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«Die Gelassenheit in Russland überrascht»

«Es besteht keine Gefahr, dass es einen Zahlungsausfall des Staates gibt. Bei allen Versäumnissen hat die Politik es immerhin geschafft, dass der Staat ‹unsinkbar› geworden ist.»

Herr Siller, der Rubel wertet sich immer weiter ab. Die Wirtschaft ist im vergangenen Jahr um etwa 4% geschrumpft. Wie schätzen Sie die Lage ein? - Die Stimmung in Russland ist überraschend gelassen. Verglichen mit den Panikattacken, die die russische Bevölkerung in der Vergangenheit erfassten, ist das schon ein grosser Fortschritt. Die Russen sind ärmer geworden. Aber niemand in der Bevölkerung hat wirklich an den neuen Reichtum geglaubt. Die meisten fühlen sich durch die jetzige Rezession in ihrer Meinung bestätigt.

Wie kommt es, dass die Bevölkerung so ruhig bleibt? - Trotz aller Unsicherheiten muss man zwei Dinge festhalten. Erstens besteht keine Gefahr, dass es einen Zahlungsausfall des Staates gibt. Bei allen Versäumnissen hat die Politik es immerhin geschafft, dass der Staat «unsinkbar» geworden ist. Zweitens gibt es keine explosionsartige Inflation, trotz der Rubelabwertung. Die Teuerung ist ähnlich hoch wie in der Türkei, die ja vom niedrigen Ölpreis profitiert. Das ist darauf zurückzuführen, dass der Selbstversorgungsgrad der Wirtschaft gestiegen ist.

Der schwache Rubel an sich ist also kein grosses Problem? - Wichtig war die Entscheidung der Zentralbank im Jahr 2014, nicht mehr auf dem Währungsmarkt zu intervenieren und den Rubelkurs freizugeben. Die Zentralbank setzt nur noch ihre Reserven ein, um den Banken Liquidität bereitzustellen. Gleichzeitig wird der Druck genutzt, um eine Konsolidierung der Banken zu erzwingen. Das Finanzsystem ist flexibel, ein Bankenkollaps droht nicht.

Gibt es kein Problem im Finanzsystem mit immer mehr notleidenden Krediten? - Sicherlich gibt es mehr notleidende Kredite. Doch wegen der stetigen Rubelabwertung gibt es keine tickende Zeitbombe von Krediten in ausländischer Währung, wie sie bei einem festen Wechselkurs entstehen würde. Das grösste Geldhaus, Sberbank, gilt als sicher und ist daher trotz der niedrigsten Zinsen für Kunden attraktiv. Die Bank hat eine wachsende Marge, was ein Polster für Problemkredite gibt. Ausserdem wurde eine Bad Bank geschaffen, um notleidende Kredite aus den Bankbilanzen zu lösen. Und einzelne Institute werden von der Zentralbank unterstützt.

Hat Russlands Strukturpolitik versagt, die Wirtschaft rechtzeitig von der Ölabhängigkeit loszulösen? Es wurde ja nicht so viel Geld zurückgelegt wie in Norwegen.  - Sicherlich gibt es Versäumnisse. So sind die vom Staat initiierten High-Tech-Zentren gescheitert. Der Vergleich mit Norwegen ist aber unfair. Ich würde sagen, man hat es besser gemacht als etwa Kasachstan. In der Privatwirtschaft hat sich einiges getan.

Was denn zum Beispiel? - Es gibt Beispiele von Internet- und Softwareunternehmen, die es mit der internationalen Konkurrenz aufnehmen können. Das macht Hoffnung, dass es in Russland gutes Humankapital gibt und dieses auch gepflegt wird. In der Landwirtschaft gibt es ebenfalls Fortschritte. RusAgro konsolidiert Unternehmen in der Landwirtschaft. Dies war über die letzten Jahre einer der besten Titel an der Börse, da sich das Unternehmen lange und günstig mit Rubel finanziert hat.

Die Direktinvestitionen aus dem Ausland sinken. Glauben Sie, dass mehr Investitionen kommen, wenn sich die Lage stabilisiert? Der günstige Rubel wäre ja ein Standortvorteil. - Mehr ausländische Investitionen braucht es eigentlich nicht. Der Kapitalstock ist schon gross. Aber es wird zu mehr Importsubstitution kommen – es werden mehr Dinge zu Hause produziert. Während die Autofabrikation schon sehr weit «russifiziert» ist, gibt es bei der Lebensmittelherstellung noch viel Potenzial. Das ist jetzt schon im Gange. Wer hätte gedacht, dass Russland auch bei einem Ölpreis von 30 $ je Fass noch einen Aussenhandelsüberschuss erreicht?

Wie positionieren Sie sich am Aktienmarkt? - Wir setzen auf Exportwerte und Unternehmen, die sich langfristig in Rubel finanziert haben. Ein Beispiel ist die Supermarktkette Magnit, die auch daran arbeitet, die Einfuhren von Lebensmitteln durch heimische Produktion zu ersetzen.