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Die Schweizer Uhrenindustrie tickt im Asien-Rhythmus

In Hongkong sowie in China, dem drittwichtigsten Abnehmer, brachen die Verkäufe um 20,8 bzw. 8,8% ein.

Für die einen ist das Glas halb leer, für die anderen halb voll. So lässt sich die divergierende Wahrnehmung der Vertreter der Schweizer Uhrenindustrie zusammenfassen. Manche konstatieren, dass die Branche in Gefahr ist, dass Schlüsselmärkte rückläufig und Lager übervoll sind und dass der Stellenabbau auch im nächsten Jahr weitergehen wird. Andere geben sich optimistischer, erwähnen das phänomenale Wachstum der letzten Jahre und glauben, dass Asien auch weiterhin ein gigantisches Wachstumspotenzial besitzt, dass zahlreiche Märkte weiter wachsen und reifen werden und dass die Mittelschicht der Bevölkerung weltweit explosionsartig zunehmen wird: Sie freuen sich auf goldene fünfzehn bis zwanzig Jahre.

Die Fakten sprechen für sich: Nach fünf starken Wachstumsjahren in Folge sind die Uhrenexporte in den ersten acht Monaten dieses Jahres um 1,2% zurückgegangen. Während von den fünfzehn wichtigsten Absatzmärken deren elf von Januar bis August einen Aufwärtstrend (2,9 bis 24%) verzeichneten, waren vier rückläufig. Das Problem ist Hongkong, der bedeutendste Marktplatz für Schweizer Uhren. Hier sowie in China, dem drittwichtigsten Abnehmer, brachen die Verkäufe um 20,8 bzw. 8,8% ein.

«Der Einbruch in Hongkong ist unbestritten, nur bedarf er einer richtigen Interpretation. So haben wir massive Verschiebungen festgestellt. Die Chinesen kaufen weiterhin Uhren, nur eben nicht in Hongkong, sondern in Japan, Korea, Taiwan oder in Europa», erklärt Juan Carlos Torres, CEO von Vacheron Constantin. «Chinesen, die sich Luxusprodukte leisten können, sind immer noch kauflustig, aber sie decken sich dort ein, wo der Wechselkurs günstig ist», bestätigt der Asienverantwortliche einer der Marken des Richemont-Konzerns und Chef von 200 Mitarbeitern. Als Folge davon ist er zurzeit daran, seine Teams neu zusammenzustellen, indem er das in Hongkong verkleinert und in andern asiatischen Ländern ausbaut.

Phänomenale Märkte

Dies war das Umfeld der dritten Auflage des Salons Watches & Wonders, Pendant des Genfer SIHH, aber einem breiten Publikum geöffnet, der im Oktober in Hongkong stattgefunden hat. Zwölf Marken der Haute Horlogerie (alle Labels der Richemont-Gruppe, ausgenommen Richard Mille) waren präsent, die Besucherzahl lag mit 20‘000 um 25% höher als im Vorjahr. Fabienne Lupo, Präsidentin und Generaldirektorin der Fondation de la Haute Horlogerie und Organisatorin des Salons, zieht eine befriedigende Bilanz, denn das Publikum wird von Mal zu Mal qualitativ interessanter. «Auch wenn uns der Wind stärker ins Gesicht bläst, müssen wir in dieser Region Präsenz markieren, denn sie ist der weltweit wichtigste Markt für Luxusprodukte», mahnt Georges Kern, CEO von IWC. Daniel Riedo, CEO von Jaeger-LeCoultre, unterstreicht die Bedeutung des Hongkonger Salons als wichtige Kommunikationsplattform für die Marke aus dem Vallée de Joux.

Dies ändert aber nichts daran, dass die in Hongkong generell rückläufige Luxusindustrie vermutlich kein vorübergehendes Phänomen sein wird. «Hongkong hat sich mit der Regenschirmrevolution 2014 in den eigenen Fuss geschossen», nervt sich ein Herausgeber vor Ort. «Die Luxusindustrie von Hongkong kann nicht zu 80% von den Kontinentalchinesen leben und ihnen gleichzeitig klar zu verstehen geben, dass man sie eigentlich nicht mag.»

Niemand macht sich grosse Illusionen: Hongkong wird zwar weiterhin ein überaus wichtiger Handelsplatz sein, aber nur wenige Akteure glauben daran, dass die Sonderverwaltungszone zu ihrer ursprünglichen Bedeutung zurückfinden wird. Für die lokalen Uhrengeschäfte sind die Zeiten hart, und die Detailhändler haben die Schweizer Uhrenfirmen um unterstützende Massnahmen gebeten. Worauf zahlreiche Marken ihre Preise nach unten angepasst haben, um die Auswirkungen der Wechselkurse zu kompensieren. Die Situation für diese Händler ist tatsächlich alles andere als komfortabel. Anderseits soll daran erinnert werden, dass sie schon früher und trotz vorteilhaften Kursbedingungen substanzielle Rabatte gewährten. Und sie tun dies weiterhin, vor allem angesichts der übervollen Lager.

Stabile Aussichten für 2016

Die Situation in Hongkong ist für die Akteure der Luxusindustrie in der Tat wenig erfreulich. Aber nicht nur für sie. Weniger Besucher, weniger Touristen, weniger Verkehr, weniger Umsatz, rückläufige Mieten – die Metropole erlebt schwierige Zeiten. Dennoch: Obwohl Hongkong leidet und das Wachstum in China sich verlangsamt, bleibt Asien die Region, die der Luxusindustrie in den kommenden Jahren Wachstum bescheren wird. Wie viele seiner Berufskollegen ist Nicolas Bos, CEO Van Cleef & Arpels, überzeugt, dass Asien und Hongkong für Uhren und Schmuck vielversprechende Märkte bleiben werden. «Auf die aussergewöhnlichen Jahre nach der Öffnung Chinas mit fantastischen Wachstumszahlen folgt nun eine Phase der Marktreifung, der Stabilität und des mittelfristig moderateren Wachstums. Aber unsere Zukunft liegt definitiv weiterhin in dieser Region.» Dieser Meinung ist auch Jérôme Lambert, CEO von Montblanc, der auf die angesichts der Ereignisse und der harten Erschütterungen der Geschäftswelt «beeindruckende Resistenz» Hongkongs hinweist.

Erschütterungen, die sich natürlich auch in der Schweiz bemerkbar machen. «Für Ende 2015 und Anfang 2016 halten wir an unserer Prognose relativer Stabilität für die Uhrenexporte fest», erklärt Jean-Daniel Pasche, Präsident des Verbands der Schweizerischen Uhrenindustrie (FH), wobei auch er je nach Akteur beträchtliche Unterschiede feststellt. Auch der starke Franken hat sich auf die Ergebnisse ausgewirkt. «Die Uhrenfirmen versuchten die Schwierigkeiten in den Griff zu kriegen, indem sie in der Schweiz die Preise senkten und damit ihren Profit reduzieren. Diese Massnahmen haben natürlich auch Konsequenzen für den Personalbestand.» Fachleute weisen auf die ausschlaggebende Bedeutung von Preispositionierung und geografischer Präsenz hin. Es überrascht nicht, dass die teuersten sowie die in China besonders stark präsenten Marken mehr leiden. Mächtige Gruppen ziehen sich generell besser aus der Affäre als die kleinen Unabhängigen. Diese Unterschiede machen sich natürlich auch im Personalbereich bemerkbar. Stark betroffene Marken sowie unabhängige Zulieferanten waren dieses Jahr gezwungen, Mitarbeiter zu entlassen. Hinter vorgehaltener Hand bestätigen einige von ihnen, dass ihre Auftragsbücher 40% weniger stark garniert sind als noch zu Beginn des Jahres und dass der Trend eher nach unten als nach oben zeigt.

Wie steht es mit dem Schweizer Markt?

Je nach Region gibt es bei den Verkaufspunkten massive Unterschiede. So überrascht es wenig, dass die Geschäfte in den von vielen asiatischen Touristen besuchten Gegenden sehr dynamisch sind, während sich die Lage in den urbanen Zentren weniger rosig präsentiert. Dies zeigt, dass Uhrenkäufer eher aus dem Ausland stammen und inländische Kunden zunehmend zu einer Quantité né- glieable werden. «Wir verzeichnen dieses Jahr 40% mehr Käufer bei einer Umsatzsteigerung von 20%», erklärt Jürg Kirchhofer, führender Detailhändler in der Region Interlaken. «Das heisst, die Anzahl Kunden ist zwar gewachsen, sie geben aber etwas weniger Geld aus.»

Diese sowohl im In- als auch Ausland starke Abhängigkeit der Schweizer Uhrenindustrie von der asiatischen und besonders der chinesischen Kundschaft ist einerseits ein Glücksfall und vielversprechend für künftiges Wachstum, anderseits aber auch enorm risikobehaftet. Deshalb unternehmen die Firmen beträchtliche Anstrengungen, bestehende Märkte zu aktivieren und neue zu erobern. Aber Russland ist am Boden, Lateinamerika immer noch enttäuschend, Indien kommt nicht vom Fleck. Nur gerade die USA sind dynamisch, wobei die Konjunktur dort eher fragil ist. Da erstaunt es wenig, dass zahlreiche Schweizer Uhrmacher wohl oder übel weiterhin auf Asien setzen.