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Die Illusion der Macht

Die Kritik an den grossen Technologiefirmen wächst. Ihre Marktmacht ist in den Fokus der Politik geraten. In den USA hat Senatorin Elizabeth Warren, vielleicht bald Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, vorgeschlagen, Konzerne wie Amazon, Apple, Facebook und Google aufzuspalten.

Auch in der europäischen Politik ist man gegenüber den Giganten kritisch eingestellt. Manfred Weber, möglicherweise der nächste Präsident der EU-Kommission, erklärte vergangenes Jahr: «Ich halte es für geboten, die Monopolfrage zu stellen.» Im Extremfall sei die Entflechtung eines Konzerns denkbar.

Zumindest könnte für Google und Facebook das Operieren in Europa bald teurer werden. Wird das neue EU-Urheberrecht verabschiedet, müssen sie hochgeladenes Material aufwendig auf Copyright überprüfen. Obwohl eine einheitliche EU-Digitalsteuer vorerst begraben wurde, wollen einzelne Mitgliedländer wie Frankreich eine nationale Steuer auf den Online-Umsatz einführen.

Mischung von Kritikpunkten

Dabei stammt das Unbehagen gegenüber den Grosskonzernen aus einer Melange vieler verschiedener Kritikpunkte. Zum einen wird ihnen vorgeworfen, sie hätten durch ihre Plattformen einen unfairen Vorteil. Amazon betreibt einen Online-Marktplatz und präsentiert dabei eigene Produkte bevorzugt. Apple und Google kontrollieren App Stores und sind gleichzeitig Anbieter eigener Applikationen – konkurrieren etwa im Musik-Streaming mit Spotify. Dabei verlangen sie hohe Gebühren von Fremdanbietern, Apple etwa bis 30% der Abo-Einnahmen.

Die Konzerne erscheinen so mächtig, dass sie jede Konkurrenz im Keim ersticken können und Kunden keine Wahl zu haben scheinen, denn in vielen Bereichen – Online-Werbung, Cloud Computing, Online-Handel – haben sich Monopole oder Oligopole gebildet. Die Grossen profitieren vom Netzwerkeffekt: Wenn alle WhatsApp (einen Dienst von Facebook) verwenden, dann haben es alternative Messaging-Dienste schwer.

Die EU geht dagegen scharf vor: Diese Woche hat sie eine Strafe von fast 1,5 Mrd. € gegen Google verhängt. So soll das Internet-Unternehmen mit Vertragsklauseln andere Webseiten daran gehindert haben, Werbeanzeigen von Konkurrenten zu akzeptieren. Um das lukrative Werbegeschäft von Google nicht zu gefährden musste man also Webseiten-Betreiber also andere Werbevermittler ablehnen.

Dazu kommen Sorgen um die kommerzielle Auswertung privater Daten. Die Datenschutzbehörde Frankreichs hat im Januar Google zu einer Strafzahlung von 50 Mio. € verdonnert: Dem Nutzer werde nicht offengelegt, wie die Daten verwendet werden. Das deutsche Bundeskartellamt hat Facebook auferlegt, dass Daten aus WhatsApp und Instagram nicht mehr automatisch dem Facebook-Konto des Nutzers zugeordnet werden dürfen.

Auch der Einfluss von Facebook oder YouTube (einem Dienst von Google) auf die öffentliche Meinung steht in der Kritik. Beidseits des Atlantiks wird Desinformation der Öffentlichkeit über soziale Netzwerke heftig diskutiert. In den USA und Europa sollen interessierte Parteien (namentlich Russland) mithilfe von Bots – Computerprogrammen, die vorgeben, echte Nutzer zu sein – versuchen, Wahlkämpfe zu beeinflussen.

Facebook hat im dritten Quartal 2018 über 2 Mrd. Posts gelöscht – weil sie Spam, «Hassrede» oder obszöne Inhalte enthielten. Der Konzern macht sich mit der Inhaltskontrolle keine Freunde: Manchen erscheint sie viel zu lasch, anderen geht sie schon zu weit. Die Macht des Internetriesen musste Elizabeth Warren selbst spüren: Ihre Werbung, in der sie zur Zerschlagung der Tech-Konzerne aufrief, wurde von Facebook kurzzeitig geblockt – sie habe gegen die Nutzungsbedingungen verstossen.

Dann sind da noch die Staatseinnahmen: In Europa zahlen Apple, Facebook und Google gemäss der EU-Kommission auf ihren Gewinn effektiv nur 9,5% Steuer. Dank ihrer virtuellen Produkte fällt es ihnen besonders leicht, den Gewinn in Ländern mit niedrigen Steuern anfallen zu lassen. Für traditionelle Geschäftszweige liegt gemäss EU der tatsächliche Steuersatz dagegen über 23%.

All diese einzelnen Vorwürfe sind valide, die Politik muss darauf antworten. Dagegen kann man mit regulatorischen Vorgaben, dem Steuerrecht und dem Wettbewerbsrecht vorgehen. Ein Aufbrechen der Konzerne würde aber dem Konsumenten einen Bärendienst erweisen, denn die Dienstleistungen sind wertvoll – auch wenn sie von einem natürlichen Monopol erbracht werden. Also einer Marktmacht, die nicht durch Regulierung oder illegale Absprachen entstanden ist.

Konsument hat Macht

Solch ein Monopol heisst nicht, dass der Konsument keine Macht mehr hätte. Das zeigt die Vergangenheit. Im März 1998 hiess es im Magazin «Fortune»: «Yahoo! hat den Krieg der Suchmaschinen gewonnen.» Im September desselben Jahres wurde Google gegründet und konnte dank einem revolutionären Suchalgorithmus dem bisherigen Quasi-Monopolisten sehr schnell das Wasser abgraben.

Im Februar 2007 fragte die britische Zeitung «Guardian» zum dominanten Social-Media-Anbieter: «Wird MySpace jemals sein Monopol verlieren?» Die Sorge: Medienzar Rupert Murdoch könne seine Meinungsmacht mit der Übernahme von MySpace extrem ausbauen. Das drei Jahre vorher an der Uni Harvard gegründete Facebook erschien noch nicht auf dem Radar. Schon 2009 war MySpace überholt.

Die Beispiele mahnen dazu, die Macht der natürlichen Monopolisten nicht zu überschätzen. Schon jetzt lässt sich beobachten, wie sich die derzeitigen Marktführer immer neu erfinden müssen, um sich zu behaupten. Sie können sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen.

Niemand kommt an den Marktplatz von Amazon heran, da niemand so geringe Margen akzeptiert. Google investiert mehrere Milliarden Dollar in künstliche Intelligenz, um durch diese Technologie nicht plötzlich von einem neuen Konkurrenten abgehängt zu werden. Facebook hat sich durch den Zukauf von Instagram gegen Stagnation und Alterung der eigenen Nutzerbasis abgesichert. Apple hat schon seit längerem Mühe, die Begeisterung der Konsumenten für die eigenen Produkte weiter anzufachen.

Elizabeth Warren diagnostiziert, dass die Internet-Riesen Innovationen behindern und kleinen Konkurrenten keine Chancen ermöglichen. Das Gegenteil ist der Fall. Für Start-ups ist es leicht wie nie zuvor, an Kapital zu kommen. Die App-Plattformen von Google und Apple haben auch kleinen Softwarefirmen einen Absatzmarkt ermöglicht, der davor undenkbar war. Amazon hat das Anbietern von physischen Produkten ermöglicht.

Mittelfristig haben Unternehmen in gut beaufsichtigten Märkten nur Macht, wenn Konsumenten ihre Produkte gegenüber der Konkurrenz bevorzugen. Sonst erweist sich die Macht schnell als Illusion. Die Politik sollte Auswüchse im Zaum halten, einen fairen Marktzugang für neue Konkurrenz ermöglichen und sonst den Wettbewerbskräften vertrauen.