US-Zinsen sind kaum höher als zweijährige, die Zinskurve ist flach. Dies gilt als Warnsignal für eine Rezession. - Die Zinskurve ist ein Indikator von vielen. Die Aussagekraft wird vom Markt überbewertet. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es in den USA zu einer Rezession kommen wird. Der Konsum respektive die Binnennachfrage ist und bleibt stark. Die Arbeitslosenrate ist sehr tief, die Beschäftigungsquote nimmt zu und die Reallöhne wachsen. Die Nachfrage nach Hypotheken ist fast auf ein Zehnjahreshoch gestiegen. Die Zahl der neu gegründeten Haushalte nimmt weiterhin zu.

Erhöht die Europäische Zentralbank die Leitzinsen dieses Jahr ebenfalls? - Die EZB wird die Zinsen dieses Jahr nicht erhöhen. Es ist ganz klar: Die Konjunkturdaten sind einfach nicht gut. Die EZB betrachtet die Risiken für die Wirtschaft nicht mehr als ausgeglichen, sondern als abwärtsgerichtet. Es gibt in Europa keinen Inflationsdruck. Der Terminmarkt erwartet die erste Zinserhöhung nicht mehr für Herbst, sondern erst Anfang 2020.

Wird die EZB in der Konjunkturflaute expansiver? - Die Wirtschaftsdaten sind enttäuschend, aber nicht katastrophal schlecht, sodass die EZB ihre Geldpolitik nicht lockern wird. Wir erwarten kein neues Anleihenkaufprogramm, sehen allerdings die Möglichkeit eines neuen Liquiditätszuschusses an die Banken – sogenannter TLTRO.

Wie sollen Anleger im Niedrigzinsumfeld ihr Anleihenportfolio positionieren? - Im Seitwärtstrend der Zinsen beurteilen wir Staatsanleihen aus Europa und den USA weniger negativ als zuvor. Wir mögen Schwellenländeranleihen, in Dollar denominiert. Wenn das Fed geduldig ist, wird der Dollar nicht deutlich erstarken, womit kaum mehr Kapital aus Schwellenländern in höher verzinsliche US-Anleihen fliesst.

Empfehlen Sie hochverzinsliche Anleihen? - Wir sind in High-Yield-Bonds nicht übergewichtet, wir bleiben aber investiert. Wir rechnen nicht mit einer Rezession in den USA. Es ist daher unwahrscheinlich, dass die Ausfallrate deutlich steigt. Auch europäische Hochzinsanleihen bleiben im Portfolio.

Sollen nun Anleger im Portfolio von Aktien in Anleihen umschichten? - Von Aktien in Cash und in Bonds, auch in Staatsanleihen. Zehnjährige deutsche Bundesanleihen rentieren 0,2%, das ist natürlich nicht viel, aber besser als der negative Geldmarktzins im Euro von –0,4%.

Zehnjährige Staatsanleihen aus Italien werfen 2,7% Rendite ab. - Das empfehlen wir nicht. Italien ist mittelfristig ganz klar der grösste Risikofaktor für Europa. Das Schuldenproblem wird unterschätzt. Die Staatsschuldenquote beträgt 135% des BIP. Falls die Zinsen steigen, sinken die Kurse der Staatsanleihen, die in grossem Ausmass bei italienischen Banken liegen. Diese müssen dann mehr Kapital halten. Das schmälert die Kapazität und die Bereitschaft der Banken, der Wirtschaft Kredite zu gewähren. Dieser Transmissionsmechanismus ist ein Risiko nicht nur für Italien, sondern auch für Europa. Anders als Griechenland ist Italien ein grosser Fisch.

Wenn die EZB die Zinsen nicht erhöht, kann dann die Schweizerische Nationalbank wenigstens den Negativzins aufheben? - Der Negativzins ist ein Wettbewerbsnachteil für Schweizer Banken im internationalen Umfeld. Der von der SNB erhobene Negativzins auf Giroguthaben betrug im Jahr 2017 über 2 Mrd. Fr. Das ist eine Steuer. Die Nationalbank wird aber nicht vor der EZB die Zinsen erhöhen, sie wird den Negativzins nicht bewegen. Das Signal für den Devisenmarkt wäre zu stark, der Franken würde sich zu sehr aufwerten.

Wie entwickelt sich der Franken-Euro-Kurs? - Derzeit handelt er um 1.14 Fr./€, der Terminmarkt erwartet einen Anstieg auf 1.16 Fr./€. Wir prognostizieren hingegen, dass sich der Kurs seitwärts bewegt.

Bei welchem Kurs interveniert die SNB? - In der Vergangenheit waren Kurse von 1.06 und vor allem von 1.08 Fr./€ wichtige Marken. Die SNB beurteilt den Franken weiterhin als stark, und die mittelfristige Inflationsprognose ist gesunken. Es gibt keinen Bedarf für die SNB, an ihrer Geldpolitik mit Negativzins und Devisenintervention etwas zu ändern. Handelsgewichtet ist der Franken auch unseres Erachtens weiterhin hoch bewertet, auch wenn er sich zum Dollar abgewertet hat.

Was bedeutet der starke Franken für die Schweizer Exporteure? - Ein festerer Dollar ist positiv für die Exporte in die USA, den Nahen Osten und den asiatischen Raum. Haupthandelspartner ist aber die Eurozone, und dort schwächt sich die Konjunktur ab. Deshalb ist die hiesige Wirtschaft im dritten Quartal real 0,2% geschrumpft, wie in Deutschland. Das Wachstum des Schweizer BIP wird abnehmen, von 2,5% im vergangenen Jahr auf 1,5% im laufenden Jahr.

Hat der Schweizer Werkplatz den Frankenschock von 2015 verdaut? - Gerade die Schweizer KMU haben sich sehr gut an den starken Franken angepasst. Auch dieses Jahr laufen zyklische Aktien bei den Small- und Mid Caps gut.