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Die Lady aus Schanghai und das Mädchen aus Hangzhou

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Ernte von Grüntee in den Plantagen bei den Tempeln.
Im Four Seasons kann man das Frühstück auf einem traditionellen Boot geniessen.

«Welcome to Shanghai!» Ein behandschuhter Chauffeur öffnet die Tür des Rolls Royce Phantom aus dem Jahr 1934. Wir drehen uns höflich um und erwarten ein aufgeregtes: «Schnitt! Das sind nicht unsere Statisten.»

Nichts. Keine Dreharbeiten in Sicht. Trotz des zwölfstündigen Flugs von Paris haben wir auch keine Halluzinationen; die vom Hotel Peninsula bereitgestellte Limousine wartet tatsächlich auf uns.

Auf dem 24-stündigen Programm stehen ein chinesisches Sternerestaurant und eine Spritztour im Seitenwagen eines Oldtimers, bei der wir die 5000 Wolkenkratzer der Drachenkopf-Metropole bestaunen können. Mit einer Landkarte aus den Dreissigerjahren in der Hand stellen wir uns vor, wie der Jet Set einst zu Charleston-Klängen in den Palästen des Bund tanzte.

In der Nummer 2 dieser Prachtstrasse, die als kleine chinesische Wall Street gilt, wurden die Mitglieder des Shanghai Club seinerzeit nach einer strengen Hierarchie ihrem Rang entsprechend an der Bar platziert. Vor dem Zweiten Weltkrieg trafen sich die Schauspielerinnen des Reichs der Mitte im asiatischen Hollywood.

Das «Paris des Orients» verhalf aber auch ausländischen Leinwanddivas zu Ruhm, etwa Marlene Dietrich unter der Regie Josef von Sternbergs in «Shanghai Express» oder Rita Hayworth in «Die Lady von Shanghai» von Orson Welles. Vor nicht allzu langer Zeit diente die Stadt unter anderem als Kulisse für Michael Winterbottoms «Code 46» und Lou Yes‘ «Purple Butterfly» mit dem Filmstar Zhang Ziyi in der Hauptrolle.

Auf der Flaniermeile Nanjiing, an der sich ein Schaufenster für Luxusartikel an das andere reiht, drosseln wir unser Tempo. Über 2 Mio. Fussgänger durchstreifen jedes Wochenende diese 5,5 Kilometer lange «Champs Elysées von Schanghai». Die von Platanen gesäumten Alleen aus der französischen Konzession wirken wie ein Klischee aus der Kolonialzeit.

In den sogenannten Shikumen – alten, zweistöckigen Häusern, die ab 1860 erbaut wurden – befinden sich heute Cafés und Weinbars. Wir setzen unseren Besuch des mondänen Schanghai auf einer Azimut Flybridge 47, der Privatjacht des Peninsula, fort und folgen stromaufwärts dem Fluss Huangpu.

Man kann sich kaum vorstellen, dass die heutige Seemacht zu Beginn des 19. Jahrhunderts nur ein kleiner Fischerhafen war. Den Abend beschliessen wir am Tisch des Chefkochs des Zweisternerestaurants Yi long Court.

Liebhaber der kantonesischen Küche können sowohl durch das grosse Glasfenster mit Blick auf die Küche als auch über den Flachbildschirm jede Geste von Tang Chi Keung mitverfolgen. Am nächsten Tag beobachten wir die Gruppen von Rentnern, die sich bei Sonnenaufgang für ihre jahrtausendalten Übungen auf dem Bund ein finden. Die futuristische Architektur des Finanzviertels von Pudong am gegenüberliegenden Ufer des Flusses bildet dazu einen beeindruckenden Kontrast.

Reise in die Vergangenheit

200 Kilometer südlich von Schanghai lädt der poetische Westsee zu verträumten Spaziergängen ein. Hangzhou, die Hauptstadt der Provinz Zhejian, ist sowohl Hauptsitz des Alibaba-Imperiums als auch des Longjing Tee.

Die Meeresregion mit ihrem nebelverhangenen See und den grünen Tälern ist ein Hafen der Ruhe, wo die die Stadtbewohner am Wochenende ihre Batterien aufladen. Wir stellen unsere Koffer in Fayun ab, einem Unesco-geschützten historischen Dorf, in dem einst buddhistische Mönche lebten.

Die 42 Pavillons des Amanfayun Resort trennen kleine Bambuswälder. In der glanzvollsten Zeit gab es in der Region fast 2000 Tempel und Klöster, nur sieben davon stehen heute noch. Sie werden von 700 nach dem Gebot der Stille lebenden Mönchen bewohnt.

Die Hotelanlage ist von buddhistischen Klöstern und von hügeligen Teeplantagen umgeben, die im Frühling abgeerntet werden. Um seinen Gästen die chinesische Kultur näherzubringen, bietet das Hotel verschiedene Aktivitäten an.

Wir beginnen mit einer Teedegustation. Miss Yangyi, eine ungemein schüchterne Einheimische, leitet die Zeremonie. Dank einer Dolmetscherin lernen wir, dass in der Region grüner, roter, blauer, weisser, schwarzer und gelber Tee angebaut wird und sich Teesorten anhand der Fermentierung der Blätter unterscheiden.

Am Qingming Festival Anfang April werden Mingqiancha-Blätter, die teuersten Teeblätter der Welt, verkauft. Als Kaiser Qian Long das Dorf Longjing besuchte, war er derart vom Aroma des Tees begeistert, dass er achtzehn Büsche für den kaiserlichen Hof reservierte.

Die Büsche gibt es heute noch. Wir atmen ihren Duft ein, bevor wir einen Schluck des heilenden Getränks nehmen. «Grüntee wird nicht so heiss serviert wir fermentierte Tees», fährt die Dolmetscherin fort und schliesst mit den Worten: «Diese Kunst ist die Art und Weise, eine Harmonie mit der Pflanze herzustellen, die das Wissen und die Weisheit der Natur in sich aufnimmt. Ein meditativer Prozess.»

Meister Yonghui gibt Kalligrafiekurse. Der alte Mönch ist ein lebender Beweis, dass die alte Schreibkunst besänftigend wirkt. Der Pinsel, das Papier, die Tusche und der Reibstein stehen stellvertretend für Geist, Temperament, Erziehung und die Zivilisation. Obwohl für die Lektüre einer Zeitung 3000 Schriftzeichen ausreichen, erkennt ein gebildeter Chinese 6000 chinesische Schriftzeichen.

Die eifrigsten Schüler lernen sogar bis zu 80’000. Szenenwechsel. Wir reisen weiter zu den Ufern des Westsees und bewundern die grottenähnlichen Steingärten und Goldfischteiche in den Gärten des Four Seasons. Der 6,5 Quadratkilometer grosse See nahe des Qiantang-Flusses gilt seit der Sui-Dynastie (581 bis 618 n.Chr.) als eine der grössten Touristenattraktionen Chinas.

Su Dongpo (1037 bis 1101), ein berühmter Dichter der Song-Dynastie, verglich den See Xi Hu mit Xi Zi, der schönsten Frau des alten Chinas: «Der Westsee ist wie ein junges Mädchen, schön beim Erwachen und schön beim Zubettgehen.» Vom Südufer der Kleinen Paradiesinsel hat man die beste Aussicht auf die drei aus dem Wasser ragenden Steinlaternen, die auf der 1-Yuan-Note abgebildet sind.

6.45 Uhr morgens:

Wir nehmen an einer Tai-Chi-Sitzung teil. Die chinesische Kampfkunst soll die Energie fliessen lassen und innere Ruhe schaffen. Das Frühstück geniessen wir auf einem traditionellen Wasserfahrzeug aus Holz, das der Bootsmann über das ruhige Wasser gleiten lässt.

In der klösterlichen Stille werden uns gedämpfte Ravioli, Congee, ein salziger chinesischer Reisporridge, und Gebäck serviert. Langsam erwachen die Wildvögel aus ihrem Schlaf. Unter sechs Bogenbrücken hindurch gleiten wir dem Damm entlang und beobachten die Stadtbewohner, die zu Fuss oder auf dem Fahrrad unterwegs sind und sich in dem kaiserlichen Lotusgarten von Quyuan verlieren.

Eine der vielen Fussgänger- und Velobrücken entlang des Westsees.

Von Weitem erblicken wir die 60 Meter hohe Pagode der Sechs Harmonien, die das Gleichgewicht der sechs Richtungen des Universums wiederherstellen soll: Nord, Süd, Ost, West, Himmel und Erde. Als die Nacht über dem See hereinbricht, können wir die Arbeit des talentierten Zhang Yimou bestaunen.

Der für die Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele 2008 von Beijing verantwortliche Regisseur hat mit der Natur eine monumentale Show zu Themen der chinesischen Geschichte und Kultur inszeniert. Das Spektakel mit über hundert Sängern und Tänzern verbindet künstliche Lichteffekte mit der natürlichen Spiegelung des Wassers.

Die für die Musik von Kitaro mit einem Grammy Award ausgezeichnete Aufführung wurde im Jahr 2016 eigens für das G-20-Treffen überarbeitet und ist jeden Abend ausverkauft. Der perfekte Abschluss einer Chinareise.