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«Die Hausse geht auch nach langer Dauer weiter»

«Investoren sind oft dann ihr eigener schlimmster Feind, wenn sie auf lokale Schlagzeilen überreagieren und ängstlich werden.»

Herr Haefele, wie würden Sie den aktuellen Zustand der Aktienmärkte beschreiben, was überwiegt, Hoffen oder Bangen? - Nach einigen Jahren, in denen Hoffnung die Angst übertroffen hat, denke ich, dass wir uns an einem Punkt der Ausgewogenheit befinden. Die Weltwirtschaft ist stark, vor allem in den USA, und Gleiches gilt für die Unternehmensgewinne. Umgekehrt dämpfen Ängste vor einem Handelskrieg, vor höheren Zinsen oder einer Verlang­samung in China die Zuversicht.

Auf welche Seite dürfte das Pendel als Nächstes schwingen? - Die US-Aktienmärkte sind auf einem Rekordhoch, aber das trifft auch auf die Unternehmensgewinne zu. Die Bewertung ist weiterhin nicht übertrieben. Wir sollten auch nicht vergessen, dass andere Märkte, namentlich in Europa und in vielen Schwellenländern, sich weiter unter ihren Höchst von 2007 bewegen. Falls die Gewinne zu sinken beginnen, sollten Anleger anfangen, sich Sorgen zu machen. Solang sie aber steigen, werden die aktuellen Börsenniveaus gut unterstützt.

Was schätzen Sie, wie lange dauert der Aufschwung noch, notieren die Märkte Ende Jahr höher oder tiefer als heute? - Es gibt kaum Anzeichen, dass die Wirtschaft ihre Kapazität erreicht hat: Die Inflation ist immer noch niedrig, die Finanzierungskosten sind bescheiden, und ausserhalb von China ist das Schuldenwachstum begrenzt, weshalb wir meinen, dass der Bullenmarkt andauern wird. Über einen kurzen Zeithorizont hinweg sind die Märkte jedoch viel schwieriger einzuschätzen. In unserer globalen taktischen Vermögensallokation – das heisst über die nächsten sechs Monate – vertreten wir eine weitgehend neutrale Haltung. In dieser Zeit beobachten wir gespannt, wie der Markt auf die nächste Runde von US-Zöllen gegenüber China reagiert.

Was nützt eine robuste Konjunktur, wenn immer wieder neue Klippen auftauchen. Sie sprechen den Handelsstreit an, im Frühjahr war es Italien, jüngst die Türkei. Fährt besser, wer Kursgewinne jetzt ins Trockene bringt? - Mittelfristig sollte eine robuste Wirtschaft dazu beitragen, dass sich die Märkte ­zusammen mit wachsenden Unternehmensgewinnen nach oben bewegen. Meine Erfahrung ist, dass Investoren oft dann ihr eigener schlimmster Feind sind, wenn sie auf lokale Schlagzeilen überreagieren und dann zu ängstlich werden, um angemessen zu investieren. Wer in eine Reihe von globalen Märkten investiert, kann sich meist besser auf das Gesamtbild konzentrieren, statt gebannt auf lokale Risiken zu starren.

Was halten Sie für die grösste Gefahr an den Aktienmärkten? - Politische Fehleinschätzungen. Die US- Zentralbank erhöht den Zins, die EZB reduziert ihren Stimulus, und China versucht, die Auswirkungen von Zöllen mit Anreizen auszugleichen. Falls diese Entscheidungsträger ihre Schritte nicht richtig beurteilen, wenn zum Beispiel das Fed die Zinsen zu schnell erhöht, die EZB zu schnell vorgeht oder wenn Chinas Konjunkturprogramm zu einer Kreditblase  führt, könnte das einen Marktschock auslösen. Allerdings hat Chinas Regierung in den letzten Jahren bewiesen, dass sie es gut versteht, die Wirtschaft zu kontrollieren, das Schuldenwachstum zu begrenzen und gleichzeitig die Produktion aufrechtzuerhalten. Ihr stehen die Instrumente zur Verfügung, um das auch weiterhin zu tun. Zölle auf Exporte in die USA werden Peking jedoch das Leben erschweren.

Wohin führt der Handelsstreit noch? - Es wird wahrscheinlich noch schlimmer, bevor es besser wird. Ein Zollsatz von 10% auf 200 Mrd. $ an chinesischen Importen soll noch im September in Kraft treten. Falls es zu einer massgeblichen Eskalation kommt, etwa durch wesentlich höhere Zölle oder nichttarifäre Vergeltung durch China, würden die Aktienmärkte voraussichtlich negativ reagieren. Die Auswirkungen wären aber nicht überall die gleichen.

Nämlich? - Die US-Märkte könnten erstarken, während Länder wie Japan, Deutschland und einige Schwellenländer, die sensibel auf Handelsentwicklungen reagieren, leiden würden. Gut ­diversifizierte Investoren sind am besten positioniert, um einen Sturm zu überstehen.

Was würde umgekehrt die Märkte ­beflügeln? - Produktivitätswachstum wäre ein grosser Schub. Die meisten Industrieländer haben seit der Finanzkrise wenig bis gar kein Produktivitätswachstum erlebt. Es zirkulieren verschiedene konkurrierende Theorien darüber, warum dem so ist. Hätten wir ein höheres Produktivitätswachstum, lösten sich viele Befürchtungen über höhere Zinsen und das Ende des Wirtschaftszyklus auf, da wir dann eine Dynamik sehen könnten, in der Arbeitnehmer mehr Lohn erhalten, Konsumenten mehr ausgeben und Unternehmen mehr verdienen, ohne die Inflation anzuheizen und ohne Notwendigkeit für höhere Zinsen.

Sie haben die Aktienquote auf Neutral zurückgefahren und warten auf Anzeichen für den richtigen Zeitpunkt, das Risikoengagement wieder zu erhöhen, wie Sie ­in der August-Ausgabe der  «UBS House View» schreiben. Wann könnte es soweit sein? - Wir halten Ausschau auf Anzeichen, dass der Handelsdisput nachlässt, oder aber die Märkte einem Handelskrieg eine ­höhere Wahrscheinlichkeit einräumen. Ein Seitwärtstrend, währenddem gleichzeitig die Unternehmensgewinne wachsen, würde eine attraktivere Bewertung bedeuten und, falls alle anderen Faktoren unverändert bleiben, uns ermutigen, die Märkte wieder positiver zu betrachten.

Welchen Anteil hat in der aktuellen Aktiengewichtung die Schweiz? - Wir haben derzeit für Schweizer Aktien eine neutrale Allokation. Kunden können bei unseren Anlagelösungen wählen, ob sie ein vollständig global diversifiziertes Portfolio halten wollen oder Lösungen mit mehr oder minder grossem Home Bias bei Schweizer Aktien wählen. Weil der Schweizer Aktienmarkt in den vergangenen drei Jahren klar hinter den globalen Märkten zurückblieb, hat sich ein derartiger Fokus auf Schweizer Aktien allerdings nicht ausbezahlt.

Auf dem hiesigen Markt lastet die Frankenstärke. Was müssen Anleger währungsseitig beachten? - Anders als für die Schweizer Wirtschaft ist für die an der Schweizer Börse kotierten Unternehmen der Dollar insgesamt wichtiger als der Euro. Weil der Dollar bisher robust war, rechnen wir aktuell nicht mit Währungsverlusten für die diesjährigen Unternehmensgewinne. Auch die schwächeren Schwellenländerwährungen drehen die Währungsbilanz in diesem Jahr bisher nicht ins Negative. Geht die Frankenstärke allerdings weiter, würde sich die Situation ins vierte Quartal und besonders ins nächste Jahr hinein zu einem Gegenwind entwickeln.

Dafür ist der Schweizer Markt mit dem ­hohen Gewicht von Pharma und Nahrungsmittel defensiv orientiert. Könnte das ein Katalysator für eine starke Schweizer Börse in nächster Zukunft sein? - Seit gut zwei Monaten entwickelt sich die Schweizer Börse leicht besser als der Weltaktienindex. Die defensive Sektorausrichtung und gute unternehmensspezifische Entwicklungen der Börsenschwergewichte stützen dabei. Eskalieren die Weltkonjunkturrisiken, dürfte die Schweizer Börse wohl weiterhin eher gute Karten im globalen Kontext haben, obwohl die schweizerischen Unternehmen überdurchschnittlich international verknüpft sind. Die Bewertung des Schweizer Aktienmarkts stufen wir im internationalen Vergleich aber zurzeit als neutral ein.

Wie erklären Sie sich die harsche Reaktion auf enttäuschende Zwischenberichte am Schweizer Aktienmarkt und das genauso markante Echo auf Zahlen, die positiv überraschen? Verkennen Analysten die Situation? Ist mit weiteren grösseren Bewegungen zu rechnen? - Die Nervosität der Investoren ist gestiegen, und entsprechend konsequent agieren sie meistens auf Enttäuschungen. Weniger generell, aber trotzdem auffallend, können auch positive Überraschungen zu markanten Kursveränderungen respektive Kurssprüngen führen. Da wir davon ausgehen, dass die Marktnervosität vorerst erhöht bleiben wird, dürften selektiv starke Korrekturen, aber auch Ausschläge gegen oben weiterhin zur Tagesordnung gehören.

Ist der Boom von Small und Mid Caps zu Ende und übernehmen die grosskapitalisierten Titel wieder den Lead? - In der Tendenz ja. Allerdings ist das ­Wachstum vieler dieser kleineren Gesellschaften im historischen Vergleich nach wie vor überdurchschnittlich hoch. Im Gegensatz zu den vergangenen fünf Jahren sollten Investoren unserer Meinung nach im Segment der Schweizer Small und Mid Caps jetzt deutlich selektiver ­investieren.